12Os70/04 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klenk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann S***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Dezember 2003, GZ 034 Hv 158/03g-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Johann S***** wurde (richtig:) der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I.), (richtig:) der teils vollendeten, teils versuchten Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 (aF) und 15 StGB (II.) und der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs nach § 207 Abs 1 nF (III.) schuldig erkannt.
Demnach hat er "in Wien und in Altlichtenwarth
I. im Zeitraum 1. Oktober 1998 bis Mitte 2001 in wiederholten Angriffen mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er der am 28. Juli 1987 geborenen Sanja Sch***** einen Finger in die Scheide einführte;
II. nachgenannte unmündige Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht
1.) missbraucht und zwar in einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitraum von ca 1996 bis 30. September 1998 die am 28. Juli 1987 geborene Sanja Sch*****, dadurch, dass er - in wiederholten Angriffen - einen Finger in ihre Scheide einführte;
2.) zu missbrauchen versucht und zwar
a) in der Zeit von 1985 bis 1988 in wiederholten Angriffen die am 1. März 1977 geborene Claudia Sch***** dadurch, dass er sie aufforderte, einen Oralverkehr an ihm vorzunehmen;
b) im Jahr 1992 die am 14. Jänner 1981 geborene Cynthia A***** dadurch, dass er sie aufforderte einen Oralverkehr an ihm vorzunehmen und trachtete, mit einem Finger in ihre Scheide einzudringen;
III. außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen, und zwar
1.) in einem nicht feststellbaren Zeitraum von ca 1985 bis 1988 an der am 1. März 1977 geborenen Claudia Sch*****, indem er sie mit der Hand im Schambereich betastete;
2.) in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum von ca 1988 bis 1992 an der am 22. August 1978 geborenen Sabine Sc*****, indem er sie auf seinen Schoß setzte und ihr den Rücken streichelte, während er onanierte;
3.) im Jahr 1992 an der am 21. Jänner 1981 geborenen Cynthia A*****, indem er sie an der nackten Brust, am Bauch und am Schambereich streichelte;
4.) in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum von ca 1994 bis Mitte 2001 mehrmals wöchentlich an der am 28. Juli 1987 geborenen Sanja Sch*****, indem er sie im Brust- und Scheidenbereich betastete und küsste und einmal vor ihr onanierte."
Rechtliche Beurteilung
Der aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, lit b und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Schon die Tatsachenrüge (Z 5a) versagt.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen zu II./2./b. hat Cynthia A***** sehr wohl deponiert, dass sie der Angeklagte nicht bloß zur Berührung seines Penis mit Hand und Mund aufforderte, sondern von ihr verlangte, sie solle sein Glied in den Mund nehmen (S 25). Im Übrigen wird mit dem Beschwerdeeinwand keine entscheidungsrelevante Tatsache angesprochen, weil auch das vom Beschwerdeführer thematisierte Ansinnen tatbildlichen Versuch nach § 207 Abs 1 StGB begründet und der dazu ergangene Schuldspruch zudem durch die im Rechtsmittel ausgeklammerten Tathandlungen getragen wird, wonach der Angeklagte mit dem Finger in die Vagina des Opfers einzudringen trachtete. Auch die Zeugin Claudia Sch***** gab im Gegensatz zu den Beschwerdeausführungen zu II./2./a. an, dass der Angeklagte mehrfach den Versuch unternahm, mit seinem erigierten Penis in ihren Mund einzudringen und sie dies zumindest einmal durch Zusammenpressen der Lippen verhinderte (S 29, 59).
Die Zeugin Sabine Sc***** hinwieder gab dem Einwand zu II./2. zuwider dezidiert an, dass sie sich auf Aufforderung des Angeklagten auf dessen Schoß setzte und dieser die in ihrer Gegenwart begonnenen Selbstbefriedigungsaktivitäten fortsetzte (S 77, 183). Die Beschwerdeargumentation (sachlich Z 9 lit a), wonach "die 1977 geborene" Sabine Sc***** zum Zeitpunkt der im Jahr 1992 anzusetzenden Tathandlung bereits 15 Jahre alt gewesen sei, ist in zweifacher Hinsicht verfehlt, weil die Tat nach den Urteilsannahmen spätestens Ende 1991 ("ca zwischen 1988 und 1992" - US 11) verübt wurde und das Tatopfer am 22. August 1978 geboren wurde (S 11, 19, 181). Die darüber hinausgehenden Beschwerdedarlegungen erschöpfen sich, wie die polemische Kritik, wonach "der Schöffensenat in erster Linie bemüht war, die Situation zu kaschieren" oder Formulierungen, wie "die diesbezüglichen Zeugenaussagen reichen in keinster Weise aus, diese Feststellungen zu begründen", der Sache nach in einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Bekämpfung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung, ohne damit Bedenken gegen entscheidungsrelevante Tatsachenfeststellungen zu erwecken.
Soweit der Rechtsmittelwerber mit den vorbeschriebenen Argumenten pauschal widersprüchliche bzw aktenwidrige Begründung moniert (Z 5), verfehlt er mangels gebotener Konkretisierung vorgeblicher Begründungsdefizite die gesetzlichen Anfechtungskriterien einer Mängelrüge (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruchfaktum I. verfehlt die aus dem Gesetz erforderliche Ableitung, aus welchem Grund eine beischlafsgleichwertige Handlung nur dann dem Delikt des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB zu subsumieren sein soll, wenn der Täter dadurch beim Opfer oder bei sich selbst einen Orgasmus herbeizuführen versucht. Das weitere Vorbringen, demzufolge (sinngemäß) die Feststellungen zum vorbezeichneten Schuldspruch nicht für den Tatbestand des § 207 StGB ausreichen, diese rechtliche "Qualifikation" jedoch für den Fall, dass der Oberste Gerichtshof anderer Ansicht sein sollte, "jedenfalls iSd § 281 Abs 1 Z 10 StPO bekämpft werde", entbehrt sinnfällig argumentativen Substrats und ist demzufolge einer sachbezogenen Erledigung nicht zugänglich.
Zum bereits in der Tatsachenrüge inhaltsgleich vorgetragenen Einwand (Z 9 lit a), wonach Sabine Sc***** zum Zeitpunkt der im Schuldspruchfaktum III./2. bezeichneten Tat nicht mehr unmündig gewesen sei, genügt der Verweis auf bereits Gesagtes. Die die Verjährung der den Schuldspruchfakten II./2./a., b. sowie III./1., 2., und 3. zugrundeliegenden Taten reklamierende Rüge (Z 9 lit b) verfehlt gleichfalls die gesetzmäßige Ausführung, weil der Nichtigkeitswerber isoliert auf die Verjährungsfrist der darin abgeurteilten Taten abstellt und den Beginn des Tatzeitraumes beim Schuldspruch III./4. eigenständig von ca 1994 auf "nicht vor 1997" verlegt, ohne darzulegen, warum die mit der durchgehenden Verübung von Unzuchtshandlungen im Zeitraum von 1985 bis einschließlich 1992 in Gang gesetzten, ihrerseits verbundenen Verjährungsfristen durch die auf gleichartiger schädlicher Neigung beruhende Anschlussdelinquenz ab 1994 bis Mitte 2001 (Fakten I., II./2. und III./4.) trotz der Bestimmung des § 58 Abs 2 StGB nicht bis zum Ablauf der Verjährungsfristen für die zuletzt erwähnten Taten, deren Fristenlauf zufolge der Regelung des - entgegen der in der Äußerung gemäß § 35 StPO vertretenen Auffassung nach BGBl I 1998/153, Art V Abs 3 auch auf vor dem 1. Oktober 1998 begangene Taten, deren Strafbarkeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht erloschen war, anzuwendenden - § 58 Abs 3 Z 3 StGB erst mit Volljährigkeit der Sanja Sch***** am 28. Juli 2005 beginnt, verlängert wurden. Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus resultiert die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die beiderseitigen Berufungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.