JudikaturOGH

2Ob135/03x – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz H*****, vertreten durch Mag. Dominik Maringer, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagten Parteien 1. Sonja Sch*****, und 2. D*****, beide vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und andere Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen (restlich) EUR 4.210,77 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 5. Februar 2003, GZ 22 R 31/03w 23, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Endurteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 4. Juni 2002, GZ 17 C 84/01k 19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes als Endurteil wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.022,72 (hierin enthalten EUR 73,29 USt und EUR 583, - Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens sowie die mit EUR 641,26 (hierin enthalten EUR 106,88 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist selbständiger Tischlermeister. Er erhielt im Oktober 1999 von einem Ehepaar aus Mondsee den Auftrag zur Fertigung einer Wohnzimmereinrichtung zum Preis von S 420.000, wegen des 50. Geburtstages des Auftraggebers spätestens fertigzustellen und zu montieren in der 24. Kalenderwoche des Jahres 2000 (12. bis 17. Juni).

Am 14. 4. 2000 erlitt der Kläger bei einem von der Erstbeklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall (Haftpflichtversicherer deren Fahrzeuges ist die zweitbeklagte Partei) ua Verbrennungen zweiten bis dritten Grades am Daumengelenk links sowie Prellungen der Fingergelenke links und des Handgelenkes und war deshalb für etwa fünf Wochen (bis einschließlich 21. 5. 2000) arbeitsunfähig.

Zum Zeitpunkt dieses Unfalles hatte der Kläger bereits sämtliche Vorbereitungs und Planungsarbeiten des oben genannten Auftrages, nämlich die Erstellung eines kompletten Einrichtungskonzeptes (einschließlich der dafür erforderlichen Kundengespräche), Anfertigen von Skizzen, Farb und Lichtberatung, Planung und Beratung nach Feng Shui Kriterien, Planentwurfszeichnungen und Detailausarbeiten, abgeschlossen und hätte somit mit der Fertigung beginnen und diese auch rechtzeitig beenden können. Auf Grund der Komplexität des Auftrages hätten die Tischlerarbeiten beinahe zur Gänze vom Kläger persönlich durchgeführt werden sollen, wozu dieser jedoch verletzungsbedingt nicht mehr in der Lage war. Ein Arbeitsbeginn erst nach vollständiger Genesung hätte einen Verzug von fünf Wochen und mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Überschreiten der mit dem Kunden vereinbarten Lieferfrist bedeutet.

Der Kläger vergab daher die Tischlerarbeiten an eine Fremdfirma in Oberweis. Lediglich die Montage erfolgte dann wiederum durch ihn selbst.

Mit der am 23. 2. 2001 eingebrachten Klage begehrte der Kläger den der genannten Firma geleisteten "Aufwand für Fremdarbeiten" in Höhe von S 130.000 samt 4 % Zinsen seit 5. 10. 2000. Die Fremdfirma habe für ihre erbrachten Leistungen netto S 170.690 in Rechnung gestellt; hievon lasse sich der Kläger die Materialkosten, welche zum Großteil auch ihm selbst entstanden wären, in Höhe von S 42.310 abziehen, jedoch ohne den verrechneten Gemeinkostenzuschlag, sodass er sich insgesamt S 40.690 anrechnen lasse.

Die beklagten Parteien anerkannten nach Vorliegen des Gutachtens eines Sachverständigen, der den "Ausfall" des Klägers und dessen "betrieblichen Schaden" mit S 72.058,60 exkl MWSt errechnet hatte diesen Betrag, worüber in der darauffolgenden Streitverhandlung vom 4. 6. 2002 ein (richtig: Teil )Anerkenntnisurteil in Höhe von nunmehr umgerechnet EUR 5.236,70 gefällt wurde. Darüber hinaus bestritten die Beklagten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach.

Das Erstgericht verurteilte die beklagten Parteien (mit Endurteil) zur ungeteilten Hand zur Zahlung auch des restlichen Betrages von EUR 4.210,77 samt 4 % Zinsen aus EUR 9.447,47 seit 5. 10. 2000. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass gemäß § 1325 ABGB ein selbständig Erwerbstätiger im Falle seiner Körperverletzung Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Ersatzkraft habe, wobei es keine Rolle spiele, ob seine Gewinneinbuße durch einen Umsatzrückgang oder durch zusätzliche konkrete Aufwendungen durch Beschäftigung einer solchen Ersatzkraft erfolgt sei.

Das Berufungsgericht gab der von den beklagten Parteien lediglich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung Folge und wies das über das Teilanerkenntnisurteil hinausgehende Mehrbegehren ab. Es sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht ging in seiner (vom Erstgericht abweichenden) rechtlichen Beurteilung davon aus, dass sich zwar der mit der Arbeitsunfähigkeit verbundene Schaden eines selbständig Erwerbstätigen entweder im eingetretenen Verdienstentgang (Gewinnentgang) oder in den Kosten aufgenommener Ersatzkräfte ausdrücken könne, wobei hiefür von ortsüblichen, angemessenen Lohnkosten auszugehen sei, und auch der Zuspruch bloß fiktiver Ersatzkraftkosten nur im Falle der Erbringung der Mehrleistungen durch Angehörige des Verletzten zulässig sei. Ansonsten sei hingegen stets auf den konkreten Verdienstentgang (verminderten Betriebsentgang) abzustellen und nicht auf irgendwelche Gewinnspannen eines von ihm beauftragten Subunternehmers. Der vom Kläger begehrte Ersatz an Aufwendungen für die Beiziehung der Drittfirma sei daher ebenfalls mit dem tatsächlich eingetretenen Verdienstentgang des Klägers zu begrenzen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil sich soweit überschaubar das Höchstgericht bislang noch nicht mit der wesentlichen Rechtsfrage befasst habe, ob der Anspruch eines selbständig Erwerbstätigen auf Ersatz der Kosten einer Ersatzkraft auch den von ihm getragenen Aufwand eines von ihm beauftragten Subunternehmers erfasse.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Stattgebung auch des restlichen Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien haben eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher sie primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels (wegen Unzulässigkeit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage) und hilfsweise beantragen, diesem keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass es sich bei den Ausführungen im Rechtsmittel, wonach das Gutachten des in erster Instanz beigezogenen Sachverständigen aus dem Tischlereigewerbe "nicht nachvollziehbar" sei und dessen Berechnungen "an der Realität vorbei" gingen, um Argumente der Beweiswürdigung handelt, welche in dritter Instanz jedoch nicht mehr bekämpft werden kann (§ 503 ZPO; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 503). Im Übrigen hat der Kläger nach entsprechender Aufforderung des Erstgerichtes diesem gegenüber ausdrücklich die Erklärung abgegeben, eine Ergänzung des Gutachtens (und damit einschließend auch eine ergänzende Befragung dieses Sachverständigen) nicht zu beantragen (ON 16).

Unstrittig ist, dass die beklagten Parteien für den von der Erstbeklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall dem Kläger gemäß § 1325 ABGB iVm § 13 Z 2 EKHG auch für dessen daraus resultierenden Vermögensnachteil, dass infolge der hiebei erlittenen schweren Handverletzung seine Erwerbsfähigkeit zeitweise aufgehoben war, zur ungeteilten Hand ersatzpflichtig sind. Es entspricht hiezu der ständigen Rechtsprechung, dass sich der Schaden, den ein selbständig Erwerbstätiger infolge eines Unfalles erleidet, entweder im eingetretenen Verdienstentgang oder in den Kosten aufgenommener Ersatzkräfte ausdrücken kann; es ist hiebei auch eine Kombination beider Gesichtspunkte denkbar, wenn also trotz der Aufnahme von Ersatzkräften ein geringerer Verdienst erzielt wurde, als wenn der Betriebsinhaber selbst tätig gewesen wäre (RIS Justiz RS0031002 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Im vorliegenden Fall begehrt nun der Kläger nicht - wie regelmäßig in den diesen Judikaten zugrundeliegenden Anlassfällen - die Kosten einer oder mehrerer in seinen Betrieb verletzungsbedingt aufgenommener Ersatzkräfte, sondern (ausschließlich) die Mehrkosten aus der verletzungsbedingten Weitergabe der termingebundenen Werkausführung an einen Subunternehmer. Der Kläger ist daher vermögensmäßig so zu stellen, als wäre es nicht zum Unfall (und damit zur Notwendigkeit dieser Weitergabe) gekommen (Herstellung einer Ersatzlage im Sinne einer Differenzrechnung: vgl Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 2/19). Nach den maßgeblichen Feststellungen hätte er - ohne den Unfall - S 420.000, - (EUR 30.522,59) an Werklohn eingenommen und (so der eigene unstrittige Abzug laut aufgeschlüsselter Klageforderung) S 40.690, - (EUR 2.957,06) für Material ausgegeben; tatsächlich hat er unverändert S 420.000, (EUR 30.522,59) eingenommen, aber S 170.690, - (EUR 12.404,53) ausgegeben. Die Ausgabendifferenz von S 130.000, - (EUR 9.447,47) ist sein Verdienstentgang und damit auch sein konkreter (positiver) Schaden, der auch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, und von welchem ihm bisher (laut Teilanerkenntnisurteil) nur S 72.058,60 (EUR 5.236,70) erstattet wurden. Der restliche Differenzbetrag von EUR 4.210,77 ist ihm daher - als Differenz zum vermögensmäßigen Gesamtschaden - zuzusprechen, ohne dass dieser Differenzbetrag auch noch um einen weiteren - in der Revisionsbeantwortung als "Rettungsaufwand" bezeichneten - Teil zu kürzen wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich ein Geschädigter zwar entsprechend der sich ua aus § 1304 ABGB ergebenden Schadensminderungspflicht verhalten, seinen Schaden möglichst gering zu halten, wenn und soweit ihm ein konkretes (jedoch unterlassenes) Verhalten zugemutet werden kann (RIS Justiz RS0109225 und RS0027173; ZVR 2000/51). Allerdings trifft die Behauptungs und Beweislast für eine solche Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Geschädigten den beklagten Schädiger (RIS Justiz RS0027129; 2 Ob 188/01p). Eine derartige Einwendung haben die beklagten Parteien im Verfahren erster Instanz nicht erhoben, sondern erstmals in ihrer Berufung (ON 20: "hätte eine günstigere Drittfirma zu beauftragen gehabt") und sich insoweit wiederholend auch in der Revisionsbeantwortung. Sie unterliegt daher dem Neuerungsverbot und muss demgemäß unbeachtlich bleiben. Gleiches hat aber auch für das hierauf schon in der Berufungsbeantwortung und nunmehr auch in der Revision enthaltene Erwiderungsvorbringen des Klägers zu gelten, wonach die (kurzfristige) Anstellung unselbständiger Tischler in seinem Betrieb "in der Praxis undurchführbar" sei, solche Kräfte saisonal nicht verfügbar gewesen seien bzw eine Einstellung in Ermangelung entsprechender Fachkräfte am Arbeitsmarkt auch "nicht ohne weiteres möglich" gewesen sei; ob dies zutrifft, kann demnach ebenso auf sich beruhen, wie der ebenfalls erstmals in der Berufungsbeantwortung (ON 21) relevierte Umstand, der Kläger habe ohnedies vor Beauftragung der konkreten Drittfirma andere (freilich kapazitätsmäßig ausgelastete und daher nicht zur Arbeitsübernahme bereite) Firmen kontaktiert, bzw das nunmehr in der Revision enthaltene Zugeständnis, "allenfalls hätte ihm sein Vater, Tischlermeister in Pension, helfen können". Aus allen diesen Gesichtspunkten hat daher eine Anspruchskürzung wegen Verletzung der Schadensminderungspflicht mangels entsprechender Einwendung in erster Instanz durch die hiefür behauptungs und beweispflichtigen beklagten Parteien nicht zu erfolgen.

In Stattgebung des Rechtsmittels des Klägers war daher das Ersturteil (im Hinblick auf das vorangegangene Teilanerkenntnisurteil) als Endurteil wiederherzustellen. Die Zinsenstaffel hinsichtlich der ohnedies bloß in gesetzlicher Höhe begehrten Zinsen bilde dabei im Revisionsverfahren keinen Streitpunkt mehr.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs und des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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