JudikaturOGH

14Os105/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. September 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johannes H***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 (§ 161) StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 22. Jänner 1999, GZ 12b EVr 569/87-50, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten H*****, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 22. Jänner 1999, GZ 12b EVr 569/87-50, verletzt § 56 StGB und § 494b StPO. Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird dieser Beschluss aufgehoben und der Antrag des Staatsanwalts auf Widerruf der dem Johannes H***** gewährten bedingten Entlassung aus dem Vollzug einer Freiheitsstrafe zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit (in gekürzter Form gemäß § 488 Z 7 StPO ausgefertigtem) Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Korneuburg vom 1. Februar 1989, GZ 12b EVr 569/87-24, rechtskräftig seit 6. Februar 1989, wurde Johannes H***** der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 (§ 161) StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung schuldig erkannt und unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Dezember 1988, AZ 3b Vr 10728/88, Hv 6621/88, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 13. Dezember 1989 wurde diese Strafe "mit den Wirkungen der bedingten Strafnachsicht (§ 43 StGB)" unter Setzung einer am 18. Dezember 1989 begonnenen Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen (ON 29). Dies wurde im Weitern als bedingte Entlassung aus dem (niemals begonnenen Anschluss )Vollzug einer Freiheitsstrafe betrachtet.

Mit sogleich in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. Juli 1998, GZ 12e Vr 13732/92-170, wurde Johannes H***** der im Zeitraum von August 1990 bis Juni 1998, also zum Teil noch innerhalb der Probezeit begangenen Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB (gleichfalls aF) sowie der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, welche gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Die Einleitung des Strafverfahrens erfolgte am 19. November 1992 (S 3/I). Eine Beschlussfassung nach § 494a Abs 4 StPO unterblieb, weil die zuletzt - mit einem unrichtigen Geburtsdatum eingeholte - Strafregisterauskunft des Genannten keine Vorverurteilung aufwies (ON 164). Allerdings ging aus einer bereits dem ersten polizeilichen Erhebungsbericht (ON 2) angeschlossenen Strafregisterauskunft mit zutreffendem Geburtsdatum (S 9/I) der Gnadenakt hervor. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft vom 1. September 1998 (s 170/II) folgend, fasste das Landesgericht Korneuburg im Verfahren AZ 12b EVr 569/87, Hv 416/88, am 22. Jänner 1999 gemäß § 495 Abs 1 StPO den Beschluss auf Widerruf der mit Entschließung des Bundespräsidenten angeordneten bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe (ON 50).

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluss steht - wie der Generalprokurator in seine dagegen zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Wird der Rechtsbrecher wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung verurteilt, so hat nach § 53 Abs 1 erster Satz StGB das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe zu widerrufen und die Strafe, den Strafteil oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Gemäß § 56 StGB kann das Gericht die in § 53 StGB vorgesehene Verfügung nur in der Probezeit, wegen einer während dieser Zeit begangenen strafbaren Handlung jedoch auch innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit oder nach Beendigung eines bei deren Ablauf gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens treffen.

Die neue Tat wurde zwar während der Probezeit begangen. Es war bei Ablauf der Probezeit am 18. Dezember 1992 auch ein Strafverfahren (zu 12e Vr 13732/92, Hv 2728/98) anhängig, doch wurde der Widerruf nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des bei Ablauf der Probezeit anhängigen Strafverfahrens verfügt. Die Sechsmonatefrist endete nämlich bereits am 2. Jänner 1999. Infolge der unbekämpft gebliebenen Unterlassung einer Widerrufsentscheidung gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO durch das am 2. Juli 1998 erkennende Schöffengericht war überdies die Sperrwirkung des § 494b StPO eingetreten. Der bekämpfte, sich zum Nachteil des Verurteilten auswirkende Beschluss war daher zu kassieren und der diesem zugrundeliegende Widerrufsantrag des Staatsanwaltes zurückzuweisen (§ 292 letzter Satz StPO).

Rückverweise