JudikaturOGH

2Ob133/04d – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Stefan R*****, vertreten durch Greiter, Pegger, Kofler Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Zitta und Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Zahlung von EUR 50.870,98 sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei und die Rekurse beider Parteien gegen das Teilurteil bzw den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2003, GZ 2 R 210/03w-39, womit in Folge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 1. August 2003, GZ 12 Cg 21/01p-29 zum Teil bestätigt und zum Teil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Sämtliche Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei an Kosten den Betrag von EUR 749,88 binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger wurde als Schifahrer am 23. 12. 1998 bei einem Unfall auf einer Piste, deren Halter die beklagte Partei ist, schwer verletzt. Er begehrt von der beklagten Partei Schadenersatz wegen Verletzung der Pistensicherungspflicht.

Während das Erstgericht das Klagebegehren abwies, bejahte das Berufungsgericht eine Verletzung der Pistensicherungspflicht durch die beklagte Partei, lastete aber dem Kläger ein Mitverschulden von 2/3 an. Es bestätigte daher die Abweisung des Leistungs- und Feststellungsbegehrens im Ausmaß von 2/3. Im Übrigen hob es die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht. Die ordentliche Revision bzw den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage, inwieweit der Pistenhalter bei breiten und übersichtlichen Pisten zur Absicherung von Fangzäunen, die vor dem Absturz in den an den Pistenrand anschließenden Wald schützen sollten, verpflichtet sei, bzw inwieweit einem Schifahrer bei einer drohenden Kollision mit einem ungesicherten Holzpfosten eines Fangzaunes das Unterlassen eines möglichen Notsturzes vorwerfbar sei, nicht existiere. Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtet richtet sich die Revision der klagenden Partei, gegen den Aufhebungsbeschluss erhoben beide Teile Rekurse.

Rechtliche Beurteilung

Diese Rechtsmittel sind aber wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Zur Pistensicherungspflicht des Pistenhalters existiert bereits eine umfangreiche Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0023233; RS0023237; RS0023255; RS0023271; RS0023417; RS0023469; RS0023842), in deren Rahmen sich die Berufungsentscheidung durchaus bewegt. Sowohl die Frage, ob eine atypische Gefahr vorliegt, als auch jene, ob der Pistenhalter das Zumutbare unterlassen hat, erfüllen wegen ihrer Einzelfallbezogenheit nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (1 Ob 401/97w; 1 Ob 41/00m; 7 Ob 265/99t; 5 Ob 27/04p). Auch die Frage, welche Maßnahmen der Kläger hätte treffen können, um den Zusammenstoß mit der Pistenbegrenzung zu vermeiden, hängt ganz von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Es ist auch nicht zu beurteilen, ob der Kläger unbedingt einen Notsturz hätte machen müssen, um seiner Schadensminderungspflicht nachzukommen, er hätte auch durch Querstellen des verbleibenden Schis den Zusammenstoß mit dem Rundling der Pistenbegrenzung vermeiden können.

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen erfüllen sohin nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO. Aber auch in den Rechtsmitteln der Parteien werden keine derartigen Rechtsfragen dargetan. Die klagende Partei meint, auch mit dem Querstellen des Schis wäre das Risiko eines nicht kontrollierten Sturzes verbunden gewesen. Dies trifft aber nicht zu. Wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen dargelegt hat, hätte der Kläger innerhalb der ihm bis zur Kollision zur Verfügung stehenden relativ großen Zeitspanne einen Schwung zum Hang machen können. Dies wäre einem sehr guten Schifahrer - der Kläger bezeichnete sich selbst als solcher - möglich gewesen.

Die beklagte Partei wendet sich in ihrem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung. Dieser Ermessensfrage kommt aber grundsätzlich ebenfalls keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (Kodek in Rechberger², ZPO, § 502 Rz 3 mwN). Auch zu dem der beklagten Partei gemachten Schuldvorwurf (mangelnde Absicherung des Holzpfostens) besteht bereits Rechtsprechung (SZ 66/16 und 1 Ob 533/91).

Die im Rekurs der klagenden Partei vertretene Ansicht, es bedürfte keiner Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, weil nur eine solche Absicherung ausreichend sei, die die Verletzung des Klägers verhindert hätte, lässt unberücksichtigt, dass nicht jede Verletzung eines Schifahrers, die auf einen Zusammenstoß mit einer Pistenbegrenzung zurückzuführen ist, zwingend eine Verletzung der Pistensicherungspflicht bedeutet. Vielmehr ist der Umfang der Pistensicherungspflicht ex ante zu beurteilen und richtet sich nach dem Verhältnis zwischen Größe und Wahrscheinlichkeit der atypischen Gefahr sowie ihre Abwendbarkeit einerseits durch das Gesamtverhalten eines verantwortungsbewussten Pistenbenützers und anderseits durch den Pistenhalter mit den nach der Verkehrsanschauung adäquaten Mitteln (RIS-Justiz RS0023237). Wenn das Berufungsgericht daher dem Erstgericht aufgetragen hat, den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu prüfen, hat es sich ebenfalls im Rahmen der Rechtsprechung bewegt.

Es waren daher sämtliche Rechtsmittel zurückzuweisen. Da beide Parteien in ihren Gegenschriften jeweils auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen haben, trifft die klagende Partei die Verpflichtung, der beklagten Partei die mit EUR 1.813,68 (darin enthalten USt von EUR 302,28) bestimmten Kosten der Revisions- und Rekursbeantwortung zu ersetzen. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit EUR 1.063,80 (darin enthalten USt von EUR 177,30) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen. Daraus resultiert ein Kostenersatzanspruch der beklagten Partei in der Höhe EUR 749,88.

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