1Ob254/04s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef F***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Manfrid Lirk und DDr. Karl Robert Hiebl, Rechtsanwälte in Braunau, wider die beklagte Partei Theresia F*****, vertreten durch Dr. Roland Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 11.000 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. Juli 2004, GZ 4 R 118/04g-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 12. März 2004, GZ 7 Cg 261/02x-8, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies das Klagebehren auf Entrichtung einer Stornogebühr von 11.000 EUR sA ab.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren - abgesehen von der aus dem Spruch iVm den Gründen erkennbaren Bestätigung der Abweisung eines Teils des Zinsenbegehrens - statt und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Mit Beschluss vom 29. 9. 2004 änderte es diesen Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil die Rechtsmittelwerberin "mit fundierten Argumenten dargetan" habe, "dass die entscheidende Rechtsfrage, ob zwischen den Parteien ein Vertrag zustande gekommen" sei, "auch anders gelöst werden" könne "als vom Berufungsgericht". Der Oberste Gerichtshof habe über einen gleichartigen Fall noch nicht entschieden. Die getroffenen Feststellungen trügen indes den rechtlichen Schluss, dass zwischen den Streitteilen bereits als Ergebnis der Gespräche am 14. 9. 2000 ein Werkvertrag über die Errichtung eines Wintergartens mit den "essentialia negotii" zustande gekommen sei. An diesen Verhandlungen habe auch der Geschäftsführer der klagenden Partei teilgenommen. Deshalb könne die Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch die klagende Partei nicht zweifelhaft sein. Diese habe überdies "freibleibend" offeriert. Unter dieser Voraussetzung sei der Anbieter nach Zugang einer Annahmeerklärung "sofort zur Antwort verpflichtet ..., widrigenfalls der Vertrag" zustande gekommen sei. Wäre daher der Geschäftsführer der klagenden Partei mit einzelnen Punkten der erzielten Einigung nicht einverstanden gewesen, so hätte er "sofort Widerspruch erheben müssen, um eine Genehmigung der Vereinbarung zu verhindern". Die Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei über die mangelnde Gültigkeit mündlicher Zusagen sei gegenüber der Beklagten als Verbraucherin gemäß § 10 Abs 3 KSchG wirkungslos. Der Umstand, dass die Beklagte den Begriff "Bankgarantie - abstrakt", wie sie behaupte, falsch verstanden habe, begründe keinen Dissens, sei doch der objektive Erklärungswert der inhaltlich übereinstimmenden Willenserklärungen maßgebend. Die Beklagte habe die erörterte Bestimmung auch in ihrem "späteren Änderungsschreiben" nicht durchgestrichen. Das erlaube nach § 863 ABGB den eindeutigen Schluss auf einen bereits am 14. 9. 2000 zum Ausdruck gebrachten rechtsgeschäftlichen Bindungswillen. Durch die von der Beklagten "im ursprünglichen Auftragsformular" eingetragenen, der klagenden Partei gefaxten Änderungen und Ergänzungen sei das Vertragsverhältnis insoweit abgeändert worden, als die klagende Partei diese Änderungsvorschläge nach dem Inhalt ihrer Auftragsbestätigung vom 18. 9. 2000 angenommen habe. Der Umstand, dass dort der Vordruck zu den Zahlungskonditionen nicht gestrichen worden sei, beruhe auf einem bloßen Versehen, hätten sich doch die von der klagenden Partei akzeptierten und in das Formular eingefügten Änderungen gerade auch auf die Zahlungskonditionen bezogen. Weil sich die Beklagte letztlich geweigert habe, die vereinbarte Bankgarantie beizustellen, habe die klagende Partei "berechtigt den Rücktritt vom Vertrag erklärt". Dadurch sei die vereinbarte Stornogebühr, die dem Ausgleich für den durch die Vertragsverletzung der Beklagten im Vermögen der klagenden Partei entstandenen Nachteil diene und deshalb als Vertragsstrafe zu qualifizieren sei, fällig geworden. Ein pauschalierter Schadenersatz in Höhe von 30 % der Auftragssumme sei nicht sittenwidrig. Er sei auch nicht von Amts wegen zu mäßigen, eine Mäßigung müsste vielmehr begehrt werden. Die Beklagte habe sich zwar auf das Mäßigungsrecht berufen, "jedoch nicht vorgebracht, auf welche Mäßigungskriterien sie sich" stütze. Daran ändere § 27a KSchG nichts, sei doch in dieser Norm "für sich allein noch keine Beweislastverschiebung zu Lasten des Unternehmers" zu sehen. Verletze der Unternehmer jedoch seine Pflicht nach § 27a KSchG, so werde "er spätestens im Prozess auf eine entsprechende Behauptung des Verbrauchers hin darzulegen haben, aus welchen Gründen er am vereinbarten Entgelt" dennoch festhalte.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
1. Leitlinien zur Revisionszulassung
1. 1. Eine Revision ist nicht schon dann zulässig, wenn Wertungen im Einzelfall innerhalb des Spielraums der durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geprägten Grundsätze allenfalls auch ein anderes Ergebnis zeitigen könnten. Andernfalls müsste der Oberste Gerichtshof in jedem Einzelfall die Sachentscheidung treffen. Deshalb wurde bereits wiederholt ausgesprochen, das Berufungsgericht dürfe, wenn eine bereits vorhandene Grundsatzjudikatur des Obersten Gerichtshofs einen Wertungsspielraum eröffne, seinen Ausspruch, die Revision sei unzulässig, nur dann nachträglich abändern, wenn es zur Überzeugung gelangt sei, dass ihm bei der Würdigung des Anlassfalls eine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen sei (1 Ob 102/00g = EvBl 2001/52; siehe ferner RIS-Justiz RS0114180). Der Oberste Gerichtshof sprach überdies bereits in zahlreichen Fällen aus, dass sich die nach dem Gesetz erforderliche Prüfung der Stichhältigkeit eines Abänderungsantrags gemäß § 508 Abs 1 ZPO nicht in einer Scheinbegründung erschöpfen dürfe und sich das Berufungsgericht bei seiner Prüfung mit den Antragsargumenten sachlich - wenngleich kurz - auseinandersetzen müsse, dürfe es doch einem solchen Antrag nur dann stattgeben, wenn es ihn als "stichhältig" beurteile. Es kann daher für die Abänderung eines Ausspruchs über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision nicht genügen, lediglich die Ansicht des Revisionswerbers über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage - etwa auch durch eine globale Bezeichnung dessen Ausführungen als "fundiert" - ins Treffen zu führen, ohne diese Ansicht vorher auch nur ansatzweise im Zuge einer Auseinandersetzung mit den Antragsargumenten in nachvollziehbarer Weise auf deren Stichhältigkeit geprüft zu haben. Andernfalls müsste schlichtweg jeder Abänderungsantrag nach § 508 Abs 1 ZPO erfolgreich sein (zuletzt so 1 Ob 185/03t mwN). Der Oberste Gerichtshof ist allerdings gemäß § 508a Abs 1 ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden, sodass er das Vorliegen einer präjudiziellen erheblichen Rechtsfrage ungeachtet dieses Ausspruchs zu prüfen hat. 1. 2. Das Berufungsgericht beschränkte seine Entscheidung über den Abänderungsantrag nach § 508 Abs 1 ZPO auf die Begründung, die Revisionswerberin bediene sich "fundierter Argumente", nach denen die Frage, ob zwischen den Streitteilen überhaupt ein Vertrag zustande gekommen sei, "auch anders gelöst werden" könnte. Dass allein diese Wendung als Begründung für die Stichhältigkeit eines Abänderungsantrags vor dem Hintergrund der Erwägungen unter 1. 1. nicht genügen kann, liegt auf der Hand. Die Revision wäre daher nur dann zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer krassen Fehlbeurteilung beruhte.
2. Erörterung der Revisionsgründe
2. 1. Der erkennende Senat befasste sich in der Entscheidung 1 Ob 268/03y (= JBl 2004, 643) ausführlich mit dem Recht des Bestellers auf Abbestellung eines Werks, dem daraus folgenden Entgeltanspruch des Unternehmers nach § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB, der Qualifikation einer "Stornogebühr" als Reugeld in Gestalt eines pauschalierten Entgeltanspruchs gemäß § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB, sowie mit den Voraussetzungen für dessen Mäßigung nach § 27a iVm § 7 KSchG. Die Revision befasst sich indes nur mit der Frage nach dem Zustandekommen eines Vertrags zwischen den Streitteilen. Es muss daher nicht beurteilt werden, ob die vom Berufungsgericht erläuterte Qualifikation der eingeklagten "Stornogebühr" als Konventionalstrafe infolge eines berechtigten Rücktritts des Unternehmers vom Vertrag zutrifft oder aus den getroffenen Feststellungen eine Abbestellung des Werks durch die Beklagte mit den aus der Entscheidung 1 Ob 268/03y ablesbaren Rechtsfolgen abzuleiten wäre. Die Frage nach einer allfälligen Mäßigung der geltend gemachten "Stornogebühr" wurde von der Beklagten gleichfalls nicht aufgeworfen. Es ist daher auch dieser Frage nicht weiter nachzugehen.
2. 2. Die Beklagte bemüht sich, ihre Ansicht plausibel zu machen, dass zwischen den Streitteilen nie eine rechtsgeschäftliche Einigung entsprechend den Klagebehauptungen zustande gekommen sei. Eine solche Lösung hält die Beklagte deshalb für zwingend, weil das "ursprüngliche Angebot der Klägerin vom 28. 8. 2000", das weitere "'Auftragsformular' vom 14. 9. 2000" und die "Auftragsbestätigung vom 18. 9. 2000" in für die Annahme eines vertraglichen Bindungswillens wesentlichen Punkten nicht übereinstimmten. Dem ist zu entgegnen, dass das "ursprüngliche Angebot der Klägerin vom 28. 8. 2000" für den Vertragsinhalt nicht maßgebend sein kann, wurden doch die auf jenem Angebot beruhenden Vertragsverhandlungen zwischen den Streitteilen nach dem 28. 8. 2000 fortgeführt und - nach der bekämpften Ansicht des Berufungsgerichts - erst am 14. 9. 2000 mit jenem Rechtsgeschäft finalisiert, das dem (auch) von der Beklagten unterfertigten schriftlichen Auftrag zu entnehmen ist. Der Oberste Gerichtshof vermag keinen Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass die Ansicht des Berufungsgerichts, die Streitteile hätten als Ergebnis der am 14. 9. 2000 beendeten Verhandlungen die in der Vertragsurkunde dokumentierte rechtsgeschäftliche Einigung erzielt, auf einer krassen Fehlbeurteilung der getroffenen Feststellungen beruhen könnte. Den Urteilen der Vorinstanzen haftet im Übrigen der gerügte Feststellungsmangel nicht an, ist doch der als Feststellung vermisste Umstand, dass "die 'Auftragsbestätigung' (Anm: vom 18. 9. 2000) nicht zur Gänze 'die Wünsche der Beklagten wiedergibt'", einfach dadurch zu erklären, dass die klagende Partei mit anderen Vertragsänderungen als den bestätigten nicht einverstanden war.
Im Übrigen releviert die Beklagte nur noch, die Auftragsbestätigung vom 18. 9. 2000 sei nicht an die Beklagte, sondern an jene Kommanditerwerbsgesellschaft (KEG) adressiert worden, die ihren Sitz im Haus der Beklagten hatte und deren Geschäftsführerin und Kommanditistin letztere war, sowie ferner, dass die Einfügung bestimmter Zahlungsbedingungen in das Formular der Auftragsbestätigung mit den dort bereits vorgedruckten Konditionen "Zahlbar innerhalb 8 Tagen netto ohne Abzug" nicht übereinstimme. Dazu führte bereits das Berufungsgericht aus, trotz der Adressierung der Auftragsbestätigung an die bezeichnete KEG sei "klar ersichtlich" gewesen, auf welchen "Geschäftsfall" sich diese bezogen habe, und beruhe die Unterlassung der Streichung der vorgedruckten Zahlungskonditionen auf einem Versehen, habe doch die klagende Partei das Formular durch die Einfügung anderer Zahlungsbedingungen ergänzt. Auch in diesen Erwägungen ist zumindest keine krasse Fehlbeurteilung zu erblicken.
Den Revisionsausführungen sind daher - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - keinerlei "fundierten Argumente" zu entnehmen, die dem Obersten Gerichtshof entweder die Fortentwicklung bestehender Leitlinien zu den Voraussetzungen einer rechtsgeschäftlichen Willenseinigung ermöglichten oder eine Korrektur des angefochtenen Urteils wegen Vorliegens einer gravierenden Fehlbeurteilung im Interesse der Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erzwängen.
Die Revision ist somit, wie zusammenzufassen ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, von deren Lösung die Entscheidung abhinge, zurückzuweisen. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof dabei auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 40 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die klagende Partei wies nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hin. Ihre Revisionsbeantwortung diente demnach nicht einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.