JudikaturOGH

5Nc31/04k – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Komm. Rat. Dr. Heinz H*****, vertreten durch Kammerlander Piaty Müller-Mezin Schoeller, Rechtsanwälte in Graz, wider die Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei: 1. K***** Gesellschaft mbH Co KG, ***** 2. Markus R*****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber Partner, Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung (EUR 29.600), über den Delegierungsantrag der beklagten Parteien den Beschluss

gefasst:

Spruch

Zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird anstelle des Handelsgerichtes Wien das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Handelsgericht bestimmt.

Text

Begründung:

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, die Beklagten für schuldig zu erkennen, die Behauptung und/oder Verbreitung bestimmter unwahrer Äußerungen über seine Handlungen und Unterlassungen im Zusammenhang mit seiner Eigenschaft als Präsident des Aufsichtsrats der E***** zu unterlassen, diese Äußerungen gegenüber den Lesern der periodischen Druckschrift "*****" als unwahr zu widerrufen und diesen Widerruf in bestimmter Form zu veröffentlichen.

Die Klage wurde beim Handelsgericht Wien eingebracht und die Zuständigkeit auf § 51 Abs 1 Z 8 lit b JN im Zusammenhang mit § 83c Abs 1 JN gegründet. Die Erstbeklagte habe ihren Sitz in Wien. Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und beantragten dessen kostenpflichtige Klagsabweisung und beriefen sich auf die Wahrheit der inkriminierten Äußerungen. Soweit diese nicht reine Wertungen seien, würden die Beklagten den Wahrheitsbeweis erbringen. Von sieben beantragten Zeugen, die sämtliche in Graz oder Umgebung wohnhaft sind, ist nur einer, nämlich Dr. Johannes D*****, mit einer Wiener Adresse bezeichnet.

Die Beklagten beantragten gemäß § 31 JN eine Delegierung der Rechtssache an das Landes- als Handelsgericht Graz. Gegenstand der vom Antragsteller inkriminierten Passagen in verschiedenen Artikeln sei der viel zitierte sogenannte "E*****-Skandal" gewesen, der zu den viel beachteten und diskutierten Ereignissen der steirischen Politik gehört habe. Die darin involvierten Personen wohnten größtenteils in Graz bzw seien dort tätig. Auch der Kläger wie der Verfasser der bezeichneten Artikel hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Graz. Die prozesstaktische Überlegung des Klägers, mit einer Klage dem Ort auszuweichen, an dem seine vom Rechnungshof beanstandete Gestion in aller Munde gewesen sei, ändere nichts daran, dass hinsichtlich der Parteien, der Zeugen und der sonstigen Grundlage das gesamte Verfahren so eindeutig auf Graz fokussiert sei, dass eine Delegierung an das Landes- und Handelsgericht Graz aus Gründen der Prozessökonomie angezeigt sei.

Der Kläger widersprach der beantragten Delegierung. Gründe der Prozessökonomie sprächen keineswegs für die begehrte Zuständigkeitsänderung. Es bedürfe letztlich keiner Zeugeneinvernahme zu den von der beklagten Partei angeführten Beweisthemen. Mit Ausnahme der Parteieneinvernahme seien keine weiteren Beweismittel erforderlich. Außerdem habe die Erstbeklagte als juristische Person ihren Sitz in Wien. Beim Landesgericht für Strafsachen Wien werde (kraft ausschließlicher Zuständigkeit gemäß § 41 MedienG) ein auf §§ 6 ff MedienG gestütztes Parallelverfahren geführt. Entscheidend sei aber, dass angesichts der heftigen, seit eineinhalb Jahren dauernden öffentlichen Diskussion des Themas "E*****" kaum ein erwachsener Steirer in den letzten eineinhalb Jahren umhingekommen sei, sich irgendeine Meinung in der Sache zu bilden oder Sympathie oder Antipathie gegen einzelne der beteiligten Personen zu entwickeln. Selbst wenn man den mit der Causa befassten Richtern des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz eine Unvoreingenommenheit nicht abspreche, sei es im Sinne des öffentlichen Vertrauens in die Justiz und die Unparteilichkeit der Gerichte günstig, schon durch die Wahl des Prozessortes das Fehlen medialen Einflusses und medialer Vorprägungen auf den Verfahrensausgang nach außen hin wahrnehmbar zu machen. Das stelle einen wichtigen Grund dar, der bei der Entscheidung über den Delegierungsantrag Berücksichtigung finden müsse. Es solle vor allem bereits jeder Eindruck der Voreingenommenheit und Parteilichkeit angesichts der engmaschigen und wechselseitigen gesellschaftlichen und politischen Verflechtungen in der Steiermark vermieden werden.

Das Erstgericht trat in seiner Äußerung für eine Delegation an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz ein, weil mit der notwendigen Anreise aller Parteienvertreter sowie aller Zeugen und Parteien (mit Ausnahme eines einzigen Zeugen) bei Abhaltung von Tagsatzungen in Wien eine erheblich größerer Zeit-, Kosten- und Organisationsaufwand verbunden sei. Allein die Dauer der An- und Rückreise von jeweils drei bis vier Stunden und die voraussichtliche lange Dauer der Befragung der einzelnen Zeugen machten eine Zuweisung der Rechtssache an das Landesgericht Graz zweckmäßig. Die übrigen vom Kläger erhobenen Argumente seien nicht zielführend. Auf das Parallelverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen komme es nicht an. Eine Vernehmung der Erstbeklagten sei nicht beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu Fragen der Delegierung nach § 31 JN soll die Delegierung einer Rechtssache bloß die Ausnahme bilden. Kann die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien beantwortet werden und widerspricht eine der Parteien der Delegierung, so ist dieser Partei der Vorzug zu geben (RIS-Justiz RS0046455; RS0046471; RS0046324). Im vorliegenden Fall spricht aber die Zweckmäßigkeit eindeutig für die Durchführung des Verfahrens vor dem Gericht, an dem zwei Parteien und die weit überwiegende Anzahl der Zeugen ihren Wohnsitz haben. In diesem Zusammenhang ist auch der Kanzleisitz beider Parteienvertreter zu berücksichtigen, der ebenfalls an jenem Gericht liegt, an das delegiert werden soll. In einem solchen Fall ist zweifellos die Delegierung der Vernehmung von Zeugen im Rechtshilfeweg vorzuziehen, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer ist als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung (vgl 7 Nd 501/92; 6 Nd 511/98 ua). Wenn aber eine Vernehmung der Zeugen vor dem erkennenden Gericht beantragt wird, ist die Anreise, Abreise und die jeweils zu erwartende mehrstündige Verhandlungsdauer kaum an einem Tag zu bewerkstelligen. Das würde zu einer erheblichen Verteuerung und Verlängerung des Verfahrens führen.

Hingegen vermag der Einwand, das öffentliche Ansehen der Justiz und insbesondere das Vertrauen in die Unbefangenheit ihrer Organe könnte Schaden erleiden, wenn die Rechtssache in jenem Bundesland verhandelt und entschieden wurde, in dem die Landesgesellschaft E*****ihren Sitz hat, nicht zu überzeugen, hat doch die mediale Berichterstattung über die Vorgänge in der bezeichneten Landesgesellschaft in ganz Österreich Aufmerksamkeit erregt und stellt keineswegs eine nur oder überwiegend lokalpolitische Angelegenheit dar. Es wurde auch keinerlei sachliches Substrat dafür vorgetragen, warum in der öffentlichen Meinung im Bundesland Steiermark kein Vertrauen in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung in Angelegenheiten bestünde, die landespolitische Fragen mitberühren.

Damit lässt sich die Frage der Zweckmäßigkeit der begehrten Delegierung eindeutig zugunsten beider Parteien beantworten. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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