JudikaturOGH

6Ob257/04v – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wiener Neustadt zu FN ***** eingetragenen B***** Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in ***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. September 2004, GZ 4 R 192/04s-48, mit dem der Rekurs gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 23. Juni 2004, GZ 1 Fr 1807/99t-45, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Da die damaligen Geschäftsführer der Gesellschaft der Aufforderung des Erstgerichts zur Offenlegung des Jahresabschlusses zum 28. 2. 1998 nicht nachkamen, verhängte dieses über die genannten Geschäftsführer die angedrohten Zwangsstrafen von je 50.000 S und forderte sie unter Androhung weiterer Zwangsstrafen von je 50.000 S neuerlich zur Offenlegung auf. Das Rekursgericht bestätigte die Zwangsstrafenverhängung. Der Oberste Gerichtshof setzte die Zwangsstrafen mit Beschluss vom 29. November 2001 auf je 10.000 S herab (6 Ob 201/01d). Einem am 25. 10. 2002 von den genannten Geschäftsführern und der Gesellschaft eingebrachter Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens zur Erzwingung der Offenlegung wurde von den Vorinstanzen abgewiesen. Der Offenlegungsverpflichtung wurde nach wie vor nicht entsprochen.

Am 1. 6. 2004 beantragte (nur) die Gesellschaft neuerlich die Unterbrechung des anhängigen Verfahrens zur Erzwingung der Offenlegung, weil die Landgerichte Essen und Hagen Vorabentscheidungsersuchen betreffend die Gemeinschaftskonformität der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien eingebracht hätten und beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften eine Klage auf Schadenersatz (Art 288 Abs 2 EG) gestrafter Gesellschafter anhängig sei, in der ebenfalls die Nichtigkeit der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien geltend gemacht worden sei. Letzteres Verfahren sei wegen der genannten Vorabentscheidungsersuchen unterbrochen worden. Alle innerstaatlichen Verfahren zur Durchsetzung der Offenlegungspflichten seien daher gemäß § 90a GOG ebenfalls zu unterbrechen. Das Erstgericht wies den Unterbrechungsantrag ab.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Gesellschaft mangels Rekurslegitimation zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Rekurs sei auch inhaltlich unbegründet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist jedenfalls unzulässig. Ein Beschluss, mit dem im Firmenbuchverfahren ein Unterbrechungsantrag abgewiesen oder zurückgewiesen wird, ist gemäß § 19 Abs 3 FBG unanfechtbar, wie dies gemäß § 192 Abs 1 ZPO grundsätzlich auch im Zivilprozess gilt (RIS-Justiz RS0106006), es sei denn, es wird eine im Gesetz zwingend vorgeschriebene Unterbrechung verweigert (6 Ob 306/00v). Dies ist hier aber nicht der Fall. Soweit im Revisionsrekurs die Unterbrechungspflicht abermals mit der Anhängigkeit der Vorabentscheidungsersuchen der Landgerichte Essen und Hagen beim EuGH begründet wird, ist die Rechtsmittelwerberin darauf hinzuweisen, dass der EuGH über diese Vorabentscheidungsersuchen in den verbundenen Rechtssachen C-435/02 und C-103/03 mit Beschluss vom 23. September 2004 eine Entscheidung gefällt hat, aus der hervorgeht, dass er die in den §§ 277 ff HGB umgesetzten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien als gemeinschaftsrechtskonform ansieht. Dieser behauptete Unterbrechungsgrund ist mit der Entscheidung des EuGH jedenfalls weggefallen. Aber auch das beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften aufgrund einer Klage nach Art 288 Abs 2 EG anhängige Verfahren gestrafter Gesellschafter, in dem ebenfalls die Nichtigkeit der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien geltend gemacht wird und das wegen der - nun erledigten - Vorabentscheidungsersuchen unterbrochen wurde, begründet keine gesetzliche Verpflichtung zur Unterbrechung des Offenlegungsverfahrens. Auf eine solche Klage ist § 90a GOG schon deshalb nicht anwendbar, weil sie nicht zu einer Vorabentscheidung des EuGH über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts führt. Selbst die analoge Heranziehung des § 190 Abs 1 ZPO würde kein Recht einer Partei auf Verfahrensunterbrechung begründen, dessen Missachtung angefochten werden könnte (6 Ob 209/02g ua).

Infolge der absoluten Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gegen die Ablehnung der beantragten Unterbrechung des Verfahrens zur Erzwingung der Offenlegung kann die Frage der Rekurslegitimation der Gesellschaft im Verfahren zur Verhängung von Zwangsstrafen ebenso dahingestellt bleiben wie eine allfällige Befangenheit des rekursgerichtlichen Senats.

Rückverweise