JudikaturOGH

4Ob144/03k – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kammer der Wirtschaftstreuhänder, *****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht und Mag. Werner Piplits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Klaudia H*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 29. April 2003, GZ 6 R 14/03f 13, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass der angefochtene Beschluss ohne Beweiswiederholung vom festgestellten Sachverhalt abgehe. Die abgabenrechtlichen Verpflichtungen würden nicht durch den Abwickler, die Ärzte Vermögenstreuhand GmbH, wahrgenommen. Die Miteigentümer könnten sich selbst vor den Finanzbehörden vertreten oder auch einen Vertreter bestellen; das gelte unabhängig davon, ob die beiden Miteigentumsgemeinschaften bereits vertreten gewesen seien.

Die Beklagte bezieht sich damit auf die Auffassung des Rekursgerichts, sie könne sich nicht auf § 81 Abs 2 BAO berufen, weil keine vertretungslose Personenvereinigung vorliege. Gesetzlicher Vertreter der beiden Kommanditgesellschaften in Liquidation sei die Ä***** GmbH, die die Anteile der Anleger verwalte.

Die Beklagte schließt aus diesen Ausführungen, dass sie berechtigt wäre, die Anleger zu vertreten, wenn diese nicht schon vertreten wären. Sie verkennt damit den Zweck des § 81 BAO. Zweck dieser Bestimmung ist es sicherzustellen, dass die Abgabenbehörden stets und in allen Stadien der Existenz von abgabenpflichtigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder Personengemeinschaften mit tauglichen Verfahrenspartnern in Verbindung treten können ( Stoll , Bundesabgabenordnung Kommentar § 81 BAO Anm 1). Sind mehrere Personen für den Abgabenpflichtigen vertretungsbefugt, so folgt aus § 81 Abs 2 BAO die Verpflichtung, der Abgabenbehörde gegenüber eine Person als vertretungsbefugt namhaft zu machen ( Ritz , Bundesabgabenordnung Kommentar § 81 Rz 2). Dieser Person kann mit Wirkung für die Gesamtheit zugestellt werden; sie ist aber aufgrund ihrer Bestellung nicht berechtigt, Handlungen für Dritte vorzunehmen, die berufsmäßigen Parteienvertretern vorbehalten sind.

Nach den Feststellungen war Dr. Maria Antonia L***** auch weder Kommanditistin der beiden Kommanditgesellschaften noch Miteigentümerin der beiden Liegenschaften. Damit ist der Rechtfertigung der Beklagten, als Verlassenschaftskuratorin im Verlassenschaftsverfahren nach Dr. Maria Antonia L***** andere Miteigentümer (= Anleger) vertreten zu haben, auch vom Sachverhalt her jede Grundlage entzogen.

Die Beklagte macht als weitere erhebliche Rechtsfrage geltend, dass sich das Rekursgericht über „rechtskräftige Entscheidungen der Finanzbehörden, des VwGH und des OGH" hinweggesetzt hätte. Sie verkennt damit, dass die Stellung von Dr. Maria Antonia L***** als Miteigentümerin der beiden Liegenschaften auch dann nicht für das Gericht bindend festgestellt wäre, wenn diese in Bescheiden der Finanzbehörden als Beteiligte aufscheint. Welcher Aussagewert der Anführung als Beteiligte zugemessen wird, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die in dritter Instanz nicht mehr überprüft werden kann.

War Dr. Maria Antonia L***** nicht Miteigentümerin der beiden Liegenschaften, so war die Beklagte unabhängig davon nicht zur Vertretung von Anlegern berechtigt, welche Aufgaben ihr als Verlassenschaftskuratorin übertragen worden sind. Sie ist durch das Verbot, den Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe vorbehaltene Dienstleistungen zu erbringen, auch in keiner Weise gehindert, ihre Pflichten als Verlassenschaftskuratorin zu erfüllen.

Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage schließlich noch geltend, es liege eine „mangelnde Beweiswürdigung der Tatsache vor, dass die Beklagte ihre Leistungen allein Anlegern anbot und somit der Vorwurf, sich einem unbestimmten Personenkreis angeboten zu haben, wegfällt, womit auch die Grundlage für diese Klage wegen Verstoßes gegen das UWG nicht mehr gegeben ist".

Die Beklagte geht auch insoweit von falschen Voraussetzungen aus. Sie hat Dienstleistungen erbracht, die den Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe vorbehalten sind und damit §§ 2 ff WBTG verletzt. Der ihr vorwerfbare, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs begangene Gesetzesverstoß begründet sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG, ohne dass es darauf ankäme, ob die Beklagte nur für bestimmte Anleger tätig geworden ist oder ihre Leistungen einem unbestimmten Personenkreis angeboten hat.

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