JudikaturOGH

12Os81/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Oktober 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Habl, Dr. Philipp und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rene L***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 21. Mai 2003, GZ 11 Hv 78/03m-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die "Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Strafausspruches) werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet. Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rene L***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 9. Oktober 2002 in Gleisdorf Claudia S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt hat, indem er sie durch einen heftigen Stoß zu Sturz brachte, sich auf ihre Oberschenkel setzte, sie an den Händen festhielt und zu Boden drückte, ihre Hose und ihren Slip hinunterzog und mit seinem entblößten Penis ihre Scheide berührte und in diese einzudringen versuchte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht. Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert zunächst die Unterlassung einer beschlussmäßigen Erledigung des Antrags des Verteidigers auf Streichung der protokollierten Feststellung, dass die sich in der Folge einer (weiteren) Aussage entschlagende Zeugin Claudia S***** unmittelbar nach Betreten des Verhandlungssaals zu weinen begann (S 299). Diesbezüglich fehlt es aber an einem von der herangezogenen Nichtigkeitssanktion fassbaren Verfahrensvorgang, weil über den in der Disposition des Vorsitzenden liegenden Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (§ 271 StPO) keine Beschlussfassung des Gerichtshofs vorgesehen ist. Im Übrigen wurde nach der bekräftigenden Feststellung der Vorsitzenden, die von der Verteidigung gerügte Protokollierung nicht abzuändern, ein Antrag auf eine Senatsentscheidung durch Zwischenerkenntnis gar nicht gestellt (S 299).

Die Anträge auf Ergänzung des gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die an der Kleidung der Claudia S***** sichergestellten DNA-Spurenträger "möglicherweise" deren Lebensgefährten Sandro F***** zuzuordnen seien, (sinngemäß) zum Beweis dafür, dass die Tathandlungen (auch) DNA-Spuren des Angeklagten zur Folge gehabt hätten müssen (S 318 f), sowie auf Durchführung eines Lokalaugenscheins infolge Widersprüchlichkeiten über die fragliche Örtlichkeit zum Nachweis dafür, dass "die Schilderung der Claudia S***** über die versuchte Vergewaltigung in der Natur nicht vollzogen werden kann" (S 319), laufen einerseits auf eine unzulässige, überdies im Sinn des erstgerichtlichen Zwischenerkenntnisses unschlüssige Erkundungsbeweisführung hinaus und legen andererseits nicht dar, aus welchem - von selbst nicht einsichtigen - Grund die beantragten Beweisaufnahmen das behauptete Ergebnis erwarten lassen und inwiefern dieses zur Lösung der Schuldfrage erheblich beitragen sollte. Durch die Abweisung (S 319 f) der Beweisbegehren wurden somit Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt.

Das ergänzende Vorbringen der Beschwerde zu den letztgenannten Beweisanträgen hat außer Betracht zu bleiben, weil allein die Anträge den Gegenstand der Entscheidung des Erstgerichts bilden und demnach auch im Rechtsmittelverfahren deren Berechtigung auf den Antragszeitpunkt bezogen zu überprüfen ist (SSt 41/71; Ratz WK-StPO § 281 Rz 325).

Die Mängelrüge verweist zwar zutreffend darauf, dass der Angeklagte nicht - wie in der erstgerichtlichen Urteilsbegründung als Übereinstimmung mit der Zeugin Claudia S***** hervorgehoben - angegeben hat, zur Tatzeit Boxershorts getragen zu haben, sondern bloß von einer schwarz-blau gestreiften Unterhose in den Vereinsfarben des Clubs Inter-Mailand gesprochen hat (S 58 iVm 296). Doch angesichts der Tatsache, dass das Erstgericht eine Reihe anderer beweiswürdigender Erwägungen für die gewonnene Überzeugung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers angeführt (US 13 - 17) und der Beschwerdeführer weder im Verfahren erster Instanz noch im Rechtsmittelverfahren bestritten hat, mit einer Unterhose im Schnitt einer Boxershort bekleidet gewesen zu sein, geht dieser Einwand ins Leere, weil dieser Ungenauigkeit kein Stellenwert in der Bedeutung einer nichtigkeitsbewirkenden Aktenwidrigkeit zukommt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 192 f; Ratz WK-StPO § 281 Rz 466). Die weitere Beschwerdekritik behauptet Widersprüchlichkeiten verschiedener Details in der Zeugenaussage der Claudia S*****, die jedoch durchwegs keine entscheidenden Tatsachen betreffen, insbesondere zur Tatörtlichkeit, über den genauen Hergang ihres Sturzes sowie zu den Vorgängen im Lokal "B*****" vor und nach dem Tatgeschehen. Damit trachtet der Beschwerdeführer - wie er am Ende seiner Ausführungen selbst einräumt - die Glaubwürdigkeit des Tatopfers zu erschüttern und bekämpft solcherart bloß in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Soweit der Nichtigkeitswerber im einzelnen dargelegte (zusätzliche) Erörterungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens sowie von Aussagen der Zeugen Kerstin R*****, Patrick S***** und Margarethe H***** urgiert, ist er auf die ausführliche, der Bestimmung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO jedenfalls entsprechende Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (US 13-18), die sich auch mit den genannten Beweismitteln auseinandersetzt, zu verweisen. Er zeigt somit keinen formellen Begründungsmangel auf, sondern trachtet bloß abermals mit eigenständigen Erwägungen aus Beweisfragmenten zu ihm genehmen Schlüssen zu gelangen und die den Tatrichtern zukommende Beweiswürdigung (unzulässig) in Zweifel zu ziehen.

Gleiches gilt für das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a), welches aus dem Fehlen von DNA-Spuren des Angeklagten auf Kleidungsstücken des Opfers unter Berufung auf "allgemeine Erfahrungssätze des Lebens" andere Folgerungen fordert, ohne jedoch erhebliche Bedenken an der Richtigkeit entscheidender Feststellungen zu erwecken. Die abschließende pauschale Beschwerdebehauptung, das Gericht habe "das gesamte Urteil hindurch unzulässige Schlüsse zu Lasten des Beschuldigten gezogen", entzieht sich schon mangels eines konkreten Substrats einer sachbezogenen Erwiderung.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenso wie die in der Strafprozessordnung für das kollegialgerichtliche Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 283 Abs 1 StPO) bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Strafausspruches) folgt (§ 285i StPO).

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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