5Ob21/05g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine B*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagten Parteien 1.) Christian R*****, 2.) Markus R*****, 3.) Augustin R*****, 4.) Edeltrude R*****, wegen Aufhebung eines Übergabsvertrages, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 16. September 2004, GZ 1 R 125/04f 36, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 23. Oktober 2003, GZ 2 C 1276/03g 25, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision und die Stellungnahme zur Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 798,79 (darin EUR 133,13 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte die Aufhebung eines Übergabsvertrages auf den Todesfall wegen Verkürzung über die Hälfte und Wucher.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt EUR 4.000, , jedoch nicht EUR 20.000, - übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch Glücksverträge unter bestimmten Voraussetzungen wegen Verkürzung über die Hälfte angefochten werden könnten, jedoch eine Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist unzulässig.
Die Zurückweisung ihres Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter ZPO).
Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung ist die Geltendmachung der laesio enormis bei aleatorischen Verträgen dann nicht gemäß § 1268 ABGB ausgeschlossen, wenn das aleatorische Element gänzlich in den Hintergrund tritt. Ist schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gewiss, dass der Berechtigte zu jenem Zeitpunkt, der als mögliche Lebenserwartung der österreichischen Bevölkerung - wobei singuläre Ausnahmen unberücksichtigt zu bleiben haben - anzusehen ist, bei Berücksichtigung aller ihm in diesem Zeitraum zukommenden Leistungen weniger als die Hälfte des Wertes seiner eigenen Leistung erhalten haben wird, dann kann laesio enormis geltend gemacht werden (1 Ob 515/94 = SZ 67/99; 2 Ob 45/99b mit Darstellung der Judikaturentwicklung; 9 Ob 134/00x; RIS Justiz RS0018825, RS0018925). Unmaßgeblich ist hingegen die „durchschnittliche Lebenserwartung" (2 Ob 45/99b).
Im vorliegenden Fall war die Klägerin bei Vertragsabschluss ca 77 Jahre alt. Der Wert ihrer Leistung betrug EUR 90.000, , der Wert der vertraglichen Gegenleistung der Beklagten jährlich bis zu EUR 10.820, - (hingegen betrifft der Rahmen von EUR 1.080, - bis EUR 5.180, - den Wert der von den Beklagten tatsächlich erbrachten Leistungen bis zur Untersagung künftiger Hilfe durch die Klägerin; vgl AS 103). Der zweitgenannte Wert könnte also bereits nach vier bis fünf Jahren die Hälfte des erstgenannten erreichen. Eine solche Zeitspanne liegt aber offenkundig innerhalb der „möglichen" Lebenserwartung (im Sinne von 1 Ob 515/94 = SZ 67/99), ja sogar innerhalb der „durchschnittlichen ferneren" Lebenserwartung einer 77 jährigen Frau von ca 9 Jahren, wie sie sich aus der im Akt erliegenden Sterbetafel ergibt (ON 18). Der vom Berufungsgericht bejahte Ausschluss von laesio enormis stellt unter diesen Umständen im Ergebnis keine auffallende Fehlbeurteilung des Einzelfalles dar, die der Oberste Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrnehmen müsste.
Schließlich hält sich auch die vorinstanzliche Verneinung von Wucher im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach Wucher dann nicht vorliegt, wenn beide Vertragspartner ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung (hier nach Belehrung durch den Notar) bewusst in Kauf nehmen, wie dies üblicherweise bei bäuerlichen Übergabsverträgen zutrifft (RIS Justiz RS0016898). Es ist im Einzelfall durchaus vertretbar, wenn die Vorinstanzen hier keine Ausnützung einer Zwangslage angenommen haben.
Da es somit der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war die Revision - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen.
Auch die Stellungnahme der Klägerin zur Revisionsbeantwortung der Beklagten war zurückzuweisen, weil jeder Partei grundsätzlich nur ein Rechtsmittelschriftsatz zusteht (Kodek in Rechberger2 vor § 461 ZPO Rz 12 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.