9Nc18/03a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois R***** KG Hotel *****, vertreten durch Dr. Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Kirsten B*****, Angestellte (richtig: Botschafterin), *****, vertreten durch Dr. Hans Rant und Dr. Kurt Freyler, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 247,-- sA, über den Antrag des Bundesministeriums für Justiz gemäß § 42 Abs 2 JN vom 25. Juni 2003 den Beschluss
gefasst:
Spruch
I.) Das zu 4 C 1105/02b des Bezirksgerichtes Döbling durchgeführte Verfahren und der in diesem Verfahren ergangene Zahlungsbefehl vom 16. 8. 2002 werden für nichtig erklärt.
II.)
1.) Die Anträge der beklagten Partei vom 1. 8. 2003 auf Aufhebung des zu Punkt I.) genannten Zahlungsbefehles, der zu 25 E 4910/02x des BG Döbling bewilligten Fahrnisexekution, Nichtigerklärung des Verfahrens und Zurückweisung der Klage sowie auf Bestimmung von Kosten für die Schriftsätze vom 5. 2. 2003 und 17. 7. 2003 werden zurückgewiesen.
2.) Der Antrag der beklagten Partei auf Bestimmung von Kosten für eine Bekanntgabe im Verfahren 25 E 4910/02x des BG Döbling wird gemäß § 44 Abs 1 JN an das BG Döbling überwiesen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei brachte am 13. 8. 2002 zu 4 C 1105/02b des Bezirksgerichtes Döbling gegen die Beklagte Kirsten B***** mit der Berufsbezeichnung als "Angestellte" eine Mahnklage auf Zahlung von EUR 247,-- sA ein. Das Erstgericht erließ den beantragten Zahlungsbefehl, welcher der beklagten Partei am 26. 8. 2002 durch Hinterlegung zugestellt wurde und daher nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen ist.
zu I.) Das Bundesministerium für Justiz stellte den aus dem Spruch ersichtlichen Antrag und begründete diesen damit, dass die beklagte Partei Botschafterin des Königreiches Dänemark in Wien und gleichzeitig Leiterin der Delegation Dänemarks bei der OSZE in Wien sei. Sie genieße daher Immunität nach Art 31 Abs 1 der Wiener Diplomatenkonvention, BGBl Nr 66/1966. Der Entsendestaat habe nicht im Sinne des Art 32 Abs 1 der Wiener Diplomatenkonvention auf die Immunität verzichtet. Mangels inländischer Gerichtsbarkeit seien daher sowohl der erlassene Zahlungsbefehl als auch das vorangegangene Verfahren für nichtig zu erklären.
In der ihr freigestellten Äußerung wies die klagende Partei darauf hin, dass ihr bei Einbringung der Klage die diplomatische Immunität der beklagten Partei nicht bekannt gewesen sei und sie erst anlässlich des mittlerweise eingestellten Exekutionsverfahrens davon Kenntnis erlangt habe. Die klagende Partei sprach sich nicht gegen den nach § 42 Abs 2 JN gestellten Antrag des Bundesministeriums für Justiz aus.
Der Antrag ist berechtigt:
Rechtliche Beurteilung
Die beklagte Partei war und ist Botschafterin des Königreiches Dänemark in Wien und zugleich Leiterin der Delegation Dänemarks bei der OSZE in Wien. Sie ist Inhaberin einer am 9. 8. 2001 vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten ausgestellten roten Legitimationskarte, die bis 9. 8. 2003 gültig ist.
Gemäß Art 31 Abs 1 Satz 2 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. 4. 1961, BGBl Nr 66/1996, steht den Diplomaten - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - Immunität von der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Empfangsstaates zu. Daraus folgt, dass auch die vorliegende Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen war. Während die Antragstellung der Obersten Verwaltungsbehörde gemäß § 42 Abs 2 JN in deren Ermessen liegt, ist der Oberste Gerichtshof, wenn ein solcher Antrag gestellt wurde, verpflichtet, bei Vorliegen der Nichtigkeit das Verfahren aufzuheben, ohne dass er seinerseits Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen könnte (Ballon in Fasching, Komm I2 Rz 16, 17 zu § 42 JN).
Da seitens des Entsendestaates auf die Immunität der beklagten Partei nicht gemäß Art 32 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen verzichtet wurde, ist dem Antrag stattzugeben. Zu II.) 1.)
Die beklagte Partei übersieht mit den Anträgen ihrer unaufgefordert eingebrachten Stellungnahme, dass das Antragsrecht nach § 42 Abs 2 JN ausschließlich den obersten Verwaltungsbehörden zukommt, die Parteien selbst daher weder ein eigenes Antragsrecht noch einen Anspruch auf Antragstellung durch eine oberste Verwaltungsbehörde haben (Ballon aao Rz 16; Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 7 zu § 42 JN, jweils mwN). Die für die Schriftsätze vom 5. 2. 2003 und 17. 7. 2003 geltend gemachten Kosten betreffen ausschließlich solche Schritte und sind daher nicht ersatzfähig.
Zu II.) 2.) Mit dem Schriftsatz vom 31. 10. 2002 wurde eine Verfahrenshandlung in dem mittlerweile eingestellten, vom Antrag nach § 42 Abs 2 JN nicht umfassten Exekutionsverfahren gesetzt. Der diesbezügliche Kostenbestimmungsantrag fällt daher nicht in die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes.