6Ob171/04x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Sarah S*****, in Obsorge der Mutter Margit S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Einräumung eines Besuchsrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 6. Mai 2004, GZ 15 R 79/04z-128, womit über den Rekurs des Kindes der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 2. Oktober 2003, GZ 2 P 45/01m-91, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Vorinstanzen haben dem Antrag des Vaters teilweise stattgegeben und ein eingeschränktes Besuchsrecht verfügt. Die Entscheidung erging nach Einholung eines Sachverständigengutachtens. Nach den Feststellungen hat der Vater das Kind in den letzten 10 Jahren nicht gesehen. Durch die Kontaktaufnahme sei zwar mit vorübergehenden Irritationen zu rechnen, Schäden für das Kind aber nicht zu erwarten. Zu den von der Mutter behaupteten Gefährdungen wurden Negativfeststellungen getroffen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Dagegen richtet sich das in zwei Schriftsätzen (ON 135 und 136) eingebrachte, als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandelnde Rechtsmittel des Kindes mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Besuchsrechtantrag des Vaters abgewiesen werde.
Rechtliche Beurteilung
I. In formeller Hinsicht ist vorauszuschicken:
Die Revisionsrekurswerberin hat beim Erstgericht zeitgleich (Datierung, Postaufgabe und Einlangen bei Gericht sind identisch) zwei Revisionsrekurse mit dem identischen Antrag in der Hauptsache eingebracht, dass der Besuchsrechtsantrag des Vaters abgewiesen werde. Im ersten Schriftsatz (ON 135) wird eingangs ein an das Rekursgericht gerichteter Antrag gemäß § 14a AußStrG auf Abänderung des Rechtsmittelzulässigkeitsausspruchs gestellt. Im zweiten Schriftsatz wird das Rechtsmittel ausdrücklich als außerordentlicher Revisionsrekurs bezeichnet. Die Revisionsrekursausführungen sind identisch. Das Erstgericht legt beide Rechtsmittel zur Entscheidung vor. Im Ergebnis ist vom Obersten Gerichtshof nur über ein einziges Rechtsmittel und zwar über einen außerordentlichen Revisionsrekurs des Kindes zu entscheiden:
Das Verfahren gemäß § 14a AußStrG ist nur für Entscheidungsgegenstände zulässig, die aus Geldansprüchen oder in Geld zu bewertenden Ansprüchen bestehen. Dies ist bei einer Besuchsrechtregelung nicht der Fall, sodass der Antrag auf Abänderung des Rechtsmittelzulässigkeitsausspruchs vom Rekursgericht mit der Aufforderung zurückzuweisen wäre, klarzustellen, ob der mit dem Antrag verbundene Revisionsrekurs als außerordentlicher Revisionsrekurs aufrecht erhalten wird. Ein solcher Verbesserungsauftrag wäre hier aber entbehrlich, weil durch die schon erfolgte gleichzeitige Einbringung des außerordentlichen Revisionsrekurses (ON 136) die Absicht der Revisionsrekurswerberin ohnehin feststeht. Ein Zwischenverfahren dahin, dass zuerst vom Rekursgericht über den Antrag gemäß § 14a AußStrG entschieden wird, bedeutete demnach einen überflüssigen, das Verfahren unnötig verzögernden Verfahrensaufwand. Der Grundsatz, dass jeder Partei nur ein Rechtsmittel zusteht, einer der beiden Revisionsrekurse also zurückzuweisen wäre, kommt hier nicht zum Tragen, weil im Ergebnis ohnehin davon auszugehen ist, dass nur ein einziges Rechtsmittel vorliegt. Dies ergibt sich nicht nur aus der Identität des Revisionsrekursantrages und der ausgeführten Rekursgründe in den beiden Schriftsätzen, sondern auch daraus, dass nicht feststellbar ist, welcher von beiden Schriftsätzen als beim Erstgericht zuerst eingelangt anzusehen ist, sodass zugunsten der Rekurswerberin ohnehin von keinem Verbrauch des Rechtsmittelrechts durch den unzulässigen Antrag nach § 14a AußStrG ausgegangen werden darf.
II. Der Revisionsrekurs ist allerdings mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig.
1. Die im § 182b Abs 1 AußStrG vor der Besuchsrechtsentscheidung vorgesehene persönliche Anhörung des zum Entscheidungszeitpunkt erster Instanz bereits 10jährigen Kindes ist zwingendes Recht und kann nur unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen unterbleiben. Die Anhörung ist nunmehr im Verfahrensrecht geregelt (früher im § 178b ABGB), gehört also zu den formellen Voraussetzungen (7 Ob 95/02z). Die Verletzung der Verfahrensvorschrift kann demnach nur einen Verfahrensmangel oder eine Nichtigkeit des Verfahrens auslösen. Das Rekursgericht hat aber die Rüge der Rekurswerberin behandelt und einen Verfahrensmangel erster Instanz aus dem Grund der mangelnden Anhörung des Kindes verneint. Dann kann aber der Verfahrensfehler nach ständiger Rechtsprechung auch im außerstreitigen Verfahren nicht mehr mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0007232).
2. Die Unterlassung einer Anhörung des Kindes wird auch nach materiellem Recht dahin angefochten, dass ohne Anhörung die Wünsche des Kindes vom Gericht gar nicht berücksichtigt werden könnten. Diesem Rekurseinwand ist entgegenzuhalten, dass die Wünsche des Kindes, auf die gemäß § 148 Abs 1 ABGB Bedacht zu nehmen ist, durchaus auch auf andere Weise als durch Befragung durch den Richter festgestellt werden können, etwa durch eine Befragung des Sachverständigen, wie dies im § 182b Abs 1 AußStrG beispielhaft angeführt wird. Es kommt also auf die Umstände an, warum eine persönliche Anhörung durch den Richter unterblieb. Die Auffassung des Rekursgerichtes das hier nach den getroffenen Feststellungen bei der Anhörung durch den Richter eine ernsthafte und unbeeinflusste Meinungsäußerung des Kindes nicht zu erwarten gewesen sei, ist keine im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittel aufgreifbare Fehlbeurteilung, hängt sie doch grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0097114).