JudikaturOGH

6Ob162/03x – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Oktober 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Julia B*****, und der mj Nicola B*****, wohnhaft und in Obsorge bei der Mutter Karin B*****, über den Revisionsrekurs des Vaters Dr. Gerhard B*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 5. Mai 2003, GZ 1 R 136/03p 27, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Bregenz vom 17. März 2003, GZ 1 P 149/99t 24, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen und des bestätigten Teils wie folgt zu lauten hat:

Dr. Gerhard B***** ist schuldig, für seine Töchter Julia und Nicola B***** monatliche Unterhaltsleistungen von 664 EUR je Kind vom 1. 4. bis 31. 12. 2001 und von 596 EUR je Kind ab 1. 1. 2002 längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit zu zahlen. Die bis zur Rechtskraft fällig gewordenen Beträge sind abzüglich bereits geleisteter Zahlungen binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden Beträge jeweils bis zum Ersten eines jeden Monats im Vorhinein zu zahlen.

Das Mehrbegehren, er sei schuldig, für Julia einen weiteren Unterhalt von 62,72 EUR monatlich vom 1. 4. 2001 bis 31. 12. 2001 und von 130,72 EUR monatlich ab 1. 1. 2002 und für Nicola einen weiteren monatlichen Unterhalt von 26,39 EUR von 1. 4. bis 31. 12. 2001 und von 94,39 EUR ab 1. 1. 2002 zu zahlen, wird abgewiesen.

Das Mehrbegehren des Vaters, den Unterhaltsbeitrag für beide Kinder auf je 508,71 EUR monatlich herabzusetzen, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Revisionsrekurswerber ist ehelicher Vater der am 27. 2. 1986 geborenen Julia und der am 22. 8. 1987 geborenen Nicola. Die Kinder werden im Haushalt der obsorgeberechtigten Mutter betreut. In einem anlässlich der Ehescheidung am 22. 7. 1999 abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Vater zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von je 8.500 S (das sind 617,72 EUR) ab 1. 8. 1999, zahlbar bis spätestens Fünften eines jeden Monats. Dem Vergleich lag ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters von 60.270 S 14 mal pro Jahr (das sind 4.379,96 EUR) zugrunde. Im Vergleich wurde festgehalten, dass der Unterhaltsbetrag bei einer Änderung der Verhältnisse neu festgesetzt werden könne.

Die Kinder begehren eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages auf monatlich je 10.000 S (das sind 726,72 EUR) ab 1. 4. 2001. Sowohl das Einkommen des Vaters als auch ihre Bedürfnisse hätten sich erhöht.

Der Vater sprach sich gegen den Antrag aus. Er beziehe kein wesentlich höheres Einkommen als zum Zeitpunkt des Vergleichs. Die begehrten Unterhaltsbeiträge bedeuteten eine Überalimentierung. Im Übrigen müssten in verfassungskonformer Auslegung des § 12a FLAG die dem Haushalt der Mutter zufließenden Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) bei Bemessung des Unterhalts berücksichtigt werden. Dies führe zu einer Herabsetzung seiner Unterhaltsleistung auf 7.000 S (das sind 508,71 EUR).

Mit Beschluss vom 11. 6. 2001 erhöhte das Erstgericht den Unterhaltsbeitrag ab 1. 4. 2001 auf 10.000 S (das sind 726,72 EUR) für Julia und auf 9.500 S (das sind 690,39 EUR) für Nicola. Das darüber hinausgehende Erhöhungsbegehren Nicolas wies es ebenso ab wie den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters. Die Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens für Nicola (500 S) ist in Rechtskraft erwachsen.

Aus Anlass eines Revisionsrekurses des Vaters stellte der Oberste Gerichtshof am 20. 12. 2001 an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 12a FLAG 1967 idF BGBl Nr 646/1977 als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002, G 7/02, die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" im § 12a FLAG als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Nach Fortsetzung des unterbrochenen Rechtsmittelverfahrens gab der Senat dem Revisionsrekurs des Vaters Folge, hob die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der Senat trug dem Einwand des Revisionsrekurswerbers, die dem Haushalt der Mutter zugeflossenen Transferleistungen seien bei Bemessung des Unterhalts zu berücksichtigen, Rechnung und legte die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für eine entsprechende Anrechnung der Transferleistungen dar. Das für die Berechnung maßgebliche Jahresbruttoeinkommen des Vaters war jedoch nicht bekannt, sodass dem Erstgericht die Verfahrensergänzung durch entsprechende Feststellungen aufgetragen werden musste (6 Ob 195/02y).

Das Erstgericht erhöhte den monatlichen Unterhalt für Julia ab 1. 4. 2001 auf 727 EUR und für Nicola vom 1. 4. 2001 bis 31. 12. 2001 auf 696 EUR, ab 1. 1. bis 31. 8. 2002 auf 720 EUR und ab 1. 9. 2002 auf 727 EUR. Das darüber hinausgehende Erhöhungsbegehren für Nicola wies es ebenso ab wie den Herabsetzungsantrag des Vaters. Zu den Einkommensverhältnissen des Vaters traf das Erstgericht nachstehende Feststellungen: Jahresnettoeinkommen 2001 78.266,51 EUR einschließlich einer Jubliäumszuwendung von 15.468,58 EUR, zu versteuerndes Jahresbruttoeinkommen 2001 ohne 13. und 14. Gehalt 90.659,09 EUR. Das Nettoeinkommen der Jahre 2002 und 2003 beträgt jeweils 69.960,64 EUR, das zu versteuernde Jahresbruttoeinkommen (ohne 13. und 14. Gehalt) für diese Jahre je 80.403,14 EUR. Weiters hielt das Erstgericht fest, der Vater leiste monatlich 363 EUR als Unterhalt an die Mutter der Kinder und habe sonst keine weiteren Sorgepflichten. Das Erstgericht nahm die Unterhaltsbemessung wie folgt vor: Ausgehend vom jeweils festgestellten Jahresnettoeinkommen des Vaters in den Jahren 2001 bis 2003 errechnete es die sich nach der Prozentsatzmethode jeweils ergebenden Beträge (19 % für Julia, 17 % für Nicola, das sind insgesamt 28.176 EUR). 50 % der so errechneten Unterhaltsleistung entlastete das Erstgericht nach den im ersten Rechtsgang (6 Ob 195/02y) angeführten Kriterien. Seine Berechnung ergab einen das monatliche Unterhaltsbegehren der Kinder jeweils übersteigenden Unterhaltsbeitrag, den das Erstgericht unter Hinweis auf eine zu vermeidende Überalimentierung auf das 2,5 Fache des Regelbedarfs reduzierte. Der vom Erstgericht zuerkannte Unterhalt entspricht damit dem 2,5 Fachen des Regelbedarfs.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und setzte die monatlichen Unterhaltsleistungen wie folgt fest:

Für Julia vom 1. 4. bis 30. 6. 2001 690 EUR, vom 1. 7. 2001 bis 30 6. 2002 710 EUR und ab 1. 7. 2002 720 EUR. Für Nicola vom 1. 4. bis 30. 6. 2001 585 EUR, vom 1. 7. 2001 bis 30. 6. 2002 605 EUR, vom 1. 7. 2002 bis 31. 7. 2002 615 EUR und ab 1. 8. 2002 690,39 EUR. Das Unterhaltsmehrbegehren der Kinder und das Mehrbegehren des Vaters auf weitere Herabsetzung wies das Rekursgericht ab. Es ging bei seiner Berechnung vom jeweils über dem begehrten Unterhalt liegenden 2,5 fachen Regelbedarf, berechnet nach dem jeweiligen Alter der Kinder, aus und vertrat die Auffassung, das 2,5 Fache des jeweiligen Regelbedarfs sei angemessen und bedeute keine Überalimentierung. Berücksichtige man eine steuerliche Entlastung der Hälfte dieser Beträge und den (dem Bruttoeinkommen des Vaters entsprechenden abgesenkten) Steuersatz von 40 %, errechneten sich nach Abzug der vom Vater bezogenen Unterhaltsabsetzbeträge die für die angeführten Zeiträume zugesprochenen Unterhaltsleistungen. Die steuerliche Entlastung gebühre bereits ab Antragstellung (1. 4. 2001).

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob bei Berechnung der steuerlichen Entlastung des Vaters bei entsprechenden Einkommensverhältnissen vom 2,5 fachen Regelbedarf auszugehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und teilweise berechtigt:

1. Zur Höhe der Unterhaltsbeiträge vor steuerlicher Entlastung:

Der Revisionsrekurs wendet sich gegen die Berechnung der steuerlichen Entlastung auf Grundlage des 2,5 fachen Regelbedarfs. Basis für die vorzunehmende Entlastung müsste nach seiner Auffassung die im erstgerichtlichen Beschluss vom 11. 6. 2001 festgelegten Unterhaltsbeiträge von 10.000 S bzw 9.500 S sein.

Der Einwand des Vaters ist nur zum Teil berechtigt. Der Senat hat im ersten Rechtsgang (6 Ob 195/02y) bereits ausgesprochen, dass die seit Abschluss des Unterhaltsvergleichs eingetretene Einkommenserhöhung des Vaters eine Neubemessung seiner Unterhaltsleistung nach den Grundsätzen der Umstandsklausel rechtfertigt. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers kann jedoch von der im ersten Rechtsgang auf Grundlage der damals festgestellten Einkommensverhältnisse 2000 vorgenommenen Unterhaltsbemessung (10.000 S für Julia und 9.500 S für Nicola) infolge der für die Jahre 2001 bis 2003 ergänzten Sachverhaltsgrundlage nicht mehr ausgegangen werden. Bemessungsgrundlage des Vergleichs war ein Nettoeinkommen des Vaters von damals (1999) 72.250 S, das sind 5.250,61 EUR. Der damals vereinbarte Unterhalt betrug 8.500 S je Kind, somit 12,09 % der vereinbarten Bemessungsgrundlage, wobei der Altersunterschied von etwas mehr als einem Jahr bei Höhe der Unterhaltsleistung offensichtlich nicht berücksichtigt werden sollte. Im Vergleich war auch vorgesehen, dass bei Änderung der Verhältnisse der Unterhalt neu festgesetzt werden könne.

Nach den im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen betrug das Einkommen des Vaters im Jahr 2001 netto 78.266,51 EUR, das sind 6.522,20 EUR monatlich. Unter Beibehaltung der dem Vergleich zugrunde gelegten Relation von Einkommen und Unterhaltsleistung (12,09 %) und unter Berücksichtigung des schon damals für beide Kinder gleich hoch bemessenen Unterhalts errechnet sich ein Unterhaltsbetrag für das Jahr 2001 von (gerundet) 790 EUR monatlich je Kind. Eine Erhöhung auf 790 EUR monatlich je Kind schöpft auch die Leistungsfähigkeit des Vaters nach der Prozentsatzmethode nicht aus. Unter Berücksichtigung seiner Sorgepflichten für das jeweils andere Kind und die geschiedene Ehegattin könnten auf Julia maximal 17 % und auf Nicola maximal 15 % entfallen. Der monatliche Unterhalt von je 790 EUR für das Jahr 2001 erreicht keine dieser Grenzen. Für die Berechnung der steuerlichen Entlastung des Vaters ist daher bezogen auf das Jahr 2001 von einer monatlichen Unterhaltsleistung von je 790 EUR auszugehen.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen betrug das monatliche Nettoeinkommen des Vaters in den Jahren 2002 und 2003 jeweils 5.830 EUR (sein Nettojahreseinkommen betrug jeweils 69.960,64 EUR). Unter Berücksichtigung der Vergleichsrelation von 12,09 % und der schon damals vorgegebenen gleich hohen Bemessung des Unterhalts beider Kinder ergibt sich (vor steuerlicher Entlastung) ein monatlicher Unterhalt von (gerundet) 705 EUR je Kind. Die Unterhaltsfestsetzung auf diesen Betrag schöpft die Leistungsfähigkeit des Vaters nach der Prozentsatzmethode nicht aus. Ein allfälliger Sonderbedarf der Kinder wurde mangels Geltendmachung im Verfahren 1. Instanz bei der Bemessung nicht berücksichtigt.

2. Zur steuerlichen Entlastung:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass der Geldunterhaltspflichtige auch dann darauf Anspruch hat, durch entsprechende Berücksichtigung der Transferleistungen steuerlich entlastet zu werden, wenn die Prozentkomponente aufgrund des sogenannten Unterhaltsstopps bei überdurchschnittlichem Einkommen nicht voll ausgeschöpft wird (2 Ob 5/03d, 5 Ob 67/03v, 6 Ob 57/03f; RIS Justiz RS0117017). Bei Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ergeben sich nach steuerlicher Entlastung durch Anrechnung der vom betreuenden Elternteil bezogenen Familienbeihilfe auf den Unterhalt nachstehende vom Vater zu leistende Unterhaltsbeträge (zur Berechnung siehe 3 Ob 141/02k, veröff. JBl 2003, 174; EvBl 2003/54, 261; ecolex 2003, 93; RIS Justiz RS0117015):

Vom 1. 4. bis 31. 12. 2001: Ausgehend vom angemessenen monatlichen Unterhalt von je 790 EUR ergibt sich eine Jahresunterhaltsleistung von insgesamt 18.960 EUR. Davon sind 50 % mit einem (angesichts des Jahresbruttoeinkommens des Vaters von 90.659,09 EUR ohne 13. und 14. Monatsentgelt) reduzierten Steuersatz von 40 % zu entlasten. Daraus ergibt sich eine zu entlastende Unterhaltszahlung von 3.792 EUR. Abzüglich des Unterhaltsabsetzbetrags des Vaters für zwei Kinder von insgesamt 764,40 EUR pro Jahr errechnet sich die Kürzung des Jahresunterhalts mit 3.027,60 EUR. Die Aufteilung des gekürzten Unterhalts (insgesamt 15.932,40 EUR) auf die beiden Kinder ergibt eine Unterhaltsleistung von je 663,85 EUR, gerundet somit von 664 EUR monatlich je Kind.

Ab 1. 1. 2002: Der angemessene monatliche Unterhalt von 705 EUR je Kind ergibt eine Jahresunterhaltsleistung von insgesamt 16.920 EUR. Bei Entlastung der Hälfte dieses Betrages mit dem reduzierten Steuersatz von 40 % ergibt sich die zu entlastende Unterhaltszahlung mit 3.384 EUR. Nach Abzug des vom Vaters bezogenen Unterhaltsabsetzbetrages von 764,40 EUR pro Jahr für beide Kinder errechnet sich eine Kürzung des Jahresunterhalts von bisher 16.920 EUR auf 14.300,40 EUR. Die Aufteilung des so gekürzten Unterhalts auf beide Kinder ergibt eine Unterhaltsleistung von (gerundet) je 596 EUR monatlich.

Der vom Vater im Zeitraum zwischen 1. 4. bis 31. 12. 2001 zu leistende Unterhalt wird daher in Höhe von 664 EUR monatlich je Kind und jener für den Zeitraum ab 1. 1. 2002 mit 596 EUR monatlich je Kind festgesetzt. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren der Kinder wird ebenso abgewiesen wie das Begehren des Vaters auf weitere Herabsetzung seiner Unterhaltsleistung.

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