11Os121/03 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Milijan G***** wegen der Finanzvergehen der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs 1 FinStrG und der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk als Finanzstrafbehörde I. Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Mai 2003, GZ 123 Hv 19/03w-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Milijan G***** der Finanzvergehen der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs 1 FinStrG (Punkt A des Urteilssatzes) und der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (B) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien als (faktischer [US 4]) Geschäftsführer und somit für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Belange allein verantwortlicher Machthaber des Gebäudereinigungsunternehmens E***** GmbH
(zu A) vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch die Nichtabgabe von Abgabenerklärungen zur Umsatz- und Körperschaftssteuer für das Kalenderjahr 1999 zu bewirken versucht, dass bescheidmäßig festzusetzende Abgaben nicht festgesetzt und dadurch hinterzogen werden sollten, und zwar an Umsatzsteuer 1999 ein Betrag von 27.615,68 EUR (380.000 S) und an Körperschaftssteuer 1999 ein Betrag von 6.177,19 EUR (85.000 S);
(zu B) wissentlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen, Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für 1 bis 12/2000 und 1 bis 6/2001 in der Höhe von 76.685,03 EUR (1,055.209 S) durch Nichtentrichtung bewirkt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der indes keine Berechtigung zukommt.
Durch den Antrag auf Vernehmung der Zeugen Boban G*****, Milotin V***** und Slavica J*****, dessen Ablehnung als Verfahrensmangel (Z 4) gerügt wird, sollte der Nachweis erbracht werden, dass der Angeklagte jedenfalls bis Jänner 2000 keinerlei Geschäfts(führer)tätigkeit ausgeübt hat (S 293 f). Dieses Beweisthema ist jedoch schon deshalb nicht erheblich, weil der Tatzeitraum zum Urteilsfaktum A gemäß § 134 Abs 1 BAO erst mit Ende des Monats März 2000 und jener zum Faktum B gemäß § 21 Abs 1 UStG mit 15. März 2000 einsetzte, weshalb es für die Lösung der Tat- und Rechtsfrage ohne Bedeutung ist, ob der Beschwerdeführer (schon) zuvor als faktischer Geschäftsführer fungierte. Verteidigungsrechte konnten durch die Abweisung des in Rede stehenden Beweisantrages mithin nicht beeinträchtigt werden.
Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) die Außerachtlassung der Angaben der Zeugen Alfred L***** und Viktor Z***** bei Feststellung seiner Position und jener seines (im Firmenbuch als Geschäftsführer ausgewiesenen) Vaters Zivorad G***** als Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) kritisiert, übersieht er, dass der mit der Steuerprüfung befasste Zeuge Z***** nur ihm gegenüber gemachte Äußerungen des Zeugen Alfred L***** wiedergab (S 269), dieser aber in der Hauptverhandlung vernommen wurde (S 257 ff). Da die Tatrichter die Aussage dieses Zeugen in ihre Beweiserwägungen einbezogen haben (vgl US 6), liegt der relevierte Nichtigkeitsgrund nicht vor. Mit dem Versuch aber, unter Hervorhebung einzelner Passagen dieser Aussage ohne Bedachtnahme auf die Verfahrensergebnisse in ihrer Gesamtheit für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen abzuleiten, wird bloß unzulässigerweise die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft.
Der ebenfalls aus Z 5 erhobene Einwand fehlender Berücksichtigung einer (im Wege einer abgabenrechtlichen Drittschuldnerexekution bei der Fa. D***** im Jänner 2002 erfolgten) „Schadensgutmachung" von 39.838,84 EUR ist zum einen nicht aktengetreu (s US 5 oben), zum anderen wird damit lediglich ein Berufungsgrund geltend gemacht. Die Behauptung eines Widerspruchs zwischen dem vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung vorgehaltenen Beginn des Tatzeitraums (März 2000) und den Feststellungen jenes Zeitraumes, auf welchen sich die Abgabenschuld bezieht (Jahresumsatz- und Körperschaftssteuer 1999 sowie Umsatzsteuervorauszahlungen von Jänner 2000 bis Juni 2001) verkennt zunächst die Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, der nur einen inneren Widerspruch des Ausspruchs des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen, nicht aber einen solchen zwischen einem Vorhalt und einer Urteilsfeststellung erfasst, und ist darüberhinaus auch sachlich verfehlt, weil die (hier missachtete) Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Offenlegung der Abgabenschuld erst nach deren Entstehung einsetzt.
Dem weiteren Vorbringen (Z 5) zuwider liegen den Feststellungen zu den strafbestimmenden Wertbeträgen keineswegs vom Finanzamt vorgelegte, auch Säumniszuschläge enthaltende Saldenlisten, sondern ausschließlich die Ausgangsrechnungen an die Firma D***** zugrunde (US 5 iVm S 275), sodass der Vorwurf, das Schöffengericht habe die Saldenliste übergangen, nicht nachvollziehbar ist.
Soweit der Beschwerdeführer in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) Konstatierungen zur Stellung des Angeklagten als Vorarbeiter, zur Frage der Obliegenheiten des Geschäftsführers der E***** GmbH und darüber, wer für die Wahrnehmung der steuerlichen Belange der Gesellschaft letztlich zuständig war, vermisst, zeigt er die Relevanz der Tätigkeit als Vorarbeiter für die rechtliche Beurteilung nicht auf und übergeht im Übrigen die Urteilsannahmen, wonach die Angelegenheiten der E***** GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer laut Firmenbuch Zivorad G***** war, ab Gründung ausschließlich vom unbeschränkt handlungs- und inkassobevollmächtigten Angeklagten wahrgenommen wurden, der sohin alleinverantwortlicher faktischer Geschäftsführer war, während seinem Vater Zivorad G***** die Funktion des nicht greifbaren Strohmannes zur Abwehr allfälliger Verantwortlichkeiten zukam (US 4). Mangels Orientierung am Urteilssachverhalt geht auch die auf eine (aus einzelnen Verfahrensergebnissen abgeleitete) Fahrlässigkeitsschuld beim Täterverhalten abzielende, damit in Bezug auf den Schuldspruch B der Sache nach auch den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO relevierende Beschwerdeargumentation ins Leere, lässt sie doch die für den deliktsspezifischen Tatvorsatz eindeutigen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 6) unbeachtet. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO), teils als offenbar unbegründet (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO) bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk als Finanzstrafbehörde I. Instanz folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.