10ObS270/02g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl Leopold W*****, vertreten durch Mag. Alexander Schneider, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Gewährung von Leistungen aus der Krankenversicherung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 2002, GZ 7 Rs 131/02i-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes vom 5. Dezember 2001, GZ 3 Cgs 172/01g-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen. Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 22. 8. 2001 sprach die beklagte Partei aus, der Antrag des Klägers "auf Anerkennung seiner Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bzw auf Gewährung von Krankengeld anlässlich des am 12. 6. 2000 eingetretenen Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit über den 7. 1. 2001 hinaus wird gemäß § 120 Abs 1 Z 2 und § 122 Abs 2 Z 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes abgelehnt". Mit seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm "für Versicherungsfälle zwischen dem 7. und 28. 1. 2001 Leistungen im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren." Dazu brachte er vor, mit dem bekämpften Bescheid werde sein Antrag auf Anerkennung seiner Arbeitsunfähigkeit und Gewährung von Krankengeld und insbesondere auch auf Gewährung von Versicherungsleistungen über den 7. 1. 2001 hinaus mit der unzutreffenden Begründung abgelehnt, die dreiwöchige Frist des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG habe am 28. 7. 2000 zu laufen begonnen, sodass zum Zeitpunkt des neuen Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit am 7. 1. 2001 die dreiwöchige Schutzfrist bereits längst abgelaufen gewesen sei und daher ab diesem Zeitpunkt weder ein Anspruch auf Krankengeld noch auf Leistungen aus der Versicherung bestünden. Sein Anspruch auf Krankengeld sei erst am 6. 1. 2001 erloschen, sodass die dreiwöchige Schutzfrist des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG am 7. 1. 2001 zu laufen begonnen habe. Für den Versicherungsfall vom 7. 1. 2001 und alle weiteren Versicherungsfälle, die innerhalb von drei Wochen nach dem 6. 1. 2001 eingetreten seien, habe die Beklagte daher Leistungen zu gewähren. Erstmals Ende Jänner 2001 habe der Kläger dadurch, dass ihm kein Krankengeld mehr ausbezahlt worden sei, erfahren, dass nach dem Standpunkt der beklagten Partei der Anspruch auf Krankengeld erloschen sei und vor allem auch Leistungen aus dem Versicherungsverhältnis ab 7. 1. 2001 nicht mehr bestünden. Dem Kläger seien jedoch auch während des Monats Jänner 2001 Krankenscheine ausgefolgt worden, sodass er zu Recht davon ausgegangen sei, bei der beklagten Partei noch versichert zu sein. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei ab seinem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung infolge Krankheit bis 27. 7. 2000 arbeitsunfähig gewesen. Die Schutzfrist von drei Wochen gemäß § 122 Abs 2 Z 2 ASVG habe daher mit 28. 7. 2000 zu laufen begonnen, weshalb für den am 7. 1. 2001 neuerlich eingetretenen Versicherungsfall kein Anspruch auf Krankengeld bestehe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger für Versicherungsfälle zwischen dem 7. 1. 2001 und 28. 1. 2001 Krankengeld im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, ab.
Es traf folgende Feststellungen:
Der Kläger war vom 15. 4. 2000 bis 15. 6. 2000 aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses in der Krankenversicherung pflichtversichert.
Am 12. 6. 2000 und am 7. 7. 2000 stürzte der Kläger. Die Stürze führten zu zahlreichen Contusionen. Er war ab 12. 6. 2000 durchgehend bis 27. 7. 2000 im Krankenstand und bezog vom 16. 6. 2000 bis 27. 7. 2000 Krankengeld.
Am 28. 7. 2000 bestätigte dem Kläger ein Gemeindearzt aufgrund der Diagnosen "akute Hochdruckkrise" und "card. Decompensation" Arbeitsunfähigkeit bis 12. 11. 2000.
Am 12. 11. 2000 erlitt der Kläger bei einem Sturz Verletzungen. Er wurde bis 26. 11. 2000 als arbeitsunfähig befunden. Am 23. 11. 2000 wurde der Kläger als Fahrgast einer Straßenbahnlinie durch einen Verkehrsunfall verletzt. Er erlitt unter anderem ein Schleudertrauma. Nach Spitalsversorgung bestand durchgehend bis 12. 12. 2000 Arbeitsunfähigkeit.
Vom 13. 12. 2000 bis 6. 1. 2001 absolvierte der Kläger - mit einer Unterbrechung am 24. und 25. 12. 2000 - ein Heilverfahren im Rehabilitationszentrum Bad Hofgastein.
Der Kläger bezog von der beklagten Partei vom 31. 7. 2000 bis 6. 1. 2001 Krankengeld.
Am 7. 1. 2001 stürzte der Kläger über eine Bordsteinkante und verletzte sich dabei. Er wurde ambulant im Donauspital am 7. 1. 2000 behandelt. Ein Arzt bestätigte die Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 7. 1. bis 15. 1. 2001.
In seiner rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhalts führte das Erstgericht aus, das Klagebegehren sei als auf Gewährung von Krankengeld im gesetzlichen Ausmaß vom 7. 1. bis 28. 1. 2001 gerichtet zu behandeln. Der erste Versicherungsfall sei am 12. 6. 2000 während der Versicherung eingetreten. Für Versicherungsfälle, die nach dem Ende der Versicherung eintreten, seien Leistungen nach Maßgabe des § 122 Abs 2 ASVG zu gewähren. Der am 28. 7. 2000 eingetretene Versicherungsfall sei ein neuer Versicherungsfall gewesen, weil die Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 27. 7. 2000 und auch der Krankengeldbezug geendet habe. Da der Kläger im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Pflichtversicherung infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen sei, habe die dreiwöchige Frist des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG erst ab dem Erlöschen des Anspruchs aus Krankengeld - dem 27. 7. 2000 - zu laufen begonnen. Da der neue Versicherungsfall am 28. 7. 2000 innerhalb der dreiwöchigen Schutzfrist eingetreten sei, habe ein neuerlicher Anspruch des Klägers auf Krankengeld aus diesem Versicherungsfall bestanden. Daher habe der Kläger nach Eintritt des neuen Versicherungsfalls ab 31. 7. 2000 wiederum Krankengeld bezogen.
§ 122 Abs 2 Z 2 ASVG spreche jedoch unzweifelhaft von einer lediglich einmal laufenden Schutzfrist im Ausmaß von drei Wochen. Vorgesehen sei der Schutz des Dienstnehmers nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung. Der Beginn der nur einmal laufenden Frist könne im Falle der Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Beendigung der Pflichtversicherung auf den Zeitpunkt des Erlöschens des Krankengeldanspruchs hinausgeschoben werden. Die Frist habe am 28. 7. 2000 zu laufen begonnen und sei am 7. 1. 2001 verstrichen gewesen. Im Gesetz genannte Fälle, durch die das Ausmaß der Frist über drei Wochen hinaus verlängert werde, liegen nicht vor. Da der am 7. 1. 2001 eingetretene Versicherungsfall außerhalb der Schutzfrist liege und auch kein Fall des § 122 Abs 2 Z 1 oder Abs 3 ASVG gegeben gewesen sei, habe zu diesem Zeitpunkt kein Leistungsanspruch bestanden.
In seiner dagegen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung führte der Kläger unter anderem aus, er sei im Gefolge seines Sturzes am 7. 1. 2001 bei einem praktischen Arzt und weiters vom 17. 1. bis 21. 1. 2001 im Kaiser-Franz-Josef-Spital stationär in Behandlung gewesen. Zuvor habe ihm die beklagte Partei über ihre Rechtsansicht nicht informiert, vielmehr habe sie dem Kläger weiterhin Krankenscheine ausgefolgt. Daher sei das Klagebegehren auf Feststellung von Leistungsansprüchen für Versicherungsfälle zwischen dem 7. 1. 2001 und dem 28. 1. 2001 gerichtet. Der Kläger habe für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Krankengeld geltend gemacht. Er sei sich vielmehr bewusst, dass sein Anspruch auf Krankengeld am 6. 1. 2001 erloschen sei. Nach § 122 Abs 2 Z 2 ASVG bestehe aber Anspruch auf Leistungen aus Versicherungsfällen, die binnen drei Wochen nach Beendigung des Anspruchs auf Krankengeld eintreten, sofern der Dienstnehmer zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Pflichtversicherung arbeitsunfähig gewesen sei. Der Kläger sei zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Pflichtversicherung am 15. 6. 2000 arbeitsunfähig gewesen. Sein Anspruch auf Krankengeld sei am 7. 1. 2001 erloschen. Die Schutzfrist des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG habe daher am 7. 1. 2001 zu laufen begonnen. Seinem auf Gewährung von Leistungen im gesetzlichen Ausmaß für Versicherungsfälle, die zwischen dem 7. 1. und dem 28. 1. 2001 eintreten, wäre stattzugeben gewesen. Er beantragte, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern.
Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Im Wesentlichen begründete es seine Entscheidung damit, dass dem Kläger für den Versicherungsfall vom 7. 7. 2000 gemäß § 122 Abs 2 Z 2 erster Satz ASVG bereits unter Berücksichtigung der dreiwöchigen Schutzfrist Krankengeld bis 27. 7. 2000 gewährt worden sei. Dass der Kläger vom 31. 7. 2000 bis 6. 1. 2001 aufgrund weiterer Versicherungsfälle Krankengeld bezogen habe, führe daher nicht zu einem Beginn der dreiwöchigen Schutzfrist im Sinn des § 122 Abs 2 Z 2 zweiter Satz ASVG ab dem Erlöschen des Anspruchs auf Krankengeld (Anstaltspflege). Es sei mit dem Gesetz nicht vereinbar, dass "bereits nach Ablauf der Schutzfrist für jeweils während des Bezugs von Krankengeld neu eingetretene Versicherungsfälle der Krankenversicherung Schutz auf unbestimmte Zeit gewährleistet werden soll". Der am 7. 1. 2001 eingetretene Versicherungsfall liege außerhalb der Schutzfrist, sodass der Kläger für diesen und den am 28. 1. 2001 eingetretenen Versicherungsfall keinen Krankenversicherungsschutz aus der in der Zeit vom 15. 4. bis 15. 6. 2000 bestehenden Pflichtversicherung habe. Der Kläger bekämpft diese Entscheidung mit Revision aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Klagestattgebung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die unter Punkt 1. der Revisionsschrift geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO). Im Bereich der Krankenversicherung (Zweiter Teil des ASVG) kommen Leistungsansprüche verschiedener Art in Frage, die jedoch nur auf Antrag zu gewähren sind (§ 361 Abs 1 Z 1 ASVG). Über den Antrag auf Zuerkennung einer Leistung aus der Krankenversicherung ist ein Bescheid zu erlassen, wenn die beantragte Leistung Leistung ganz oder teilweise abgelehnt wird und der Anspruchswerber ausdrücklich einen Bescheid verlangt (( 367 Abs 1 Z 2 ASVG).
Die Zulässigkeit einer Bescheidklage in einer Leistungssache aus der Krankenversicherung setzt nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG voraus, dass der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat. Liegt eine meritorische Entscheidung des Versicherungsträgers über den den geltend gemachten Anspruch nicht vor, ist der Rechtsweg - von der hier nicht vorliegenden Ausnahme des § 68 ASGG und den Säumnisfällen (§ 67 Abs 1 Z 2 lit a ASGG für Leistungen aus der Krankenversicherung) abgesehen - ausgeschlossen (§ 73 ASGG; SSV-NF 12/65 mwN ua). Das dargestellte Erfordernis ("darüber") bewirkt überdies in Fällen, in denen die Klage zulässig ist, eine Eingrenzung des möglichen Streitgegenstands: Dieser kann grundsätzlich nur Ansprüche umfassen, über die der Sozialversicherungsträger bescheidmäßig abgesprochen hat. Die Klage darf daher im Vergleich zum vorangegangenen Antrag weder die rechtserzeugenden Tatsachen auswechseln noch auf Leistungen (Feststellungen, Gestaltungen) gerichtet sein, über die der Versicherungsträger im bekämpften Bescheid gar nicht erkannt hat (SSV-NF 12/65 mwN ua). Daraus ergibt sich, dass jedenfalls ein "Austausch" des Versicherungsfalls oder der Art der begehrten Leistungen im gerichtlichen Verfahren nicht zulässig ist; für solche Begehren fehlt es an einer "darüber" ergangenen Entscheidung des Versicherungsträgers (SSV-NF 12/65 mwN). Im vorliegenden Fall wurde mit dem der Klage zugrunde liegenden Bescheid ausschließlich über einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Krankengeld abgesprochen. Kommen in einem Versicherungszweig in einem konkreten Fall mehrere Leistungsansprüche in Frage, so hat die Klage - selbst unter den geminderten Anforderungen des § 82 Abs 2 bis 4 ASGG an die Bestimmtheit des Begehrens - die konkrete Leistung zu bezeichnen (SSV-NF 1/35). Das Erstgericht hat im Hinblick auf den Inhalt des mit der Klage bekämpften Bescheids das unbestimmte Klagebegehren als auf Leistung von Krankengeld gerichtet gedeutet, das aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gewährt wird (§§ 138 bis 143 ASVG), und darüber abgesprochen. Aus den Revisionsausführungen geht hervor, dass der Kläger einen Anspruch auf Krankengeld nicht weiter verfolgt. Ein Bescheid der beklagten Partei über beantragte andere Leistungen, die in der Klage behauptet, aber nicht genannt werden, liegt nicht vor. Insoweit wäre der Rechtsweg unzulässig, behauptete der Kläger doch nicht, die beklagte Partei sei mit der Bescheiderlassung säumig. Dem in der Revision gestellten Abänderungsantrag konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Damit erweist sich die Revision als nicht berechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 und Z 2 lit b ASGG.