1Ob269/04x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Prof. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bruno A*****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei G***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Hauser Milchrahm Stadlmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Leistung und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 30.036,34) infolge außerordentlicher Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2004, GZ 3 R 116/04i-28, in nichtöffentlicher Sitzung, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Beide außerordentlichen Revisionen werden mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Fragen der Verschuldensteilung (§ 1304 ABGB) sind stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig und damit regelmäßig nicht als erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zu qualifizieren, sofern dem Berufungsgericht keine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (vgl nur RIS-Justiz RS0087606, RS0042405). Ein solcher Ermessensfehler liegt bei der Annahme (annähernd) gleichwertigen Verschuldens bzw Mitverschuldens nicht vor.
Das Berufungsgericht hat der beklagten Partei vorgeworfen, sie habe die Absturzstelle, einen fünf Meter tiefen Schacht neben der Fluchtstiege, nicht durch ein den bautechnischen Normen und Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechendes Geländer abgesichert und nicht für eine ausreichende Beleuchtung des Fluchtwegs gesorgt. Dem Kläger wurde als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten angelastet, er habe sich ohne Notwendigkeit in den Gefahrenbereich begeben, was er durch Schließen der Fluchttüre von innen unter Verwendung eines Schraubenziehers hätte vermeiden können, und trotz für ihn erkennbar unzureichender Beleuchtung im Bereich der Fluchtstiege weder eine Taschenlampe verwendet noch die Stiegenhausbeleuchtung eingeschaltet. Die Ausführungen der Streitteile gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Gewichtung des jeweiligen (Mit )Verschuldens zeigen eine grobe Fehlbeurteilung nicht auf.
Die Auffassung der beklagten Partei, "geradezu vorbildhafte" Absicherungsmaßnahmen getroffen zu haben, ist unverständlich. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht die Entscheidung zu 6 Ob 253/99w als nicht vergleichbar bezeichnet, zumal es dort um die Frage der Absicherung eines bei Tageslicht nicht zu übersehenden 1,5 Meter tiefen Springbrunnens in einer Stiftsanlage ging. Die beklagte Partei übersieht auch, dass der Kläger die Fluchtstiege nur deshalb betrat, weil es die beklagte Partei unterlassen hatte, für eine Reparatur der schon seit einiger Zeit äußerst schwer gängigen Fluchttür zu sorgen. Zu Unrecht wirft der Kläger dem Berufungsgericht vor, dieses sei bei seiner rechtlichen Beurteilung von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts abgegangen bzw diese falsch interpretiert. Entgegen dessen Ausführungen ist die Annahme des Berufungsgerichts, es sei für ihn jedenfalls erkennbar gewesen, dass die Notbeleuchtung im Stiegenhaus für eine ausreichende Orientierung in der Dunkelheit nicht ausreichte, von den Verfahrensergebnissen durchaus gedeckt, ohne dass es entscheidend wäre, ob sich der Kläger bereits früher einmal bei Dunkelheit in diesem Bereich befunden hat. Spätestens bei Annäherung an die spätere Unfallstelle hätte er über die nicht ausreichenden Lichtverhältnisse nicht mehr im Zweifel sein können. Da er weder umkehrte, noch sich mit einer Taschenlampe ausrüstete oder die Hauptbeleuchtung im Stiegenhaus einschaltete, liegt zweifellos eine nicht unerhebliche Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheit vor. Auch wenn nicht geklärt werden konnte, wie es im Einzelnen zum Absturz des Klägers kam, besteht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich nicht genügend vorsichtig in den Bereich der (durch ein ausreichendes Geländer gesicherten) Fluchtstiege begeben, unbedenklich. Auch wenn er keine konkreten Erinnerungen an diesen schon vorher einmal von ihm betretenen Gebäudebereich gehabt haben sollte, hätte ihm doch jedenfalls die Gefahr eines Sturzes bei unvorsichtiger Fortbewegung im Dunkeln bewusst sein müssen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).