JudikaturOGH

10Nc20/04d – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. August 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hoch und Dr. Schramm als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Barbara M*****, vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1103 Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Sozialrechtssache wird an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht überwiesen.

Text

Begründung:

Die nach ihren Angaben in der Klage und im Delegierungsantrag in Lienz wohnhafte Klägerin begehrt mit ihrer gegen den Bescheid der beklagten Partei vom 9. Februar 2004 gerichteten, beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebrachten Klage die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld. Zum Beweis ihres Vorbringens machte sie Parteienvernehmung und "Urkunden" geltend.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Klagebeantwortung, das Klagebegehren abzuweisen.

Nach Einlangen der Klagebeantwortung regte das Arbeits- und Sozialgericht Wien die Delegation nach § 31a JN an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht an. Es habe übersehen, dass es für die gegenständliche Rechtssache örtlich unzuständig sei. Zwar könne die örtliche Unzuständigkeit im derzeitigen Verfahrensstadium nicht mehr vom Gericht wahrgenommen werden. Im Hinblick darauf, dass eine Vernehmung der Klägerin im Rechtshilfewege untunlich erscheine und um der Klägerin und ihrem Vertreter die Anreise nach Wien zu ersparen, werde ersucht, dem Gericht bekannt zu geben, ob eine Delegation nach § 31a JN beantragt werde.

Die beklagte Partei äußerte sich dazu mit Schriftsatz vom 21. 5. 2004 dahin, der Anregung könne nicht entsprochen werden, weil es für die beklagte Partei für den relevanten Zeitraum nicht glaubhaft erscheine, dass sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin im Inland befinde bzw diese in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe. Mit Schriftsatz vom 26. 5. 2004 beantragte die Klägerin, die Rechtssache gemäß § 31 JN an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht zu überweisen. Der Klagevertreter habe bei Einbringung der Klage übersehen, dass das Arbeits- und Sozialgericht Wien für die gegenständliche Rechtssache örtlich unzuständig sei. Dieser Rechtsirrtum sei jedoch von der beklagten Partei veranlasst worden, weil der angefochtene Bescheid den unrichtigen Hinweis enthalten habe, dass die Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien einzubringen sei. Im Hinblick darauf so wie aus Gründen der Zweckmäßigkeit (und Untunlichkeit der Vernehmung der Klägerin im Rechtshilfeweg; Vermeidung der Anreise der Klägerin und ihres Vertreters nach Wien) erscheine es angebracht, die Rechtssache an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht zu delegieren. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien meint, sei die Zuständigkeit des ursprünglich angerufenen Gerichts nicht gegeben, fehle eine wesentliche Voraussetzung für eine Delegierung nach § 31 JN. Da die Klage beim örtlich unzuständigen Gericht eingebracht worden sei, liege grundsätzlich kein Fall für eine Delegation nach dieser Gesetzesstelle vor, auch wenn die örtliche Zuständigkeit in der Zwischenzeit geheilt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist begründet.

Voraussetzung der Delegierung gemäß § 31 JN ist unter anderem die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Entscheidung über einen Delegierungsantrag darf daher erst nach Klärung eines allfälligen Zuständigkeitsstreits erfolgen (Mayr in Rechberger, ZPO² § 31 JN Rz 2 mwN). Selbst wenn das angerufene Gericht nach den Klagsangaben örtlich unzuständig war (§ 7 Abs 1 ASGG), wurde diese Unzuständigkeit gemäß § 38 Abs 1 ASGG iVm § 104 Abs 3 JN, § 40 Abs 1 ASGG dadurch geheilt, dass die beklagte Partei in ihrer Klagebeantwortung zur Sache vorbrachte, ohne die Einrede des Fehlens der örtlichen Zuständigkeit zu erheben. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien ist daher in dieser Rechtssache zuständig.

Aus Gründen der Zweckmäßigkeit kann gemäß § 31 Abs 1 JN eine Rechtssache an ein anderes Gericht überwiesen werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zu jenem die offenbar engste Beziehung besteht und die Delegierung zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens, Erleichterung des Gerichtszuganges oder der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Verfahrens beitragen kann; das ist insbesondere dann zu erwarten, wenn beide Parteien oder zumindest eine von ihnen oder die überwiegende Zahl der Zeugen im Sprengel des begehrten Gerichtes wohnen (Fasching, Lehrbuch² Rz 209). Für die Zweckmäßigkeit einer Delegierung ist der Kanzleisitz des Parteienvertreters nach der Rechtsprechung grundsätzlich ohne Bedeutung (10 Nds 1/95; 10 Nds 1/96 ua).

Nach der Aktenlage - insbesondere im Hinblick auf die vorliegenden Meldebestätigungen - ist davon auszugehen, dass die Klägerin im Sprengel des begehrten Gerichts wohnt. Da nach dem derzeitigen Verfahrensstand Beweis nur durch Vernehmung der Klägerin als Partei und Urkunden aufzunehmen ist, ist eine Delegierung an das begehrte Gericht zweckmäßig, werden doch dadurch im Interesse beider Parteien der Zufahrtsweg der Klägerin verkürzt und damit die Zufahrtskosten gesenkt und die Gerichtstätigkeit durch die Vermeidung der Vernehmung der Klägerin im Rechtshilfeweg erleichtert.

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