JudikaturOGH

15Os144/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Dezember 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Dezember 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pablik als Schriftführer in der Strafsache gegen Kevin K***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB über die von Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 22. September 2004, AZ 7 Bs 232/04 (ON 9 im Verfahren AZ 10 Hv 58/04h des Landesgerichtes Steyr), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, und des Verteidigers Mag. Rausch, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten Kevin K***** und seiner gesetzlichen Vertreter Dieter und Anna K*****, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren des Landesgerichtes Steyr zum AZ 10 Hv 58/04h verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 22. September 2004, AZ 7 Bs 232/04 (ON 9), § 90f Abs 2 und 3 StPO iVm § 90b StPO sowie § 38 Abs 1 JGG.

Der Beschluss wird im Ausspruch der Anordnung der Bewährungshilfe aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Strafantrag vom 15. Juni 2004 legte die Staatsanwalt Steyr dem am 6. Oktober 1986 geborenen (damals) Jugendlichen Kevin K***** das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB zur Last. Nachdem der Einzelrichter des Landesgerichtes Steyr in der Hauptverhandlung nach Vernehmung des Beschuldigten zur Überzeugung gelangt war, dass die durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens indizierten Tathandlungen nur als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zu qualifizieren wären, hörte er die öffentliche Anklägerin und den Beschuldigten sowie dessen gesetzliche Vertreter zur Möglichkeit einer diversionellen Erledigung. Seinem Vorschlag auf Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Ausmaß von drei mal sechs Stunden stimmten der Beschuldigte und dessen gesetzliche Vertreter zu, nicht aber die öffentliche Anklägerin, die eine Dauer von fünf mal sechs Stunden forderte. Hierauf setzte der Einzelrichter die Hauptverhandlung mit einer Beweisaufnahme fort, nach welcher er die vorläufige Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 90f StPO unter Bestimmung einer Probezeit vorschlug. Der Beschuldigte und seine gesetzlichen Vertreter erklärten sich damit einverstanden, während die öffentliche Anklägerin keine Erklärung abgab. Mit dem in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss vom 26. Juli 2004, GZ 10 Hv 58/04-6, stellte das Landesgericht Steyr das Strafverfahren gemäß § 90f Abs 1 StPO iVm § 90b StPO unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig ein.

Der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 22. September 2004, AZ 7 Bs 232/04 (GZ 10 Hv 58/04-9 des Landesgerichtes Steyr), teilweise Folge und ergänzte den angefochtenen Beschluss dahin, dass für die Dauer der mit zwei Jahren bestimmten Probezeit gemäß §§ 50, 52 StGB Bewährungshilfe angeordnet wird.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 90f Abs 2 erster Satz StPO ist der vorläufige Rücktritt von der Verfolgung - soweit dies möglich und zweckmäßig ist - (überdies) davon abhängig zu machen, dass sich der Verdächtige ausdrücklich bereit erklärt, während der Probezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen, die als Weisungen (§ 51 StGB) erteilt werden könnten, und sich durch eine Bewährungshelfer (§ 52 StGB) betreuen zu lassen. Nach Abs 3 zweiter Satz leg cit hat der Staatsanwalt dem Verdächtigen gegebenenfalls mitzuteilen, dass dieser vorläufige Rücktritt von der Verfolgung voraussetze, dass er sich ausdrücklich bereit erklärt, bestimmte Pflichten auf sich zu nehmen und sich von einem Bewährungshelfer betreuen zu lassen. Diese Vorschriften sind gemäß § 90b StPO vom Gericht sinngemäß anzuwenden (vgl Schroll, WK-StPO § 90f Rz 12).

Gemäß § 38 Abs 1 letzter Satz JGG soll im Fall eines Rücktritts von der Verfolgung oder einer Einstellung des Strafverfahrens nach dem IXa. Hauptstück der Strafprozessordnung 1975 dem gesetzlichen Vertreter des Verdächtigen Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben werden, bevor der Verdächtige bestimmte Verpflichtungen übernimmt (vgl aaO § 90a Rz 11).

Vorliegend hat der Beschuldigte sein Einverständnis, sich durch einen Bewährungshelfer betreuen zu lassen, nicht erklärt; er wurde vom Gericht hiezu auch nicht befragt. Ebenso wenig wurde den bis dahin am Verfahren beteiligten gesetzlichen Vertretern des zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch jugendlichen Beschuldigten Gelegenheit zur Stellungnahme geboten. Das Oberlandesgericht Linz hätte daher die Bewährungshilfe nicht anordnen dürfen.

Da die Möglichkeit einer Benachteiligung des Beschuldigten durch die Vorgangsweise des Oberlandesgerichtes Linz nicht ausgeschlossen werden kann, war die Anordnung der Bewährungshilfe aus dem ansonsten unberührt bleibenden Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz aufzuheben.

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