JudikaturOGH

4Ob95/04f – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Franz J*****, vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer und Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A***** GmbH, *****, 2. Dr. Reinhard J*****, beide vertreten durch Prof. Haslinger Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 29.069,13 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 7.267,28 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. März 2004, GZ 1 R 220/03h-35, mit dem infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 26. September 2003, GZ 5 Cg 192/01g-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.930,31 EUR (darin 321,72 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik in Wien; er untersucht und analysiert in seinem Labor Blut, Urin, Stuhl und betreibt auch die Bakteriologie. Die Erstbeklagte - deren Geschäftsführer der Zweitbeklagte ist - ist Pächterin eines Ambulatoriums zur Durchführung berufsbezogener diagnostischer Maßnahmen in L*****. Verpächter ist der Verein Arbeitsmedizinischer Dienst Linz, dem mit Bescheid der oberösterreichischen Landesregierung vom 18. 10. 1995 die Errichtungsbewilligung für die Verlegung des Ambulatoriums zur Durchführung berufsbezogener diagnostischer Maßnahmen nach Linz erteilt wurde. Mit Bescheid derselben Behörde vom 30. 5. 1996 wurde auch die Betriebsbewilligung unter der Auflage erteilt, dass der Aufgabenbereich des Ambulatoriums auf die Durchführung diagnostischer Maßnahmen (mit Ausnahme der Leistung von erster Hilfe) und das diagnostische Angebot auf die Durchführung berufsbezogener diagnostischer Maßnahmen beschränkt bleiben müsse (Beil./8). Der Pachtvertrag wurde mit Bescheid der OÖ Landesregierung vom 27. 3. 2000 gem § 9 oö KAG bewilligt.

Mit Schreiben vom 9. 8. 2001 bot die Erstbeklagte gegenüber Laborfachärzten, darunter auch dem Kläger, preisreduzierte Sondertarife für Laborärzte betreffend die Durchführung bestimmter Blut- und Harnanalysen an. Mit Hilfe der in diesem Schreiben angeführten Laboruntersuchungen können toxische Belastungen bei Gewerbe- und Industriearbeiten festgestellt und Diagnosen getroffen werden; die Belastung des Arbeitenden und damit eine eventuelle berufsbedingte Erkrankung kann so erkannt und verhindert werden. Es handelt sich dabei um rein präventivmedizinische Untersuchungen, wobei diese Untersuchungen selten oder überhaupt nicht außerhalb der Arbeitsmedizin benötigt werden. Die im Schreiben aufgelisteten Untersuchungen sind typische arbeitsmedizinische Leistungen, die grundsätzlich im Rahmen arbeitsmedizinischer Tätigkeit und Aufgabenstellung erbracht werden. Arbeitsmediziner untersuchen vor allem gesunde, arbeitende Menschen, um die Gefahr oder den Beginn einer durch Arbeitsstoffe ausgelösten Krankheit erkennen zu können. Der Kläger begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, "zu Zwecken des Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr es zu unterlassen, dass die Erstbeklagte Leistungen eines Facharztes für medizinische und chemische Labordiagnostik anbietet und/oder erbringt, ohne dafür über krankenanstaltenrechtliche Bewilligungen zu verfügen, insbesondere, dass sie Fachärzten für medizinische und chemische Labordiagnostik die Analyse von Urin und Blut anbietet oder in deren Auftrag durchführt, oder diese Leistungen im Rahmen ihrer Tätigkeit als arbeitsmedizinisches Zentrum anbietet und/oder erbringt." Der Kläger begehrt auch die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteils. Die von den Beklagten den Laborfachärzten angebotenen Untersuchungen von Urin und Blut seien nach den Bestimmungen des ÄrzteG und der Ärzteausbildungsordnung (ÄAO) ausschließlich den Fachärzten für medizinische und chemische Labordiagnostik vorbehalten. Die Beklagten seien zu diesen Leistungen fachlich nicht befähigt und verstießen bei ihrer Erbringung gegen Bestimmungen des ÄrzteG und gegen den ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich. Sie verfügten auch nicht über die erforderlichen krankenanstaltsrechtlichen Bewilligungen. Die Beklagten verschafften sich auf diese Weise einen sittenwidrigen Wettbewerbsvorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern. Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Die Erstbeklagte verfüge über sämtliche erforderlichen krankenanstaltenrechtlichen Bewilligungen. Alle im beanstandeten Schreiben beworbenen Leistungen seien berufsbezogene diagnostische Maßnahmen, die aufgrund der Betriebsbewilligung zulässigerweise in der von der Erstbeklagten gepachteten Krankenanstalt erbracht werden dürften. Als Krankenanstalt unterliege die Erstbeklagte nicht den Bestimmungen des ÄrzteG. Die Erstbeklagte besitze auch die Berechtigung zur Führung eines arbeitsmedizinischen Zentrums (§ 80 ASchG). Jedenfalls sei bei den vorliegenden Bewilligungen die Rechtsauffassung der Beklagten vertretbar. Sämtliche bei der Erstbeklagten beschäftigten Ärzte seien sowohl Arbeitsmediziner als auch Ärzte für Allgemeinmedizin, sodass sie berufsrechtlich befugt seien, Analysen von Blut und Urin ohne Beschränkung in vollem Umfang für jedermann durchzuführen.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten, "es zu Zwecken des Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, dass die Erstbeklagte Leistungen eines Facharztes für medizinische und chemische Labordiagnostik außerhalb ihrer Tätigkeiten als ArbeitsmedizinerInnen (Arbeitsmedizinisches Zentrum) im Sinne des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes anbietet und/oder erbringt, insbesondere, dass sie Fachärzten für medizinische und chemische Labordiagnostik die Analyse von Urin und Blut anbietet oder in deren Auftrag durchführt;" das Unterlassungsmehrbegehren wies es ab. Es gab dem Veröffentlichungsbegehren hinsichtlich der "Ärztezeitung", nicht jedoch der "Kronen Zeitung", Folge. Die Erstbeklagte verfüge hinsichtlich ihres gepachteten Ambulatoriums sowohl über eine Errichtungs- als auch über eine Betriebsbewilligung nach dem oö KAG. Darüber hinaus erfülle sie die Voraussetzungen für den Betrieb ihres arbeitsmedizinischen Zentrums nach § 80 ASchG und der AMZ-VO. Gemäß § 31 Abs 3 ÄrzteG hätten Fachärzte ihre ärztliche Berufstätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken; dies gelte nicht für Tätigkeiten als Arbeitsmediziner im Sinn des ASchG. Der Berechtigungsumfang der jeweiligen ärztlichen Tätigkeit richte sich nach den Ausbildungsvorschriften, hinsichtlich der fachärztlichen Tätigkeit nach dem entsprechenden Fächerkatalog der ÄAO. Daraus ergebe sich, dass die Ausbildung von Allgemeinmedizinern im Fach Innere Medizin die "Basismedizin" und hier ein "Basislabor" zu umfassen habe. Da nicht behauptet worden sei, dass die angebotenen Laboranalysen über ein "Basislabor" nicht hinausgingen, und da aus der Anlage 3 der ÄAO nicht hervorgehe, dass Inhalt und Umfang des Sonderfachs "Arbeits- und Betriebsmedizin" auch die Analyse von Körpersäften, wie Blut und Urin, umfasse, sei die Erstbeklagte fachüberschreitend tätig geworden, indem sie Leistungen angeboten habe, die den Fachärzten für medizinische und chemische Labordiagnostik vorbehalten seien. Zwar sei die Erstbeklagte gemäß § 31 Abs 3 Z 1 ÄrzteG zu einer derartigen Fachüberschreitung insoweit berechtigt, als sie Tätigkeiten als Arbeitsmediziner im Sinne des ASchG durchführe; aus § 81 ASchG ergebe sich jedoch, dass die Arbeitsmediziner diese Tätigkeiten gegenüber den sie beauftragenden Arbeitgebern, deren Arbeitnehmern, den Sicherheitsvertrauenspersonen und den Belegschaftsorganen erbrächten. Bei Fachärzten für medizinische und chemische Labordiagnostik handle es sich nicht um Klienten nach dem ArbeitnehmerInnenschutzG, sodass sich die Beklagten nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 31 Abs 3 Z 1 ÄrzteG berufen könnten. Damit verstießen die Beklagten gegen § 1

UWG.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den Befugnissen eines arbeitsmedizinischen Zentrums und zum Verhältnis der Tätigkeit eines arbeitsmedizinischen Zentrums zu einem als Krankenanstalt bewilligten Ambulatorium zur Durchführung berufsbezogener diagnostischer Maßnahmen zulässig sei. Die Erstbeklagte betreibe ein selbständiges Ambulatorium zur Durchführung berufsbezogener diagnostischer Maßnahmen, das iSd § 2 Z 7 oö KAG als Krankenanstalt eingerichtet und bewilligt sei. Unterstelle man nicht die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide der oö Landesregierung, bedeute dies die Berechtigung der Erstbeklagten, über ihre Aufgaben als arbeitsmedizinisches Zentrum hinaus weitere Tätigkeiten im Rahmen der krankenanstaltenrechtlichen Bewilligungen auszuüben. Die dem Kläger angebotenen Untersuchungen, die rein präventivmedizinischer Natur seien und selten oder überhaupt nicht außerhalb der Arbeitsmedizin benötigt würden, daher typische arbeitsmedizinische Leistungen seien, fielen jedenfalls unter den Bewilligungsumfang "Durchführung berufsbezogener diagnostischer Maßnahmen". Die krankenanstaltenrechtliche Befugnis sei von der bloßen Tätigkeit als arbeitsmedizinisches Zentrum zu unterscheiden. Die Bestimmungen des ÄrzteG, insbesondere § 31 Abs 3 ÄrzteG, könnten eine Bewilligung nach dem oö KAG grundsätzlich nicht einschränken. Selbst wenn man von einer Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide ausgehen wollte, änderte dies nichts am mangelnden vorwerfbaren Wettbewerbsverstoß. Den Beklagten, die sich auf die aufrechten Bewilligungsbescheide stützten und ihre Tätigkeit im Rahmen der Bewilligung ausübten, die keine Einschränkung in Bezug auf mögliche Auftraggeber vorsehe, könne kein Vorwurf nach § 1 UWG gemacht werden, zumal auch die Österreichische Ärztekammer offenbar die Auffassung vertrete, Allgemeinmediziner - wie sie auch bei der Erstbeklagten beschäftigt seien - dürften unbeschränkt und für jedermann Blut und Urin chemisch analysieren, und Arbeitsmediziner oder Fachärzte für Arbeits- und Betriebsmedizin seien berufsrechtlich befugt, Analysen von Blut und Urin dann durchzuführen, wenn und soweit dies im Zuge arbeitsmedizinischer Untersuchungen erfolge, und dürften, wenn sie gleichzeitig Ärzte für Allgemeinmedizin seien, derartige Analysen ohne Beschränkung in vollem Umfang und für jedermann durchführen. Dazu komme, dass aus den Bestimmungen des ASchG und der AMZ-VO nicht zwingend abgeleitet werden könne, dass arbeitsmedizinische Untersuchungen oder Analysen nicht für andere Personen als nach dem ASchG durchgeführt werden dürften. Bei den von den Beklagten angebotenen Leistungen handle es sich um typische arbeitsmedizinische Tätigkeiten, die praktisch kaum außerhalb der Arbeitsmedizin benötigt würden, weshalb sie letztlich wiederum auf arbeitsmedizinische Untersuchungen durch Arbeits- oder Allgemeinmediziner zurückgingen, die Blut- und Urinanalysen beauftragten oder Patienten zuwiesen. Wenn ein in diesem Sinn tätiger Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik nicht die erforderlichen Geräte oder Einrichtungen besitze, sei ein entsprechender Auftrag an die Erstbeklagte denkbar und ändere nichts am Umstand, dass letztlich nur arbeitsmedizinische Tätigkeiten durchgeführt würden. Auf das konkrete Auftragsverhältnis könne es dagegen nicht ankommen. Nicht gefolgt werden könne den Beklagten aber darin, dass sie - auf Grund ihrer Beschäftigung von Ärzten für Allgemeinmedizin - berufsrechtlich die unbeschränkte chemische Analyse von Blut und Urin durchführen dürften, beschränke sich doch einerseits die krankenanstaltenrechtliche Bewilligung auf die Durchführung von berufsbezogenen diagnostischen Maßnahmen, und dürfe andererseits ein arbeitsmedizinisches Zentrum nach § 80 ASchG grundsätzlich nur arbeitsmedizinische Untersuchungen durchführen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht zulässig; entgegen dem - den OGH nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes hängt die Entscheidung nämlich nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

Bei der Prüfung, ob mit einer Gesetzesverletzung sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt wird, kommt es vor allem darauf an, ob die Auffassung des Beklagten über die Auslegung der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann (stRsp ÖBl 1994, 213 - Haushaltsübliche Reinigungsarbeiten mwN; ÖBl 1996, 124 - Sekundärtransporte; MR 1997, 113 = ÖBl 1998, 9 - SN-Presseförderung; ÖBl 2000, 64 - Viagra uva).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wendet diese Rechtsprechung zutreffend auf den Einzelfall an. Die Gesetzesauslegung der Erstbeklagten, sie sei auf Grund der Rechtslage ohne Einschränkungen befugt, in dem von ihr gepachteten Ambulatorium im Auftrag (beliebiger) Dritter - insbesondere auch solcher, die nicht Arbeitgeber sind - sämtliche Tätigkeiten medizinischer und chemischer Labordiagnostik durchzuführen, sofern diese nur ihrer Art nach als typisch arbeitsmedizinische Leistungen einzustufen seien, widerspricht weder einem Gesetzeswortlaut, noch dem Sinngehalt des Bewilligungsbescheids, der auf einer Tätigkeit des Ambulatoriuminhabers als Betreiber eines arbeitsmedizinischen Zentrums aufbaut. Handeln die Beklagten demnach im Rahmen einer vertretbaren Rechtsansicht, liegen die Voraussetzungen für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht vor. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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