9Ob13/04h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Andrea H*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak und Dr. Johannes Krauss, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Ernst H*****, vertreten durch Mag. Andreas Jakauby, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 20. November 2003, GZ 20 R 158/03f-43, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem EheRÄG 1999, BGBl I 125/1999, wurden durch Aufhebung der §§ 47 und 48 EheG die "absoluten" Scheidungsgründe des Ehebruchs und der Verweigerung der Fortpflanzung beseitigt, um diese den "relativen" Scheidungsgründen des § 49 EheG unterzuordnen, dh nur dann als Eheverfehlungen zu werten, wenn daraus eine unheilbare Zerrüttung der Ehe folgt. Nach den Materialien (RV Erl Bem 1653 der BlgNR XX. GP III 2) sollte nur die als Anachronismus empfundene Konstruktion dieser beiden Tatbestände als absolute Scheidungsgründe beseitigt werden, was - selbstverständlich - nicht bedeuten sollte, dass ein Scheidungsbegehren nicht mehr auf diese beiden Gründe gestützt werden könnte. Vielmehr soll nach dem Wortlaut der Materialien Ehebruch und Verweigerung der Fortpflanzung - der erstere Scheidungsgrund sogar unter ausdrücklicher Nennung - gleichsam in den Rechtsbestand des § 49 EheG über die schwere Eheverfehlung aufgenommen werden, sodass künftig alle an ein Verschulden anknüpfenden Gründe für die Scheidung einer Ehe in dieser Bestimmung konzentriert sind. Aus dem Text des § 49 zweiter Satz EheG ergibt sich eindeutig (Arg "insbesondere"), dass die dort aufgezählten Eheverfehlungen (Ehebruch, körperliche Gewalt oder Zufügung schweren seelischen Leides) demonstrativer Natur sind. Diese Aufzählung erfolgte nach den Materialien (alles aaO), um Missverständnissen von vornherein zu begegnen, aber auch aus gesellschaftspolitischen Rücksichten. Da § 49 EheG somit keinen Katalog kennt, kann nur im Einzelfall beurteilt werden, ob eine Eheverfehlung schwer ist und zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt hat. Der Hinweis der Revisionswerberin darauf, dass die Verweigerung der Fortpflanzung als Scheidungsgrund nicht mehr aufrecht zu erhalten sei, verkennt die Gesetzeslage (§ 91 Abs 1 ABGB), nach welcher die Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft einvernehmlich zu gestalten haben. Davon haben sie nach den Feststellungen auch insoweit Gebrauch gemacht, als sie bei Eingehen der Ehe übereinkamen, nach 5 Jahren der Ehe bzw bei Erreichen des 30. Lebensjahres der Klägerin dem Kinderwunsch des Beklagten zu entsprechen. Triftige Gründe für ein Abgehen von dieser einvernehmlichen Gestaltung konnte die Klägerin indes nicht ins Treffen führen.
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass beide Eheteile ein gleichteiliges Verschulden an der unheilbaren Zerrüttung der Ehe trifft, ist jedenfalls vertretbar. Ein überwiegendes Verschulden ist nur dort anzunehmen und auszusprechen, wo der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (RIS-Justiz RS0057821). Dabei kommt es nicht allein auf die Schwere der Eheverfehlung an sich (zB Ehebruch), sondern auch darauf an, in welchem Umfang die Verfehlung zu der schließlich eingetretenen Zerrüttung der Ehe beigetragen hat (RIS-Justiz RS0057858 ua). Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erweist sich die Revision der Klägerin somit als unzulässig.