7Nc21/03b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte die Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Mag. Marianne P*****, geboren am ***** AZ 12 P 126/03z, des Bezirksgerichtes Vöcklabruck, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Vöcklabruck an das Bezirksgericht Hernals (ON 21) wird nicht genehmigt.
Text
Begründung:
Die Pflegschaftssache wurde über Ersuchen des Bezirksgerichtes Vöcklabruck im (nachehelichen) Aufteilungsverfahren 2 C 373/02a (Vorgangsweise nach § 6a ZPO) beim Bezirksgericht Hernals zu 2 P 304/02p anhängig. Im Hinblick auf die von der Betroffenen auf dem Kuvert zu einer Eingabe an das Pflegschaftsgericht angegebenen Adresse "*****" samt Auskunft des Zentralen Melderegisters, die den Hauptwohnsitz der Betroffenen in G***** bestätigte, sprach das Bezirksgericht Hernals hierauf mit Beschluss vom 16. 1. 2003 seine Unzuständigkeit aus und überwies die Sachwalterschaftssache gleichzeitig gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Vöcklabruck, dem es auch sogleich die Akten übermittelte. Der Beschluss ist mittlerweile nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen (Rückleitungsbeschluss des Obersten Gerichtshofes ON 24 samt Rückscheinen). Das Bezirksgericht Vöcklabruck bestellte hierauf seinerseits zunächst einen Sachverständigen zur Begutachtung der Betroffenen, an welche jedoch an der angegebenen Adresse in G***** keine Zustellungen vorgenommen werden konnten. Nach Vermerk auf dem Postfehlbericht benützt sie die Abgabestelle unregelmäßig. Ihr geschiedener Gatte verwies telefonisch darauf, dass die Betroffene "fast ständig" in W***** ihren Wohnsitz habe. Die Betroffene selbst gab telefonisch bekannt, "auf das Bezirksgericht Vöcklabruck überhaupt nicht kommen zu wollen", und sich unter beiden Anschriften aufzuhalten. Das Bezirksgericht Vöcklabruck fasste nunmehr am 15. 5. 2003 den Beschluss, die Zuständigkeit für die Sachwaltschaftssache gemäß § 111 Abs 1 JN dem Bezirksgericht Hernals (rück-)zuübertragen, da die Betroffene ihr Leben nach eigenen Angaben in einem Schreiben "anders orientiert und aufgebaut" habe und sich in W***** aufhalte. Es sei daher davon auszugehen, dass die Betroffene ihren Lebensmittelpunkt nach W***** verlegt und ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Bezirksgericht Vöcklabruck und der Betroffenen nicht mehr bestehe. Das Bezirksgericht Hernals seinerseits lehnte die Übernahme des Aktes mit Beschluss vom 26. 5. 2003 unter Hinweis auf seinen vorrangigen Überweisungsbeschluss nach § 44 JN ab.
Das Bezirksgericht Vöcklabruck legt nunmehr die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Genehmigung der Übertragung nach § 111 JN nach Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses gemäß § 44 JN zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Ablehnung der Übernahme durch das Bezirksgericht Hernals erfolgte im Ergebnis zu Recht.
Nach § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der Sachwalterschaftssache zuständige Gericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Betroffenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Betroffenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Sachwalterschaftssache dem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Betroffenen liegt (10 Nd 510/02 mwN, 6 Nd 509/92; vgl auch 9 Nd 513/00, RIS-Justiz RS0046908).
Das Bezirksgericht Hernals kann zwar die Übernahme der übertragenen Pflegschaftssache nicht mit Hinweis auf den bindenden Beschluss nach § 44 JN allein ablehnen (vgl etwa 8 Nd 515/01 mwN). Haben sich die Lebensverhältnisse des Betroffenen geändert und ist es in seinem Interesse, dass nunmehr das Bezirksgericht Hernals die Sachwalterschaft führt, so stünde der Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 16. 1. 2003 der Übernahme der Pflegschaft nicht entgegen. Im vorliegenden Fall fehlt es aber an einem Sachverhalt, der darauf schließen ließe, dass die Betroffene ihren ausschließlichen Lebensschwerpunkt tatsächlich nach W***** verlegt habe. Nach den aus der Aktenlage erkennbaren "instabilen" Wohnverhältnissen kann zur Zeit von einem Mittelpunkt der Lebensführung im Sprengel des Bezirksgerichtes Hernals keineswegs gesprochen werden. Nur wenn dem Bezirksgericht Vöcklabruck eindeutige und nachvollziehbare Tatachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die Betroffene ihren Lebensschwerpunkt (vgl 6 Nd 502/98) nunmehr auf Dauer nach Wien verlegt hat, könnte eine Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN in Betracht kommen.
Der Beschluss des Bezirksgerichtes Vöcklabruck auf Übertragung der Zuständigkeit ist daher nicht zu genehmigen.