JudikaturOGH

13Os103/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Oktober 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Oktober 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matschegg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manuel S***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Walter B***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 28. Mai 2004, GZ 35 Hv 63/04s-82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Walter B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch rechtskräftig gewordene Schuldsprüche der Angeklagten Manuel S***** und Bernd A***** enthaltenden Urteil wurde Walter B***** (zu A)1) des Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

Danach hat er am 2. Februar 2002 (in Lienz) sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Manuel S***** und Bernd A***** als Mittäter (§ 12 StGB) mehrfach öffentlich die Parole "Sieg Heil" schrie.

Die Geschworenen hatten die Hauptfrage 3 nach § 3g VerbotsG stimmeneinhellig bejaht und die Zusatzfrage 5 (nach Rechtsirrtum) sowie die Zusatzfrage 6 (nach Zurechnungsunfähigkeit) jeweils stimmeneinhellig verneint.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 6, nominell 11 (gemeint: 9) sowie 11 lit b des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche jedoch fehl geht.

Das Vorbringen aus Z 6 behauptet eine Verletzung des § 313 StPO dadurch, dass nicht feststellbar sei, von welchen konkreten Verfahrensergebnissen in der Hauptverhandlung die Geschworenen bei Beantwortung der Zusatzfrage 5 ausgegangen seien.

Solcherart richtet sich die Rüge jedoch nicht gegen die Fragestellung an die Geschworenen, sondern stellt deren Erwägungen in Frage. Der herangezogene Nichtigkeitsgrund entbehrt somit einer prozessordnungsgemäßen Darstellung.

Aus (inhaltlich) Z 9 wird eine Unvollständigkeit bzw Undeutlichkeit des Wahrspruches behauptet, weil aus ihm nicht nachvollziehbar sei, ob dem Angeklagten nur das Rufen des Wortes "Sieg" oder das Rufen des Wortes "Heil" vorgeworfen wird.

Der aus Z 9 erhobene Vorwurf einer Undeutlichkeit des Wahrspruchs, weil diesem nicht zu entnehmen sei, ob der Angeklagte "Sieg heil", nur "heil" oder nur "Sieg" gerufen habe, übergeht die weitere Feststellung, wonach der Beschwerdeführer "als Mittäter" gehandelt hat (weil es für eine Strafbarkeit als Mittäter genügt, auch bloß einen Teil der Ausführungshandlung selbst verwirklicht zu haben; vgl dazu Fabrizy in WK² § 12 Rz 26).

Aus Z 11 lit b macht die Beschwerde geltend, dass "keine ausreichenden Feststellungen" dahin gehend getroffen worden wären, ob nunmehr dem Angeklagten der Rechtsirrtum im Sinne des § 9 StGB zuzuerkennen wäre oder nicht.

Da dieses Vorbringen den unmissverständlichen Inhalt der Beantwortung der Zusatzfrage 5 missachtet ist sie nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Soweit die Beschwerde kritisiert, dass im Gegensatz zu § 289 (gemeint: § 281 Abs 1) Z 9 lit b StPO in der Formulierung des § 245 Abs 1 Z 11 lit b StPO nur ein Ausschluss der Verfolgung der Tat aus Gründen des Prozessrechtes geregelt sei, sodass insoweit das Verfahren vor den Geschworenengerichten dem Gleichheitsgebot des Art 7 B-VG widerspreche (insoweit wird auch angeregt, ein Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art 140 B-VG einzuleiten), richtet sich dieser Punkt in Wahrheit nicht gegen das auf dem Wahrspruch beruhende Urteil, sondern gegen ein Gesetz.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO), sodass über die Berufung das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden hat (§§ 285i, 344 StPO).

Der Anregung im Sinne des Art 140 B-VG war nicht näher zu treten. Zwar trifft es zu, dass Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe (allesamt Institutionen des materiellen Rechts) sowie andere als prozessuale Verfolgungshindernisse - anders als nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO - im geschworenengerichtlichen Verfahren nicht unmittelbar mit einem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund releviert werden können, doch sind solche Gründe und Hindernisse Gegenstände der unter der Sanktion des § 345 Abs 1 Z 6 StPO stehenden Fragestellung. Zur behauptenden Unanfechtbarkeit der diesbezüglichen Aussprüche ist auf § 345 Abs 1 Z 10a StPO hinzuweisen.

Im Übrigen verkennt die Beschwerde der Bedeutung des Gleichheitsgrundsatzes der Art 7 B-VG, 2 StGG. Dieser fordert nämlich, dass die Rechtsvorschriften gegen alle Staatsbürger gleich angewendet werden müssen (und verbietet somit Willkür), und dass an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen geknüpft werden, nicht jedoch, dass für verschiedene Sachverhalte gleiche Verfahrensvorschriften zu gelten haben (vgl Art 91 B-VG; VfSlg 13.455, 13.527). Ein Verstoß des (mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung des Beschwerdepunktes in diesem Verfahren auch gar nicht konkret anzuwendenden) § 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO gegen Art 7 B-VG bzw Art 2 StGG kann somit nicht gefunden werden.

Soweit von der Anregung auf Gesetzesüberprüfung und auch im Vorbringen aus Z 6 bemängelnde Überprüfbarkeit des Wahrspruches durch fehlende Begründung kritisiert wird, ist aus den von Philipp in WK-StPO2 § 324 Rz 2 genannten Gründen ebenfalls kein Grund zur Befassung des Verfassungsgerichtshofes ersichtlich. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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