JudikaturOGH

12Os103/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matschegg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hatidzhe M***** und Ahmet A***** wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Hatidzhe M***** sowie die sie betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. März 2004, GZ 024 Hv 175/03h-64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten Hatidzhe M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (ua) die Angeklagte Hatidzhe M***** des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 2 StGB (idF vor BGBl I 2004/15) (I) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Darnach hat sie

I. ab 4. November 2003 die Sevda Gencheva M***** mit dem Vorsatz, dass sie in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewerbsmäßige Unzucht treibe, durch Täuschung über dieses Vorhaben verleitet, sich nach Österreich zu begeben, indem sie ihr hier eine Tätigkeit als Kellnerin in Aussicht stellte;

II. am 14. November 2003 mit (dem in diesem Verfahren rechtskräftig mitverurteilten Mitangeklagten) Ahmet A***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken Sevda Gencheva M***** am Körper verletzt, indem Ahmet A***** die Genannte mit der Faust ins Gesicht schlug und gegen ihren Körper trat und Hatidzhe M***** ihr das Gesicht und den Hals zerkratzte, was Nasenbluten, eine Platzwunde an der Oberlippe und Kratzwunden im Gesicht und am Hals zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Angeklagten Hatidzhe M***** aus den Gründen der Z 4 und Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Zur Verfahrensrüge (Z 4) wegen der unterbliebenen Einvernahme der Zeugin Sevda Gencheva M***** ist die Beschwerdeführerin mangels entsprechender Antragstellung nicht legitimiert. Denn diese setzt einen vom Erstgericht nicht erledigten Antrag oder ein gegen den Antrag oder Widerspruch der Rechtsmittelwerberin gefälltes Zwischenerkenntnis voraus (Ratz in WK-StPO § 281 Rz 302, 317; 10 Os 110/83). Vorliegend hat jedoch das Schöffengericht diese in Bulgarien wohnhafte Zeugin ohnedies geladen (ON 34; S 327). Die Genannte lehnte es jedoch ab, zur Einvernahme durch das erkennende Gericht nach Österreich zu kommen (ON 60; S 351). Zwangsmaßnahmen durften gegen die aus dem Ausland geladene Zeugin nicht verhängt werden (Danek WK-StPO § 242 Rz 13). Weitere Anträge, etwa auf Einvernahme im Rechtshilfeweg in Bulgarien, wurden nicht gestellt (vgl S 351), sodass sich die Beschwerde als unbegründet erweist (zuletzt 12 Os 64/04).

Das Schöffengericht hat die Glaubwürdigkeit der die Angeklagte M***** belastenden Angaben des Tatopfers mit dem Hinweis darauf begründet, dass es „in einem fremden Land vollkommen aufgelöst" in die Wiener Stadthalle flüchtete und sich dort zuerst an den Portier und in der Folge an einen Polizeibeamten wendete, um Anzeige zu erstatten (US 9, 11, 13), sowie dass die Depositionen zur Körperverletzung durch das amtsärztliche Gutachten objektiviert sind und sich zum Teil mit der Verantwortung der Erstangeklagten decken (US 12). Dabei haben die Tatrichter auch die Tatsache berücksichtigt, dass die in Rede stehende Zeugin ursprünglich auch den Mitangeklagten A***** wegen des Verbrechens nach § 217 Abs 2 StGB belastete und dies später mit ihrer Verärgerung über seinen Faustschlag erklärte (US 10 iVm S 293). Die Mängelrüge (Z 5) erschöpft sich durch die eigenständige Bewertung von Verfahrensergebnissen in der Kritik an dieser logisch und empirisch einwandfreien Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung, ohne einen Begründungsmangel in der Bedeutung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten M***** und der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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