JudikaturOGH

9ObA141/03f – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1) DI Werner S*****, Bundesbahnbeamter, *****, 2) Anton H*****, Bundesbahnbeamter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Bundesbahnen, 1010 Wien, Elisabethstraße 9, vertreten durch Dr. Peter Kunz ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 36.336,42 bzw EUR 7.267,28), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 2002, GZ 10 Ra 41/02a-16, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 22. Juni 2001, GZ 7 Cga 232/00p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen; die erstklagende Partei im Betrag von EUR 2.006,99 (darin EUR 334,49 Umsatzsteuer), die zweitklagende Partei im Betrag von EUR 623,80 (darin EUR 103,97 Umsatzsteuer).

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind seit 1981 bei den ÖBB im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses beschäftigt, aber unkündbar ("Bundesbahn-Beamter"). Auf ihre Dienstverhältnisse kamen jedenfalls auch die einschlägigen Regelungen der Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 (BB-PO 1966) "in ihrer jeweils geltenden Fassung" zur Anwendung. Ihre ruhegenussfähige Dienstzeit wurde ab dem 28. 7. 1972 bzw ab dem 28. 12. 1972 anerkannt. Die BB-PO 1966 wurde von der Beklagten bzw ihren Rechtsvorgängern mehrmals mit Zustimmung der Personalvertretung novelliert.

Am 31. 12. 1994 einigten sich Vorstand und Personalvertretung der Beklagten auf "Allgemeine Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB)". Diese traten mit 1. 1. 1996 in Kraft. Gemäß § 1 Abs 1 gelten die Allgemeinen Vertragsbedingungen für alle Dienstverhältnisse zu den Österreichischen Bundesbahnen. Sie finden gemäß Abs 3 in der jeweils geltenden Fassung auf das Dienstverhältnis Anwendung. Schon durch das Bundesbahngesetz 1992 (BBG), BGBl 825/1992, wurde der als Zweig der Betriebsverwaltung des Bundes gebildete Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesbahnen" Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 1 Abs 1). Gemäß § 21 BBG setzt das Unternehmen Österreichische Bundesbahnen die Rechte und Pflichten des Bundes gegenüber den aktiven Bediensteten und den Empfängern von Ruhe- und Versorgungsgenüssen fort, der Bund trägt den Pensionsaufwand (Abs 2); die Österreichischen Bundesbahnen haben an den Bund monatlich einen Beitrag von 26 % des Aufwands an Aktivbezügen für Bundesbahnbeamte zur Deckung des Pensionsaufwandes zu leisten (Abs 3).

Mit 1. Oktober 2000 trat - nach Aufhebung des Pensionsreformgesetzes 2000 - das mit Pensionsreformgesetz 2001 geschaffene Bundesgesetz über die Pensionsversorgung der Beamten der Österreichischen Bundesbahnen - Bundesbahn-Pensionsgesetz (BB-PG) in Kraft. Dieses Gesetz regelt gemäß seinem § 1 Abs 1 Z 1 unter anderem die Versetzung in den dauernden Ruhestand der Angestellten der Österreichischen Bundesbahnen, für die § 67 Abs 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) gilt. Nach dem letzten Satz des Abs 1 dieser Gesetzesstelle treten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes an die Stelle bisheriger und künftiger vertraglicher Regelungen über die Versetzung in den dauernden Ruhestand und über Pensionsansprüche der in Z 1 bis 3 angeführten Personen. Gemäß § 2 Abs 1 Z 3 BB-PG sind Angestellte der Österreichischen Bundesbahnen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 auf ihr Ansuchen von den Österreichischen Bundesbahnen in den dauernden Ruhestand zu versetzen, frühestens 18 Monate, nachdem sie die Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß erreicht haben. Mit § 54a BB-PG wurden Übergangsbestimmungen zu § 2 dergestalt geschaffen, dass für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 30. September 2002 anstelle von 18 Monaten gestaffelte Zeiträume, beginnend mit zwei Monaten und endend mit 16 Monaten, zu treten haben.

Die Kläger begehren die Feststellung, dass sich ihr Pensionsanspruch gegenüber der beklagten Partei weiterhin nach der Pensionsordnung 1966 in ihrer Fassung vor der im Veröffentlichungsorgan der beklagten Partei "Arbeits- und Sozialrechts-Info 4/1999" kundgemachten "27. Novelle der BB-PO 1966", "Richtlinien 57 und 58", sowie in ihrer Fassung vor dem mit BGBl I 95/2000 erlassenen Bundesbahn-Pensionsgesetz bestimme, weiters dass die mit der 27. Novelle der BB-PO 1966 sowie mit BGBl I 95/2000 (Bundesbahn-Pensionsgesetz) eingeführten neuen Regelungen nicht zum Vertragsinhalt der zwischen den Streitteilen vereinbarten Pensionszusage geworden seien bzw. auf diese keine verschlechternde normative Wirkung entfalten würden. Die BB-PO sei "in ihrer jeweils geltenden Fassung" trotz ihrer Verlautbarung im Bundesgesetzblatt kein Gesetz, sondern eine ausschließlich nach Privatrecht zu beurteilende Vertragsgrundlage der Einzeldienstverträge und damit auch der Dienstverträge der Kläger. Die Kläger machten dazu umfangreiche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neureglung durch das Bundesbahn-Pensionsgesetz geltend.

Die Beklagte erhob umfangreiche Einwendungen. Sie beantragte, insbesondere unter Hinweis auf § 1 Bundesbahn-Pensionsgesetz, wonach dieses Gesetz "an die Stelle bisheriger und künftiger vertraglicher Regelungen" trete, die Abweisung des Feststellungsbegehrens. Das Feststellungsbegehren sei im Hinblick auf die Geltung dieses ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzes auch unzulässig, weil dieses die BB-PO 1966 verdrängt habe. Ein Bundesgesetz könne auch nicht Vertragsinhalt werden. Die gesetzlichen Regelungen seien - wie die Beklagte ausführlich darstellt - auch gerechtfertigt. Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Bestimmungen des Bundesbahn-Pensionsgesetzes an die Stelle bisheriger und künftiger vertraglicher Regelungen über die Versetzung in den dauernden Ruhestand und über Pensionsansprüche getreten seien. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Kläger nicht Folge. Es führte ua aus, dass es die Bedenken gegen die Verfassungskonformität des Bundesbahn-Pensionsgesetzes nicht teile und die Eingriffe in die Rechtspositionen der Kläger nicht als unverhältnismäßig erachte.

Die von den Klägern gegen dieses Urteil erhobene Revision war schon gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Feststellungsbegehren wird auf die Begründung des in dieser Rechtssache ergangenen Beschlusses vom 26. 2. 2003 verwiesen, mit dem ein Antrag auf Aufhebung verschiedener Bestimmungen des BB-PG an den Verfassungsgerichtshof gestellt wurde. Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, stellten und stellen die Dienstvorschriften wie Dienstordnung, Bundesbahnpensionsordnung, Disziplinarordnung und Besoldungsordnung nur Vertragsschablonen dar, die mit dem Abschluss der jeweiligen Einzeldienstverträge rechtlich wirksam werden (RIS-Justiz RS0052622; RS0054759; RS0071251; RS0052693; RS0052649; VfSlg 8132). Die im Bundesgesetzblatt kundgemachten Dienstvorschriften hatten demnach keinen normativen Charakter (VfGHSlg 12.313; 14.075; 15.535 ua).

Der im Verleihungsschreiben enthaltene ausdrückliche Hinweis, dass auf das Dienstverhältnis die DO (= Dienstordnung) in ihrer jeweiligen Fassung sowie die sonstigen für die Beamten der Österreichischen Bundesbahnen jeweils geltenden Bestimmungen Anwendung finden, wird durch die widerspruchslose Annahme Inhalt des Arbeitsvertrags (ArbSlg 8580; DRdA 1991, 246; ArbSlg 11.883; RIS-Justiz RS0052618). Der "Änderungsvorbehalt" im Sinne dieser "Jeweilsklausel" wurde vom Obersten Gerichtshof dahin interpretiert, dass davon eine Änderung nach billigem Ermessen erfasst sei, selbst wenn es zu einer

zumutbaren Verschlechterung komme (9 ObA 77/00i = DRdA 2001/28

[Resch] = ZAS 2001/16 [Posch]).

Gegenstand der rechtlichen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof ist im Ergebnis ausschließlich die von den Klägern behauptete Verfassungswidrigkeit des Bundesbahn-Pensionsgesetzes. Die Kläger relevieren im Wesentlichen, dass sie durch die in Rede stehenden Bestimmungen des BB-PG in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht nach Art 5 StGG bzw Art 1 1. ZP MRK verletzt worden seien, weil es sich um eine unzulässige Enteignung, zumindest aber um einen unverhältnismäßigen Eigentumseingriff handle. Durchaus ähnliche Bedenken artikulierte der Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrats im Sinn des Art 140 Abs 1 B-VG, mit dem die Aufhebung des BB-PG, § 1 BB-PG bzw von Teilen davon begehrt wurde (G 298/02 des VfGH). Auch unter Berücksichtigung der von den Klägern und dem Drittelantrag des Nationalrats eingebrachten Bedenken hat der Oberste Gerichtshof mit seinem Beschluss vom 26. 2. 2003 in diesem Verfahren einen Antrag gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung verschiedener Bestimmungen des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG), BGBl I 86/2001 gestellt. Im einzelnen ist dazu sowie zur Präjudizialität dieser Bestimmungen und zur Darstellung der Bedenken (vgl inbes S 29 bis 45 dieses Beschlusses) auf diesen Beschluss verweisen.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 1. Dezember 2003 zu G 298/02-16 unter anderem diesen Antrag abgewiesen. Zur Begründung ist auf diese den Parteien bekannte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen (vgl inbes S 68 bis 77). Da im Rahmen des Revisionsverfahrens nur noch die allfällige Verfassungswidrigkeit der bekämpften Gesetzesbestimmungen zu beurteilen war, der Verfassungsgerichtshof aber die dagegen erhobenen Bedenken als nicht berechtigt angesehen hat, war der Revision der Kläger nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Kläger haben der Beklagten die ihr für die Revisionsbeantwortung aufgelaufenen Kosten im Verhältnis der Streitwerte ihrer Verfahren zu ersetzen. Überdies waren der Beklagten die von ihr begehrten Kosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH und die Kosten ihres darauf bezogenen Kostenbestimmungsantrages zuzusprechen.

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