JudikaturOGH

4Ob276/04y – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Januar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei S***** GesmbH, *****, vertreten durch Ploil Krepp Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Roman S*****, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.142,90 EUR sA und 19.938,39 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 9.136,87 EUR sA und 17.976,23 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Oktober 2004, GZ 4 R 117/04m 85, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9. März 2004, GZ 21 Cg 99/99s (hiemit verbunden 21 Cg 176/99i) 76, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin begehrt Zahlung von 15.142,90 EUR sA. In ihrer zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Widerklage begehrt die Beklagte 19.938,39 EUR sA. Gegenstand des berufungsgerichtlichen Urteils war eine Klageforderung von 9.136,87 EUR (das darüber hinausstehende Mehrbegehren hat das Erstgericht rechtskräftig abgewiesen) und die mit Widerklage geltend gemachte Forderung, die das Erstgericht abgewiesen hatte. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die gegen seine Entscheidung erhobene "außerordentliche" Revision des Beklagten, worin er beantragt, der Oberste Gerichtshof möge die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung und Stattgebung der Widerklage im Betrag von 17.976,22 EUR abändern, hilfsweise aufheben, legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vor.

Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:

Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn - wie hier - der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht für zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nach § 508 Abs 1 ZPO einen nach § 508 Abs 2 ZPO befristeten Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Die Verbindung mehrerer Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen das gemeinsame Urteil keinen Einfluss; die Streitwerte sind auch dann nicht zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen oder wenn sie mit Klage und Widerklage geltend gemacht werden. Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision ist daher für jeden einzelnen der mit Klage und Widerklage geltend gemachten Anspruch gesondert zu prüfen (SZ 69/266; 3 Ob 273/97m; 3 Ob 139/04v; 10 Ob 309/00i; RIS Justiz RS0037173 und RS0037252).

Im vorliegenden Fall hat der Rechtsmittelwerber das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum er entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachtet. Der Revision fehlt jedoch die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht gestellt werde. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage war das Rechtsmittel jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen (§ 507b Abs 2 ZPO). Sollte das Erstgericht der Meinung sein, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen eines ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, wird es einen - mit Fristsetzung verbundenen - Verbesserungsauftrag zu erteilen haben (§ 84 Abs 3 ZPO iVm § 474 Abs 2 Satz 2 ZPO; ständige Rechtsprechung RIS Justiz RS0109623 und RS0109501; zuletzt 4 Ob 71/04a).

Die geschilderte Vorgangsweise ist auch dann einzuhalten, wenn die Revision wie hier - als "außerordentliche" Revision bezeichnet wird. Der Oberste Gerichtshof darf über diese nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz nach § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass eine ordentliche Revision doch zulässig sei (4 Ob 71/04a uva).

Aus diesen Erwägungen war der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.

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