JudikaturOGH

1Ob256/04k – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Irene Z*****, vertreten durch Mag. Daniela Ehrlich, Rechtsanwältin in Wien, wegen 12.673,34 EUR sA und Räumung infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. August 2004, GZ 39 R 206/04i-42, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies "die Berufung bzw 'Nichtigkeitsbeschwerde' der Beklagten ... als zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung ungeeignet" zurück. Eine Rechtsmittelbelehrung sei dem der Beklagten am 23. 4. 2004 zugestellten Urteil zwar nicht angeschlossen gewesen, die Beklagte sei jedoch anlässlich eines Telefonats am 6. 5. 2004 "über mögliche Rechtsmittel, die jeweiligen Erfordernisse und Fristen belehrt" worden. Bei einem weiteren Telefonat am 18. 5. 2004 sei sie "neuerlich von der zuständigen Richterin dahingehend belehrt" worden, dass "die Berufungsfrist noch offen sei, für die Berufung aber Anwaltspflicht" bestehe. Dennoch habe die Beklagte in Kenntnis der Anwaltspflicht und daher rechtmissbräuchlich selbst eine Berufung "per Fax" eingebracht. Angesichts dessen habe es der Einleitung eines Verbesserungsverfahrens nicht bedurft.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss "ersatzlos" auf und sprach ferner aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs "im Hinblick auf den Einzelfallcharakter der Rechtssache" nicht zulässig sei. Es hielt fest, dass die gemäß § 447 ZPO gebotene "ausdrückliche Belehrung" über die Anwaltspflicht im Berufungsverfahren "erst anlässlich des Telefonats vom 18. 5. 2004 mit hinlänglicher Deutlichkeit" erfolgt sei. Das Erstgericht hätte daher "in Anbetracht der knappen zur Erhebung eines Rechtsmittels verbliebenen Zeit ... trotz Wissens der Beklagten über die Anwaltspflicht ein Verbesserungsverfahren" einleiten müssen. Ein solches sei nunmehr entbehrlich, weil bereits eine durch eine Rechtsanwältin verfasste Berufung namens der Beklagten eingebracht worden sei.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei erblickt eine dem Rekursgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit in dem Umstand, dass die Beklagte in Wahrheit bereits anlässlich des Telefonats mit der Erstrichterin am 6. 5. 2004 "ausführlich über die möglichen RM und die jeweiligen Erfordernisse und Fristen belehrt" wurde (AS 110). Weder aus dieser Wendung noch aus den von der Erstrichterin getroffenen Feststellungen ist indes - nach Ansicht des Rekursgerichts - eindeutig eine ausdrückliche Belehrung der Beklagten über die Anwaltspflicht im Berufungsverfahren vor dem 18. 5. 2004 zu entnehmen. Wann die Beklagte erstmals unmissverständlich über die Anwaltspflicht im Berufungsverfahren aufgeklärt wurde, war von den Vorinstanzen als Frage der - durch den Obersten Gerichtshof nicht nachprüfbaren - Beweiswürdigung zu klären. Infolgedessen steht in dritter Instanz unbekämpfbar fest, dass eine ausdrückliche Belehrung der Beklagten über die erörterte Anwaltspflicht bereits vor dem 18. 5. 2004 nicht erwiesen ist. Ausgehend davon behauptet auch die klagende Partei nicht, der Beklagten sei die Einbringung einer nicht anwaltlich gefertigten Berufung als Rechtsmissbrauch vorzuwerfen.

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