9ObA97/04m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anka B*****, Vertragsbedienstete, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde B*****, vertreten durch Gruböck Gruböck, Rechtsanwälte OEG in Baden, wegen Feststellung des Fortbestandes eines Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 2004, GZ 9 Ra 54/04h 24, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit ihrem Einwand, die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung entspreche einer Anfechtungsklage nach § 105 (bzw § 106) ArbVG, sodass die Zustimmung der Personalvertretung zur Kündigung der Klägerin das Recht nehme, die zivilrechtliche Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen, verkennt die Revisionswerberin den grundlegenden Unterschied zwischen der auf die rechtsgestaltende Aufhebung der (wirksamen) Kündigung gerichteten Anfechtung der Kündigung und der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung. Die Möglichkeit des Betriebsrats, durch Zustimmung zur Kündigung deren Anfechtung nach § 105 ArbVG unmöglich zu machen, bezieht sich nur auf das Anfechtungsrecht nach § 105 ArbVG, bei dem es sich um ein Belegschaftsrecht handelt (Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, ArbVG 285). Für das (Individual )Recht auf Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung ist die Zustimmung der Belegschaftsvertretung hingegen ohne jede Bedeutung. Auch die für die Anfechtung nach § 105 ArbVG vorgesehenen Fristen kommen daher auf die klageweise Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung nicht zur Anwendung, ebenso wenig die nun erstmals in der Revision ins Treffen geführten Fristen des § 1162d ABGB bzw des § 34 AngG. Einen von der behaupteten Anwendung des § 105 ArbVG losgelösten Einwand, die Klägerin habe gegen die "Aufgriffsobliegenheit" des unwirksam gekündigten Dienstnehmers (dazu näher RIS Justiz RS0028233) verstoßen, hat die Beklagte in erster Instanz nicht schlüssig erhoben.
Das Vorbringen der Beklagten über das die Kündigung rechtfertigende Verhalten der Beklagten erschöpft sich im Wesentlichen in der Behauptung "mehrerer Vorfälle, die zu zahlreichen Verwarnungen und Belehrungen der Klägerin geführt" hätten. Dass das Berufungsgericht die von ihm als überschießend bezeichneten Feststellungen als durch dieses Vorbringen nicht gedeckt erachtete, ist keineswegs unvertretbar. Die Rechtsauffassung der Beklagten, der Dienstgeber müsse im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung nur global behaupten, der Dienstnehmer habe Pflichtverletzungen begangen, müsse aber in seinem Prozessvorbringen diese Pflichtverletzungen nicht konkretisieren, ist unzutreffend. Zudem lässt die Revisionswerberin die Ausführungen der zweiten Instanz, dass sich die Beklagte auf die von diesen Feststellungen betroffenen (lang zurückliegenden) Vorfälle gar nicht mehr berufen könne, unwidersprochen.
Ob der zur Kündigung führende Vorfall den angezogenen Kündigungsgrund verwirklicht, ist eine Frage des Einzelfalls, die vom Berufungsgericht in vertretbarer Weise gelöst wurde und die daher die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigt. Dass das Berufungsgericht auch in diesem Zusammenhang (zu Recht) konkrete Behauptungen der Beklagten vermisst, macht seine Entscheidung nicht zu einer unzulässigen Überraschungsentscheidung.