2Ob121/03p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Oliver Felfernig, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Helmut Kientzl, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Unterfertigung einer Vollmacht (Streitwert EUR 10.000) über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2003, GZ 18 R 297/02h-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 17. September 2002, GZ 18 C 335/02i-11, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht vor. Die Streitteile haben mit Gesellschaftsvertrag vom 12. 5. 1998 die D***** GmbH (FN 1***** des Landesgerichtes Wiener Neustadt) gegründet. Zweck der Gründung war der Betrieb des Flughafens W***** als Haltergemeinschaft der Streitteile. Im Vertrag wurde die Unkündbarkeit und einseitige Unwiderruflichkeit vereinbart, doch waren die Vertragspartner zur Aufhebung des Vertrages bei Verletzung wesentlicher Vertragspunkte nach Nachfristsetzung berechtigt. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass die beklagte Partei dem (damaligen) Geschäftsführer der klagenden Partei eine näher umschriebene Vollmacht zur Vertretung gegenüber den Behörden erteilt. Ein Widerruf dieser Vollmacht durch die beklagte Partei sollte nur dann vorgenommen werden können, "wenn durch die Ausübung dieser Vollmacht in Bezug auf die Vereinbarung das in den Bevollmächtigten gesetzte Vertrauen grob enttäuscht wurde, insbesondere wenn die Vollmacht entgegen der genannten Vereinbarung zweckwidrig verwendet wird." Eine derartige Vollmacht wurde von der beklagten Partei auch erteilt.
In der Folge wurde der damalige Geschäftsführer mit Generalversammlungsbeschluss abberufen und ein anderer Geschäftsführer bestellt.
Strittig ist nunmehr die Frage, ob die beklagte Partei auf Grund des Gesellschaftsvertrages verpflichtet ist, dem neuen Geschäftsführer eine Vollmacht im gleichen Ausmaß zu erteilen.
Beide Vorinstanzen haben dem Klagebegehren auf Ausstellung einer näher umschriebenen Vollmacht der beklagten Partei an den nunmehrigen Geschäftsführer stattgegeben und eine Sittenwidrigkeit, die darin gelegen sein könnte, dass die beklagte Partei zur Ausstellung einer zeitlich unbefristeten Vollmacht verhalten werde, verneint. Das Berufungsgericht hat dazu - zusammengefasst - ausgeführt, die dem jeweiligen Geschäftsführer zu erteilende Vollmacht stehe in einem derart engen Zusammenhang mit der ebenfalls zeitlich nicht begrenzten, der Gründung der Gesellschaft zu Grunde liegenden Vereinbarung, deren Vertragszweck ohne das aufrechte Bestehen dieser Vollmacht nicht erreichbar wäre, weshalb ein Auseinanderfallen der Befristung der Gründungsvereinbarung und der Vollmacht der erkennbaren Parteiabsicht widerspreche. Da die Gründungsvereinbarung als Ganzes unkündbar sei und nur bei Vorliegen wichtiger Gründe aufgelöst werden könne, wäre es mit dem Vertragszweck unvereinbar, wenn für die auszustellende Vollacht anderes gelten würde. Die Verpflichtung der beklagten Partei zur Unterfertigung einer Vollmacht an den jeweiligen Geschäftsführer der klagenden Partei sei eine zur Erreichung des Vertragszweckes unabdingbare Regelung. Die in der mangelnden Befristung des gesamten Vertrages möglicherweise zu erblickende "Knebelung" der beklagten Partei hätte allenfalls als Sittenwidrigkeit geltend gemacht werden können, doch hätte dann die beklagte Partei den gesamten Vertrag entweder gelten lassen oder anfechten müssen; die beklagte Partei sei aber nicht berechtigt, einerseits an der Gründungsvereinbarung und der darin enthaltenen Unkündbarkeit festzuhalten, andererseits die Unterfertigung einer unkündbaren Vollmacht wegen deren fehlenden zeitlichen Befristung zu verweigern. Die beklagte Partei beabsichtige aber gar nicht, den gesamten Vertrag anzufechten.
Das Berufungsgericht erachtete die Frage als erheblich, ob die Sittenwidrigket des Verzichts auf Widerruf einer Vollmacht wegen fehlender zeitlicher Befristung auch dann geltend gemacht werden könne, wenn das zugrundeliegende, ebenfalls unbefristete und unkündbare Kausalgeschäft, dessen Zweck nur durch das Bestehen der Vollmacht erreicht werden könne, nicht angefochten werde.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776; RS0111817) stellt die Frage, ob ein bestimmter Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde. Hier haben die Vorinstanzen vorweg angenommen, die Ausstellung einer Vollmacht an den jeweiligen Geschäftsführer der klagenden Partei sei zur Erreichung des Geschäftszwecks unabdingbar und entspreche der Parteiabsicht. Diese Auslegung bedarf keiner höchstgerichtlichen Korrektur, zumal sie mit dem Wortlaut der Vereinbarung übereinstimmt. Die Vereinbarung wurde nämlich "auf Grund der unter einem unterfertigten Vollmacht, mit welcher der damalige Geschäftsführer der klagenden Partei gegenüber sämtlichen Behörden bevollmächtigt wurde" geschlossen.
Soweit die beklagte Partei dem entgegenhält, die Ausstellung der Vollmacht habe nur bezweckt, die Abwicklung und Verwaltung zu erleichtern, nicht aber auch zu ermöglichen, ist dem der von der Vorinstanzen festgestellte Wortlaut der Vereinbarung entgegenzuhalten. Im Übrigen liegt bei Auslegung eines Vertrages eine erhebliche Rechtsfrage auch dann nicht vor, wenn (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar ist (4 Ob 134/02p).
Das Berufungsgericht hat auch die Rechtsprechung zur Frage der allfälligen Sittenwidrigkeit einer zeitlich nicht befristeten Vollmacht zutreffend wiedergegeben (RIS-Justiz RS0019779; RS0014859) und im konkreten Fall Sittenwidrigkeit schon deshalb verneint, weil die Vollmacht für die Umsetzung des Zwecks der ebenfalls zeitlich unbegrenzten Gründungsvereinbarung unverzichtbar war und ist. Unter welchen Umständen aber die Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht als sittenwidrig anzusehen ist, kann nur nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl RS0042751), weshalb die vom Berufungsgericht vorgelegte Frage in dieser Allgemeinheit nicht beantwortet werden kann. Eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung liegt daher nicht vor. Da auch in der Revision sonst keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt werden, war sie als unzulässig zurückzuweisen.
Soweit die beklagte Partei neuerlich die Aktivlegitimation der klagenden Partei in Frage stellt, macht sie ebenfalls keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung geltend. Welche Rechte ein Vertragspartner aus einer mehrseitigen Vereinbarung erwirbt, lässt sich nur aus den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beantworten. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die klagende Partei sei aus dem Vertrag vom 12. 5. 1998 zur gerichtlichen Geltendmachung ihres Anspruchs berechtigt, bedarf ebenfalls keiner Korrektur. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO, weil die klagende Partei nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.