Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer, in der Strafsache gegen Werner O***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 8 U 536/04h des Bezirksgerichtes Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Michael C***** gegen den Vorführungsbefehl des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 8. Juni 2004, (vormaliges) AZ 40 U 22/04g (S 3 b), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Michael C***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. Dem Bund wird der Ersatz der mit 700 EUR bestimmten Beschwerdekosten zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.
Gründe:
Michael C***** wurde am 11. März 2004 ordnungsgemäß (S 2) zur Vernehmung als Zeuge im Vorverfahren vor dem Bezirksgericht Innsbruck geladen (S 1). Da er zum vorgesehenen Einvernahmetermin (26. März 2004) nicht vor Gericht erschien, verfügte der Bezirksrichter am 30. März 2004 die neuerliche Ladung unter Androhung der Vorführung (S 2), deren Zustellung in den Akten nicht ausgewiesen ist. Nachdem Michael C***** auch den neuen Vernehmungstermin (16. April 2004) nicht wahrgenommen hatte, erging - ohne Überprüfung des Zustellvorgangs - am 4. Mai 2004 ein Vorführungsbefehl für den 2. Juni 2004 (S 3 a), der nicht vollzogen werden konnte (ON 3).
Mit der angefochtenen Entscheidung verfügte der Bezirksrichter die Vorführung des Michael C***** zur Einvernahme am 16. Juni 2004, um
8.30 Uhr, mit dem Auftrag, den Genannten am Vorabend an seiner Arbeitsstätte aufzugreifen und bis zum Vernehmungstermin festzuhalten (S 3 b), wobei der Akteninhalt keinen Anhaltspunkt für die Annahme bietet, der die Zwangsmaßnahme Anordnende sei hiebei vom Vorliegen eines dringenden Falles (§ 159 dritter Satz StPO) ausgegangen. Aufgrund dieses Vorführungsbefehls wurde Michael C***** am 16. Juni 2004 um 00.05 Uhr festgenommen, sodann im Polizeianhaltezentrum inhaftiert und um 8.20 Uhr dem Bezirksgericht Innsbruck vorgeführt (ON 5).
Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde des Michael C*****, die eine Verletzung der Bestimmungen des § 159 StPO einwendet, ist im Recht.
Da der Aktenlage zunächst keine Informationen über die Zustellung der die Vorführung androhenden Ladung zu entnehmen waren, ergingen zwei diesbezügliche Erhebungsersuchen des Obersten Gerichtshofes (ON 12, 15). Die hierauf durchgeführten Vernehmungen ergaben, dass Michael C***** in Abrede stellt, die Ladung erhalten zu haben (ON 14), und dass dies mangels Zustellnachweises sowie mangels gegenteiliger Angaben zweier informierter Vertreter der österreichischen Post AG (ON 13, 16) nicht zu widerlegen ist.
Nach der - gemäß §§ 447 zweiter Satz, 452 erster Satz StPO auch im Verfahren vor den Bezirksgerichten anzuwendenden - Norm des § 159 StPO ist die Vorführung eines Zeugen zur Vernehmung - soweit (wie hier) nicht in pflichtgemäßer Ermessungsübung ein dringender Fall anzunehmen ist - nur dann zulässig, wenn der Zeuge zwei Vorladungen nicht Folge geleistet hat und die bezeichnete Zwangsmaßnahme angedroht worden ist. Voraussetzung der Vorführung ist die (in nicht dringenden Fällen zweimalige) gehörige Vorladung (Fabrizy, StPO9 § 159 Rz 2), weil andernfalls die vom Gesetzgeber zum besonderen Schutz des verfassungsgesetzlich verankerten Rechts auf persönliche Freiheit errichteten Formalschranken unterlaufen würden.
Da fallbezogen mangels Nachweises der Zustellung der (die Zwangsfolge androhenden) Ladung eine Grundvoraussetzung der Erlassung des Vorführungsbefehls als nicht gegeben anzusehen ist, wurde der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.
Die Kostenersatzpflicht des Bundes gründet sich auf § 8 GRBG, die Bestimmung der Höhe der Beschwerdekosten auf § 9 GRBG iVm der Verordnung des BMJ BGBl II 2003/309.
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