12Os110/04 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. April 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krammer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner und Gertrude M***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten Werner M***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 25. Mai 2004, GZ 28 Hv 77/03x-123, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Solé, sowie des Verteidigers des Erstangeklagten, Dr. Vallender, zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Freisprüchen Punkt C (betreffend die Angeklagte Gertrude M*****) und Punkt D (betreffend beide Angeklagten) und demgemäß auch im Strafausspruch über Werner M***** aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft (teilweise) und des Angeklagten Werner M***** (zur Gänze) verworfen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte Werner M***** und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Dem Angeklagten Werner M***** fallen auch die auf sein erfolgloses Rechtsmittel entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Werner M***** des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 31. August 1999 in Kufstein vor dem Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht in der Rechtssache AZ 48 Cga 230/98h in der öffentlichen Streitverhandlung als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache zumindest durch die Angaben „Ich habe mit der GmbH (gemeint: M***** GmbH) nichts zu tun" (S 30 in ON 18 in 48 Cga 230/98h) sowie durch die Aussage „Es trifft nicht zu, dass ich bei der nunmehrigen beklagten Partei eigentlich der Chef bin bzw dort die Fäden ziehe; dort sind meine Frau und mein Sohn die Chefs" (S 31 in ON 18 in 48 Cga 230/98h) falsch ausgesagt.
Hingegen wurden Werner und Gertrude M***** von der Anklage, es hätten in Kufstein und anderen Orten
A./ Gertrude M***** in der Zeit vom 25. August 1998 bis 13. April 2000 als Geschäftsführerin der M***** GmbH und vom 13. April 2000 bis 6. Juli 2000 als Liquidatorin der M***** GmbH in Liquidation und Werner M***** in der Zeit vom 25. August 1998 bis 6. Juli 2000 als de facto Geschäftsführer der M***** GmbH, sohin als leitende Angestellte einer juristischen Person, grob fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt und dadurch einen 800.000 EUR übersteigenden Befriedigungsausfall deren Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen bewirkt, indem sie kridaträchtig handelten, nämlich es unterließen, Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen, oder diese so führten, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wurde, und es entgegen ihrer entsprechenden Verpflichtung verabsäumt, Jahresabschlüsse zu erstellen (§ 159 Abs 5 Z 4 und Z 5 StGB); B./l./ Gertrude M***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachangeführte Betreiber von Tankstellen durch Vorspiegelung der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, durch Hinweis auf eine Erbschaft und durch zahlreiche Vorlage ungedeckter Überweisungsaufträge und ungedeckter Schecks, sohin durch Täuschung über Tatsachen zur Gewährung von Fahrzeugbetankungen, sohin zu Handlungen verleitet, welche nachangeführte Unternehmer an ihrem Vermögen schädigten, wobei der Schade 40.000 EUR überstiegen hätte, und zwar:
a./ im Oktober 1997 und November 1997 Adriano R***** im Umfang von 749.385,83 S (54.459,99 EUR),
b./ im Juni und Juli 1999 Franziska P***** im Umfang von 244.461,68 S (17.765,72 EUR),
c./ von Juni 1999 bis September 1999 Gottfried J***** im Umfang von 987.756,60 S (71.783,07 EUR),
d./ im Jänner 2000 Verantwortliche der Mü***** GmbH im Umfang von 667.248,24 S (48.419,82 EUR);
2./ Werner M***** Gertrude M***** zu der in Punkt B./1./ angeführten Straftat bestimmt, indem er in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit sämtliche Entscheidungen im Unternehmen traf und sie zu den einzelnen Tankstellenbetreibern schickte;
C./ Gertrude M***** am 9. Juni 2000 nach Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit dadurch, dass sie einen Betrag von 678.755 S (49.327 EUR) des Verkaufserlöses aus der Verwertung ihrer Anteile an der G***** GmbH der C***** GmbH zur Abdeckung einer Darlehensforderung überließ, einen Gläubiger begünstigt und hiedurch die anderen Gläubiger benachteiligt;
D./ Werner M***** und Gertrude M***** in der Zeit zwischen 30. März 1999 und 12. April 2000 als leitende Angestellte der M***** GmbH (Werner M***** als de facto Geschäftsführer und Gertrude M***** als Geschäftsführerin), die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, dadurch, dass sie Barbehebungen im Betrag von 10,379.001 S (754.271,98 EUR) tätigten und dieses Geld für unternehmensfremde Zwecke verwendeten, Bestandteile des Gesellschaftsvermögens beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger in einem 40.000 EUR übersteigenden Betrag geschmälert,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Während der Angeklagte Werner M***** den wider ihn ergangenen Schuldspruch aus den Nichtigkeitsgründen der Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO bekämpft, richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Freisprüche der beiden Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner M*****:
Angesichts der Erklärung des Verteidigers in der Hauptverhandlung vom 27. Jänner 2004, mit der Verwertung des gesamten Akteninhaltes einverstanden zu sein und auf die wörtliche Verlesung zu verzichten (S 417/VII), legt die Mängelrüge (Z 5) nicht dar, weshalb es dem Schöffengericht verwehrt gewesen sein sollte, seinen Feststellungen die von der Staatsanwaltschaft mit Antrag vom 11. August 2000 (S 3w/I) zum Strafakt übersendeten, die Zeugenaussage des Angeklagten enthaltenden Kopien aus dem Akt AZ 48 Cga 230/98h des Landesgerichtes Innsbruck zu Grunde zu legen.
Mit der unsubstantiierten Behauptung, die Konstatierung der als tatbildmäßig gewerteten Passagen der Zeugenaussage des Beschwerdeführers sei „durch das aus dem Aussagezusammenhang-Reißen sinnverdreht und widerspreche der tatsächlichen Aussage bzw dem schriftlichen Protokoll der Zeugeneinvernahme", wird - ungeachtet der vollständigen Zitierung des sie enthaltenden Protokollabschnittes aus dem genannten Zivilakt in der Rechtsmittelschrift - der Einwand der Aktenwidrigkeit, also der in seinen wesentlichen Teilen unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe eines relevanten Beweismittelinhalts (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 467), nicht schlüssig dargetan. Dieser in der Tatsachenrüge (Z 5a) ebenfalls erhobene Einwand ist auch nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu begründen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermeint, die Feststellung, wonach Werner M***** gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn nur einer von drei Entscheidungsträgern der in Rede stehenden Gesellschaft war (US 7), stünde im Einklang mit seiner inkriminierten Aussage vor dem Arbeits- und Sozialgericht, es treffe nicht zu, dass er bei der nunmehrigen beklagten Partei (der M***** GmbH) eigentlich der Chef sei bzw dort die Fäden ziehe. Dabei vernachlässigt sie jedoch den konstatierten Bedeutungsinhalt der Aussage, dem zufolge er seine de facto Geschäftsführung negierte (US 5, 7, 13 - darüber hinaus auch seine Behauptung in der bezeichneten Rechtssache, wonach seine Frau und sein Sohn die Alleinverantwortlichen des Unternehmens waren). Mit seinem Einwand, er habe sich in der rechtlichen Bewertung eines de facto Geschäftsführers bzw des Chefs eines Unternehmens geirrt, argumentiert der Beschwerdeführer abermals nicht auf Basis der Urteilsfeststellungen, wonach er wusste, dass seine Aussage, die überdies bloß seine faktische und nicht seine juristische Position in der M***** GmbH zum Gegenstand hatte, unrichtig ist (US 13). Aus welchen Gründen es dem Angeklagten trotz seiner förmlichen Einvernahme als Zeuge (S 17 des Protokolls über die öffentliche mündliche Verhandlung vom 31. August 1999 aus 48 Cga 230/98h des Landesgerichtes Innsbruck) nicht möglich gewesen sein sollte, den Tatbestand des § 288 Abs 1 StGB zu verwirklichen, wird ebenso wenig erklärt wie die ohnedies bloß hypothetische Annahme, er wäre (auch) als de facto Geschäftsführer, sohin ohne formelle Vertretungsbefugnis, als Partei zu vernehmen gewesen. Weshalb die weiterführenden Angaben des Angeklagten, es sei richtig, dass er in einem Familienunternehmen arbeite, und er sei zweifellos derjenige in seiner Familie, der die meiste Erfahrung im Speditions- und Transportgewerbe aufweise, geeignet sein sollten, die unwahren Angaben über seine tatsächliche Position im genannten Unternehmen in allen nicht völlig nebensächlichen Punkten richtig zu stellen und damit den Strafaufhebungsgrund tätiger Reue nach § 291 StGB zu begründen (vgl Plöchl/Seidl in WK2 § 291 Rz 6), wird in der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargelegt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Gestützt auf die Aussagen der Zeugen Gerhard B*****, Gerda S***** und Maria Se***** vermisst die gegen den Freispruch Punkt A gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Konstatierung, wonach die von den Angeklagten geführten Geschäftsbücher oder geschäftlichen Aufzeichnungen nicht geeignet gewesen seien, einen zeitnahen Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln, verabsäumt es jedoch auf aktenkundige Verfahrensergebnisse hinzuweisen, die den zur Deliktsverwirklichung nach § 159 Abs 1 und Abs 4 Z 1 iVm Abs 5 Z 4 StGB erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen kridaträchtiger Handlung und Erfolg (Zahlungsunfähigkeit) indizieren (Fabrizy StGB8 § 159 Rz 11). Auch der gegen den Freispruch Punkt B erhobene Einwand unvollständiger Begründung (Z 5) der Feststellung, wonach die Angeklagten keine Täuschungshandlungen setzten, sondern bloß aus Kostengründen zu der jeweils billigsten Tankstelle wechselten, ist fallbezogen nicht von Relevanz, weil das Schöffengericht - insoweit unangefochten - einen Schädigungsvorsatz insgesamt verneint hat und davon ausgegangen ist, dass die Angeklagten angesichts der seit dem Jahre 1999 geführten Finanzierungs- und Übernahmegespräche mit Erika G***** bzw Gerhard B***** auf eine Kapitalzufuhr bzw auf Eingehung bestimmter Beteiligungsverhältnisse vertraut haben, die den wirtschaftlichen Untergang der M***** GmbH hätten verhindern können (US 11).
Hingegen erweisen sich die gegen die Freispruchpunkte C und D erhobenen Einwände als berechtigt:
Im Widerspruch (Z 5 fünfter Fall) zu den Erwägungen des Schöffengerichtes, das von bloß einem Exekutionsverfahren gegen Gertrude M***** im Tatzeitpunkt ausging (US 15), ergibt sich aus der betreffenden Aufstellung (S 449 f/I), dass zwischen 24. November 1997 und 6. Juni 2000 bereits 18 Exekutionsanträge gegen sie eingebracht wurden (bis zum tatsächlich relevanten Zeitpunkt der Zahlung an die S***** GmbH am 9. August 2000 [vgl US 12, S 187/II] waren es sogar 24).
Außerdem haben es die Tatrichter verabsäumt (Z 5 zweiter Fall), die Aussagen der Zeugen Christian S***** (S 349/VII) und Dr. Burghard Se***** (S 343/VII) zu erörtern, die bereits für das erste Halbjahr 2000 die Zahlungsunfähigkeit der Zweitangeklagten infolge Fehlens jeglicher Barmittel indizieren.
Zum Freispruchpunkt D hat das Erstgericht bei „überschlagsmäßiger Hochrechnung" der den im genannten Unternehmen tätigen LKW-Fahrern ausgehändigten Bargeldbeträge von wöchentlich ca 150.000 S und unter Berücksichtigung fallweise in bar beglichener Tankrechnungen (in nicht festgestelltem Umfang) angenommen, dass eine Verwendung der insgesamt im Zeitraum vom 30. März 1999 bis 12. April 2000 entnommenen Gelder von insgesamt 10,379.001 S für unternehmensfremde Zwecke nicht erweislich sei.
Die Beschwerde zeigt jedoch zutreffend auf, dass die Tatrichter die Einstellung des Geschäftsbetriebs im Jänner 2000 zwar festgestellt (US 11, vgl auch S 417/VII), anlässlich der dargestellten Berechnung aber mit Stillschweigen übergangen haben. Von den LKW-Fahrern könnte daher unter Zugrundelegung eines um zehn Wochen verkürzten Zeitraumes bei gleichbleibender Berechnungsart bloß ein um immerhin 1,5 Mio S geringerer Bargeldbetrag übernommen worden sein, sodass zu Recht die unzureichende Begründung der bekämpften Konstatierung moniert wird. In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den Freisprüchen C und D, demgemäß auch im Strafausspruch über Werner M*****, aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
Im Übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen. Der Angeklagte Werner M***** und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.