4Ob196/04h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerda M*****, vertreten durch Mag. Barbara Bach-Kresbach, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Wolfgang M*****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 33.119,11 EUR und Feststellung (Streitwert 2.180,90 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. August 2004, GZ 16 R 121/04p-56, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Problematik der Beweislastverteilung für das "rechtmäßige Alternativverhalten" im Falle unterlassener Aufklärung über mögliche Behandlungsrisken ist der Oberste Gerichtshof in seinen neueren Entscheidungen unter Berufung auf die herrschende Lehre (Karollus und Koziol) der Lehrmeinung Dullingers (JBl 1998, 2 ff) nicht gefolgt
(vgl 4 Ob 335/98 = JBl 1999, 531 = RdM 1999/11 [zust Kletecka]; 6 Ob
126/98 = RdM 2000, 29; 3 Ob 314/97 = RdM 2000, 58) und hat schon
wiederholt ausgesprochen, dass dem Arzt die Behauptungs- und Beweislast dafür verbleibt, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Einwilligung zur beabsichtigten Heilbehandlung erteilt hätte (ecolex 2000, 874; RdM 2001, 184; RIS-Justiz RS0111528 [T1]). Stehen - wie im Anlassfall - Kausalität und Rechtswidrigkeit fest, oblag es daher nach diesen Grundsätzen - entgegen der Rechtsansicht des Beklagten - nicht der Klägerin, zu behaupten und zu beweisen, sie hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung der Operation nicht zugestimmt. Es wäre vielmehr am Beklagten gelegen, ein Vorbringen dahin zu erstatten, die Klägerin hätte - wäre sie über die Operationsrisiken hinreichend aufgeklärt worden - dem Eingriff dennoch zugestimmt, geht es doch darum, das Vorliegen eines die Rechtswidrigkeit des Eingriffes ausschließenden Rechtfertigungsgrundes zu behaupten und zu beweisen (ecolex 2000, 874 mwN).
2. Zu 2 Ob 82/97s = SZ 70/220 wurde von einem verstärkten Senat folgendes ausgesprochen: "Die Rechtsprechung hat dem Verletzten ein berechtigtes Interesse daran zugebilligt, vom Ersatzpflichtigen in die Lage versetzt zu werden, die medizinisch gebotene Heilbehandlung durchführen zu lassen. Dies bedeutet in Verbindung mit dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Geschädigte nicht verpflichtet ist, eigenes Kapital zur Schadensbehebung einzusetzen, dass er die Bevorschussung durch den Schädiger verlangen kann. Im Wesen dieses Vorschusses liegt es, dass er zweckgebunden, verrechenbar und bei Zweckverfehlung rückforderbar ist. Aus der Zweckgebundenheit des Vorschusses folgt weiters, dass er dem Verletzten nur dann gebührt, wenn dieser die ernstliche Absicht hat, sich behandeln zu lassen, woran allerdings im Regelfall kein Zweifel bestehen wird. Die Auffassung, die Kosten einer künftigen Heilbehandlung könnten nicht bloß vorschussweise, sondern schlechthin und unabhängig von der tatsächlichen Durchführung der Behandlung gefordert werden, kann somit nicht aufrecht erhalten werden, weil sich der Geschädigte sonst im Widerspruch zum Ausgleichsgedanken des Schadenersatzrechtes ungerechtfertigt bereichern könnte. Steht bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz fest, dass die Heilbehandlung unterbleibt, fehlt es - auch für eine abstrakte Schadensberechnung - an einem entsprechenden Vermögensschaden." Folgender Rechtssatz wurde vom verstärkten Senat formuliert: "Die Kosten einer künftigen Heilbehandlung können vom Geschädigten, der die Heilbehandlung ernstlich beabsichtigt, nur vorschussweise begehrt werden. Dem Verletzten gebührt daher kein Ersatz von Heilbehandlungskosten, wenn feststeht, dass die Heilbehandlung unterbleibt." (RIS-Justiz RS0030626 [T12]).
Im Anlassfall steht fest, dass sich die Klägerin bereit erklärt hat, eine notwendige und nützliche kosmetische Korrekturoperation durchführen zu lassen, deren Kosten sich auf 7.000 EUR belaufen. Wenn ihr die Vorinstanzen unter diesen Umständen daher den genannten Betrag als Kostenvorschuss zugesprochen haben, sind sie von der zuvor dargestellten Rechtsprechung nicht abgewichen. Der Befürchtung des Beklagten, die Klägerin könnte sich auf seine Kosten bereichern, falls die tatsächlichen Operationskosten geringer sein sollten als von den Tatsacheninstanzen angenommen, ist zu erwidern, dass ein Vorschuss schon seinem Wesen nach zweckgebunden, verrechenbar und bei Zweckverfehlung rückforderbar ist (SZ 70/220).
Die Revision ist mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.