10ObS31/04p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Höhrhan Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ratko S*****, ohne Beschäftigung, BiH *****, Bosnien, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Dezember 2003, GZ 8 Rs 111/03k 19, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger, der als gelernter Maurer von den Vorinstanzen im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auf den Beruf eines Fachmarktberaters/Fachmarktverkäufers verwiesen wurde, macht zur Zulässigkeit seines außerordentlichen Rechtsmittels geltend, es fehle eine Rechtsprechung zur Frage, ob eine solche Verweisung auch unter dem Aspekt zulässig sei, dass der Versicherte bei Ausübung dieser Verweisungstätigkeit typischer Weise eine bis zu 50 %ige Lohneinbuße hinzunehmen habe.
Die Revision zieht zu Recht nicht in Zweifel, dass der in § 255 Abs 3 ASVG ausdrücklich vorgeschriebene Maßstab der Lohnhälfte nach der ständigen Rechtsprechung auch nach der für den Kläger maßgebenden Bestimmung des § 255 Abs 1 ASVG anzuwenden ist (SSV NF 9/46 ua; RIS Justiz RS0084408). Als invalid gilt danach nur der Versicherte, der infolge seines körperlichen und geistigen Zustandes in seiner Erwerbsfähigkeit auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Vergleich ist dabei nicht zwischen dem vom Versicherten im bisherigen Beruf tatsächlich erzielten Einkommen und dem Einkommen im zumutbaren Verweisungsberuf anzustellen, es kommt vielmehr darauf an, ob der Versicherte wegen seiner Leidenszustände im Vergleich zu geistig und körperlich Gesunden von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten weniger als die Lohnhälfte erzielen kann. "Gesund" iSd § 255 Abs 1 ASVG ist ein Versicherter, der zumindest noch über die Arbeitskraft verfügt, die erforderlich ist, um die jeweils in Betracht kommenden Berufe auszuüben. Ist ein Versicherter - wie dies beim Kläger feststeht - aber in der Lage, eine Verweisungstätigkeit ohne jede Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art auszuüben, so ist davon auszugehen, dass er in der Lage ist, ein Einkommen in der Höhe des kollektivvertraglichen Lohnes zu erzielen, sodass sich die Frage der Lohnhälfte nicht stellt (SSV NF 9/46; 3/157 ua; RIS Justiz RS0084408). Es ist daher entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nach ständiger Rechtsprechung bei der Frage der sogenannten "Lohnhälfte" nicht auf die Höhe eines allfälligen konkreten Einkommensverlustes des Versicherten sondern auf den Vergleich zwischen dem zu erwartenden Lohn und dem Durchschnittseinkommen gesunder Arbeitnehmer im Verweisungsberuf abzustellen.
Die Entscheidung der Vorinstanzen steht auch im Einklang mit dem ebenfalls in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz, wonach der Anspruch auf Weitergewährung der Invaliditätspension davon abhängt, ob der Versicherte nach Ablauf der Frist, für die sie zuerkannt wurde, (noch, erstmals oder wieder) als invalid iSd § 255 ASVG gilt (SSV NF 10/46; 6/17 mwN; RIS Justiz RS0085134). Nach § 256 Abs 1 ASVG gebührt die Invaliditätspension längstens für die Dauer von 24 Monaten ab dem Stichtag. Besteht nach Ablauf der Befristung Invalidität weiter, so ist die Pension jeweils für die Dauer von längstens 24 Monaten weiter zuzuerkennen, sofern die Weitergewährung der Pension spätestens innerhalb von drei Monaten nach deren Wegfall beantragt wurde. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass eine befristete Invaliditätspension nach Ablauf der Frist wegfällt, ohne dass es eines weiteren behördlichen Aktes bedarf. Die Zuerkennung einer zeitlich begrenzten Invaliditätspension wirkt daher zumindest für die Frage der Invalidität nicht über die Frist hinaus, sondern es ist bei der Entscheidung über einen rechtzeitigen Antrag auf Weitergewährung einer befristeten Invaliditätspension neu zu prüfen, ob nach Ablauf der Frist Invalidität weiterbesteht. Es ist somit auch ein Vergleich mit den Verhältnissen zur Zeit der Zuerkennung der Invaliditätspension, wie er bei der Entziehung einer Leistung gemäß § 99 ASVG notwendig ist, nicht anzustellen (SSV NF 15/109; 6/17 mwN ua; RIS Justiz RS0105149; RS0085389). Da eine Invalidität des Klägers iSd § 255 ASVG im maßgebenden Zeitraum nach Ablauf der Frist der zeitlich begrenzten Invaliditätspension nicht mehr bestanden hat, haben die Vorinstanzen im Einklang mit der zitierten ständigen Rechtsprechung das Klagebegehren zutreffend abgewiesen. Nicht entscheidend ist hingegen, wann das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für die vom Kläger begehrte Leistung im Verfahren vor dem Sozialgericht festgestellt wurde. Die Zuerkennung einer befristeten Invaliditätspension bis zu diesem Zeitpunkt kommt mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung der gewährten Pensionsleistung ebensowenig in Betracht wie die vom Kläger weiters relevierte Zuerkennung einer befristeten Pensionsleistung für die Dauer der für die Ausübung des Verweisungsberufes notwendigen innerbetrieblichen Einschulung im festgestellten Ausmaß von drei Monaten.
Da der Revisionswerber somit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen konnte, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.