15Os120/04 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Finster als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard M***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, AZ 072 Hv 34/04b des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. August 2004, AZ 17 Bs 227/04, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Gerhard M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 700 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.
Text
Gründe:
Gegen Gerhard M***** wurde beim Landesgericht für Strafsachen Wien Voruntersuchung wegen des Verdachts des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB geführt. Über Strafantrag der Staatsanwaltschaft vom 24. Februar 2004 wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB wurde er nach Hauptverhandlungen am 21. April und 14. Juni 2004 schuldig erkannt, am 9. Jänner 2004 in Wien Lucia Maria P***** durch die Äußerung: "Ich werde dir einen Schlägertrupp schicken, ich kenne Leute, die freuen sich schon darauf, dass sie dich zusammenschlagen", um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht und hiedurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB begangen zu haben. Er wurde nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 5. Februar bis 14. Juni 2004 auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Unter einem wurde gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Oktober 2003, AZ 23 Hv 111/03i, gewährten bedingten Strafnachsicht (einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe) abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Das Urteil ist zufolge voller Berufung des Beschuldigten, über die noch nicht entschieden wurde, nicht in Rechtskraft erwachsen. Gerhard M***** befand sich im bezeichneten Strafverfahren seit 8. Februar 2004 - auch zum Zeitpunkt der bekämpften Entscheidung des Oberlandesgerichtes noch - aus den Haftgründen der Tatbegehungs- und Ausführungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b, c und d StPO in Untersuchungshaft. Am 3. September 2004 wurde er enthaftet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht - erneut (s Vorentscheidungen des Oberlandesgerichtes Wien vom 23. April 2004, AZ 17 Bs 112/04, und vom 10. August 2004, AZ 17 Bs 205/04) - der gegen den Fortsetzungsbeschluss der Untersuchungsrichterin vom 12. August 2004 gerichteten Beschwerde nicht Folge gegeben und die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Tatbegehungs- und Ausführungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b, c und d StPO angeordnet.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde, mit der - unter nahezu wortgleicher Wiederholung der Argumentation der Grundrechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. August 2004 - die Anwendung gelinderer Mittel sowie Unverhältnismäßigkeit der Haft reklamiert werden, erweist sich im Ergebnis als berechtigt. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 7. Oktober 2004 (AZ 15 Os 117/04) über die Grundrechtsbeschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. August 2004 dargelegt hat, war bereits zu diesem Zeitpunkt in der rechtsirrigen Beurteilung der für die Fortsetzung der Untersuchungshaft essentiellen Voraussetzung der Angemessenheit ihrer Dauer eine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit des Beschwerdeführers gelegen. An dieser Sachlage hat sich, mit Ausnahme der Anhaltung des Beschwerdeführers in Untersuchungshaft aus den genannten Gründen über einen (weiteren) Zeitraum von rund drei Wochen, nichts geändert, sodass (umsomehr) im gegenständlichen Fall ebenfalls aus den in 15 Os 117/04 angeführten Erwägungen von einer Grundrechtsverletzung auszugehen ist.
Das war, entgegen der Ansicht des Generalprokurators, festzustellen und der bekämpfte Beschluss zu kassieren.
Wegen zwischenzeitiger Enthaftung kann eine Verfügung nach § 7 Abs 2 GRBG entfallen. Die Kostenersatzpflicht des Bundes gründet sich auf § 8 GRBG.