JudikaturOGH

11Os28/05k – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Mai 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kreitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mario S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 23 Hv 224/03b des Landesgerichtes Innsbruck, über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. Dezember 2003, GZ 23 Hv 224/03b-19, und die zugleich damit nach §§ 494a Abs 1 Z 3 letzter Satz und (hinsichtlich Andreas R*****) 494a StPO iVm § 55 StGB gefassten Beschlüsse, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Mag. Fuchs, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 23 Hv 224/03b des Landesgerichtes Innsbruck verletzen das Gesetz

1) das Urteil vom 19. Dezember 2003

a) in seinem Mario S***** betreffenden Ausspruch, dass unter nachträglichem Strafausspruch nach §§ 15, 16 JGG (auch) im Verfahren GZ 23 Hv 135/03i des Landesgerichtes Innsbruck eine Gesamtstrafe verhängt wird, in §§ 12 Abs 1, 15 Abs 1 und 16 Abs 1 JGG sowie in § 494a Abs 1 Z 3 StPO,

b) in seinem Andreas R***** betreffenden Ausspruch, dass unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf die in den Verfahren AZ 36 Hv 139/03y des Landesgerichtes Innsbruck am 25. August 2003 bzw AZ 23 Hv 132/03y desselben Gerichts am 23. September 2003 ergangenen Urteile von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen wird, in § 31 StGB;

2) der Beschluss vom 19. Dezember 2003, mit welchem vom Widerruf der Andreas R***** in den (diesen Angeklagten gar nicht betreffenden) Verfahren AZ 36 Hv 139/03y und AZ 23 Hv 132/03y je des Landesgerichtes Innsbruck gewährten bedingten Strafnachsichten abgesehen wurde, in § 53 StGB und in § 494a StPO.

Das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. Dezember 2003, GZ 23 Hv 224/03b-19, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Mario S***** betreffenden Ausspruch über die nachträgliche Straffestsetzung sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur Strafneubemessung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 19. Dezember 2003 auf nachträgliche Straffestsetzung (auch) zum Verfahren AZ 23 Hv 135/03i des Landesgerichtes Innsbruck wird zurückgewiesen.

Der oben zu Punkt 2 angeführte Beschluss wird aufgehoben und der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem in gekürzter Form (§§ 58 Abs 3, 488 Z 7 StPO) ausgefertigten Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. Dezember 2003, GZ 23 Hv 224/03b-19, wurde

I) der am 11. Juli 1987 geborene Mario S*****des am 11./12. März 2003

in Kufstein begangenen Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und (im Sinne der Anträge der Staatsanwaltschaft) nach „§§ 28, 129 StGB unter Anwendung des § 5 JGG sowie unter gleichzeitigem nachträglichen Strafausspruch nach den §§ 15, 16 JGG in den Verfahren 23 Hv 136/03m und 23 Hv 135/03i", jeweils des Landesgerichtes Innsbruck, zu einer zweimonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 494a Abs 1 Z 3 letzter Satz StPO wurde ausgesprochen, dass in den beiden zuletzt genannten Verfahren ein nachträglicher Strafausspruch nicht mehr in Betracht komme, und II) der am 24. November 1982 geborene Andreas R***** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 4 letzter Satz StGB (Tatzeit „März/April 2003") schuldig erkannt. Unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf - allerdings seinen Bruder Martin R***** betreffende (S 207, 289) - in den Verfahren AZ 36 Hv 139/03y und 23 Hv 132/03y des Landesgerichtes Innsbruck am 25. August 2003 und 23. September 2003 ergangene - Urteile wurde von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen. Zugleich fasste das Gericht den Beschluss auf Absehen vom (beantragten: S 245) Widerruf der in den beiden vorbezeichneten Urteilen gewährten bedingten Strafnachsicht.

Rechtliche Beurteilung

Durch die angeführten Entscheidungen des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. Dezember 2003 wurde, wie der Generalprokurator in seiner deswegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, das Gesetz mehrfach verletzt:

zu I: Mario S***** war im Verfahren AZ 23 Hv 136/03m des Landesgerichtes Innsbruck mit Urteil vom 23. September 2003 (ON 13) des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch schuldig erkannt worden. Der Ausspruch der zu verhängenden Strafe wurde gemäß § 13 Abs 1 JGG unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit vorbehalten. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. November 2003, GZ 23 Hv 135/03i-26 wurde Mario S***** des „am 10./11. 9. 2003" begangenen Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt. Von einem Strafausspruch wurde gemäß § 12 Abs 1 JGG unter Hinweis darauf abgesehen, „dass die Verurteilung im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB zum Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. September 2003, GZ 23 Hv 136/03m-13" stünde.

Der Strafausspruch in dem von der Anfechtung durch den Generalprokurator betroffenen Urteil vom 19. Dezember 2003, GZ 23 Hv 224/03b-19, verletzt das Gesetz in § 494a Abs 1 Z 3 StPO und in den §§ 12 Abs 1, 15 Abs 1, 16 Abs 1 JGG:

Ein Schuldspruch ohne Strafe gemäß § 12 Abs 1 JGG erfolgt endgültig, also ohne Festsetzung einer Probezeit, sodass in einem solchen Fall weder ein nachträglicher Strafausspruch gemäß §§ 15 Abs 1, 16 Abs 1 JGG noch ein Absehen davon (§ 15 Abs 2 JGG) möglich und somit auch keine Strafbemessung gemäß § 494a Abs 1 Z 3 StPO vorgesehen ist (13 Os 119/02). Die Gesetzesverletzung wirkte sich zum Nachteil des Mario S***** aus, weshalb ihre Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen und demgemäß das Urteil im Mario S***** betreffenden Ausspruch über die nachträgliche Straffestsetzung sowie im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zur Strafneubemessung an das Landesgericht Innsbruck zu verweisen sowie der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Straffestsetzung im Verfahren 23 Hv 135/03i des Landesgerichtes Innsbruck (S 237, 245) zurückzuweisen war.

Zu II: Soweit im bezeichneten Urteil vom 19. Dezember 2003 hinsichtlich Andreas R***** gemäß §§ 31, 40 StGB auf Verurteilungen Bedacht genommen wurde, die dessen Bruder betreffen, wurde das Gesetz in § 31 StGB verletzt. Der zugleich gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf der in den jeweils Martin R***** betreffenden Verfahren AZ 36 Hv 139/03y und AZ 23 Hv 132/03y je des Landesgerichtes Innsbruck gewährten bedingten Strafnachsichten verletzt wiederum das Gesetz in § 53 StGB und in § 494a StPO.

Auch dieser Beschluss war gemäß § 292 letzter Satz StPO aufzuheben und der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, weil bei Fortbestehen des Beschlusses zum Nachteil des Andreas R***** Rückschlüsse auf tatsächlich nicht erfolgte Vorverurteilungen möglich wären.

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