JudikaturOGH

6Ob266/04t – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wr. Neustadt zu FN ***** eingetragenen B***** Aktiengesellschaft mit dem Sitz in W*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. September 2004, GZ 4 R 223/04z-34, mit dem der Rekurs gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom 17. Juni 2004, GZ 1 Fr 3898/01b-31, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Spruch

1. Die Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluss bzw den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs konnte, soweit sich daraus ergibt, dass jeder die Möglichkeit hat, den Jahresabschluss und den Lagebericht der von ihr erfassten Gesellschaftsformen einzusehen, ohne ein schutzbedürftiges Recht oder Interesse belegen zu müssen, wirksam auf der Grundlage des Art 54 Abs 3 Buchstabe g des Vertrags, nach Änderung jetzt Art 44 Abs 2 Buchstabe g EG, erlassen werden.

2. Die Prüfung der ersten beiden Fragen in der Rechtssache C-435/02 sowie der zweiten und der dritten Frage in der Rechtssache C-103/03 am Maßstab der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der freien Berufsausübung und der Freiheit der Meinungsäußerung hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 90/605 beeinträchtigen könnte.

3. Die Prüfung der dritten Frage in der Rechtssache C-435/02 und der vierten Frage in der Prüfungssache C-103/03 am Maßstab des Grundsatzes der Gleichbehandlung hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 90/605 beeinträchtigen könnte. Mit diesem Beschluss des EuGH ist auch die Grundlage der Unterbrechung des beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften aufgrund einer Klage gemäß Art 288 Abs 2 EG anhängigen Verfahrens C-47/02 weggefallen, indem ebenfalls die Nichtigkeit der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien geltend gemacht wird. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass auf eine solche Klage § 90a GOG schon deshalb nicht anwendbar ist, weil sie nicht zu einer Vorabentscheidung des EuGH über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts führt. Selbst die analoge Heranziehung des § 190 Abs 1 ZPO würde kein Recht einer Partei auf Verfahrensunterbrechung begründen, dessen Missachtung angefochten werden könnte (6 Ob 209/02g ua).

Infolge der absoluten Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gegen die Ablehnung der beantragten Unterbrechung des Verfahrens zur Erzwingung der Offenlegung kann die Frage der Rekurslegitimation der Gesellschaft im Verfahren zur Verhängung von Zwangsstrafen gegen ihre Vorstandsmitglieder dahin gestellt bleiben.

Der jedenfalls unzulässige Revisionsrekurs war zurückzuweisen.

Text

Begründung:

Da die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft der Aufforderung des Erstgerichts zur Offenlegung des Jahresabschlusses zum 29. 2. 2000 nicht nachgekommen waren, verhängte dieses über die Vorstandsmitglieder die angedrohten weiteren Zwangsstrafen von je 1.453,46 EUR und forderte sie unter Androhung weiterer Zwangsstrafen von je 2.190 EUR neuerlich zur Offenlegung auf. Der Zwangstrafenbeschluss erwuchs nach Bestätigung durch das Rekursgericht und Zurückweisung des dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurses durch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. 3. 2004 (6 Ob 13/04m) in Rechtskraft. Die in diesem Rechtsmittelverfahren an das Rekursgericht und an den Obersten Gerichtshof gerichteten Unterbrechungsanträge der Gesellschaft und ihrer Vorstandsmitglieder blieben erfolglos. Der Offenlegungsverpflichtung wurde nach wie vor nicht entsprochen. Am 1. 6. 2004 beantragte die Gesellschaft neuerlich die Unterbrechung des anhängigen Verfahrens zur Erzwingung der Offenlegung, weil die Landgerichte Essen und Hagen Vorabentscheidungsersuchen betreffend die Gemeinschaftsrechtskonformität der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien eingebracht hätten und beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften eine Klage auf Schadenersatz (Art 288 Abs 1 EG [Art 235 EG]) gestrafter Geschäftsführer anhängig sei, in der ebenfalls die Nichtigkeit der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien geltend gemacht worden sei. Letzteres Verfahren sei wegen der genannten Vorabentscheidungsersuchen unterbrochen worden. Alle innerstaatlichen Verfahren zur Durchsetzung der Offenlegungspflichten seien daher gemäß § 90a GOG ebenfalls zu unterbrechen. Das Erstgericht wies den Unterbrechungsantrag ab.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Gesellschaft mangels deren Rekurslegitimation zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Rekurs sei aber auch inhaltlich unbegründet.

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist ungeachtet dieses Ausspruchs des Rekursgerichts jedenfalls unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Ein Beschluss, mit dem im Firmenbuchverfahren ein Unterbrechungsantrag abgewiesen oder zurückgewiesen wird, ist gemäß § 19 Abs 3 FBG unanfechtbar, wie dies gemäß § 192 Abs 1 ZPO grundsätzlich auch im Zivilprozess gilt (RIS-Justiz RS0106006), es sei denn, es wird eine im Gesetz zwingend vorgeschriebene Unterbrechung verweigert (6 Ob 306/00v). Die Verfahren über die Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Essen und des Landgerichts Hagen vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), derentwegen das Zwangsstrafenverfahren unterbrochen werden soll, sind beendet. Der EuGH hat in den verbundenen Rechtssachen C-435/00 und C-103/03 betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art 234 EG eingereicht vom Landgericht Essen und vom Landgericht Hagen mit Beschlüssen vom 25. 11. 2002 und 11. 2. 2003, in den Verfahren Axel Springer AG gegen Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co Essen KG (C-435/02), und Axel Springer AG gegen Hans-Jürgen Weske (C-103/03), mit Beschluss vom 23. 9. 2004 für Recht erkannt:

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