9ObA20/04p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Luise B*****, vertreten durch Mag. Christoph Schordan, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 8 Cga 210/93 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien (EUR 20.893,10 und Feststellung), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2003, GZ 8 Ra 166/03w, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Als "neue Tatsachen" im § 530 Abs 1 Z 7 ZPO macht die Klägerin in ihrer Wiederaufnahmsklage ihr bisher nicht bekannte Vorschriften des ungarischen Rechts geltend. Der Rechtsauffassung der Vorinstanzen, damit bekämpfe sie in Wahrheit die rechtliche Beurteilung der im wiederaufzunehmenden Verfahren entscheidenden Gerichte, hält sie in ihrem Revisionsrekurs entgegen, dass nach § 271 ZPO über dem Gericht unbekanntes ausländisches Recht Beweis zu führen sei, was aber zur Folge habe, dass der Partei, die erst nach Schluss des Beweisverfahrens Beweismittel über das in einem früheren Verfahren anzuwendende ausländische Recht erlange, der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO offen stehen müsse.
Nähere Ausführungen zur damit aufgeworfenen Rechtsfrage sind allerdings entbehrlich, weil sich die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage schon aus folgenden Überlegungen jedenfalls als berechtigt erweist:
Aus dem Grunde des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist nach § 530 Abs 2 ZPO die Wiederaufnahme nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend zu machen.
Im Vorprüfungsverfahren ist regelmäßig nicht darüber zu entscheiden, ob der Wiederaufnahmskläger ohne sein Verschulden außerstande war, Beweismittel im Vorprozess zu verwenden. Eine Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage wegen Verschuldens des Klägers im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO hat aber dann zu erfolgen, wenn sich das Verschulden des Wiederaufnahmsklägers bereits aus seinen Tatsachenbehauptungen in der Klage ergibt oder wenn in der Klage jede Behauptung fehlt, dass die Geltendmachung des als Wiederaufnahmsgrund angeführten Beweismittels im Vorprozess ohne Verschulden nicht möglich war (RIS-Justiz RS0044558; zuletzt 1 Ob 258/02a; 6 Ob 15/03d; 9 ObA 253/01y). Hier beruft sich die Klägerin - zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses in Ungarn tätige ungarische Staatsbürgerin - auf ihre Unkenntnis des ungarischen Rechts. Aus dem Akt sind keinerlei Umstände ersichtlich, warum es ihr unmöglich gewesen wäre, sich - wie das in einer derartigen Situation von ihr zu erwarten ist - anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses über die ihr zustehenden Rechte und die dafür maßgebenden Bestimmungen zu erkundigen. Es wäre daher an ihr gelegen, schlüssig zu behaupten, warum sie außerstande war, solche (ihr im konkreten Fall zumutbaren) Erkundigungen über ihr damaliges Heimatrecht durchzuführen. Das darin gelegene Verschulden iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO bzw das völlige Fehlen entsprechender Behauptungen in der Klage ist von Amts wegen aufzugreifen (1 Ob 258/02a). Es rechtfertigt die Zurückweisung der Klage durch die Vorinstanzen, zumal es Sinn und Zweck der Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist, eine unrichtige Tatsachengrundlage des mit der Wiederaufnahmsklage bekämpften Urteils zu beseitigen, nicht aber, Fehler der Partei bei der Führung des Vorprozesses zu korrigieren (siehe hiezu MietSlg 39.795; SZ 59/194; EFSlg 32.111; EvBl 1970/234; zuletzt etwa 1 Ob 15/03d). Auf die als erheblich geltend gemachte Rechtsfrage, ob neue Informationen über Regelungen des anzuwendenden ausländischen Rechts den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO verwirklichen können, braucht daher nicht eingegangen zu werden.