JudikaturOGH

11Os67/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Fellerer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Murat A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 29. November 2002, GZ 40 Hv 8/02p-41, weiters die Beschwerde des Erstgenannten gegen den gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Murat A***** - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung - des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und nach § 50 Abs 1 Z 1, Z 2 WaffG schuldig erkannt.

Danach hat er

1) am 16. Mai 2002 in Bregenz Sarah I***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt, indem er die sich wehrende Frau mit Körperkraft in den Autositz und mit einem Arm deren Arme nach oben drückte sowie dort mit seinem Unterarm fixierte, während er ihr mit der anderen Hand das T-Shirt sowie den BH über die Brust hinaufschob und ihr in der Folge mit Gewalt die Hose sowie den Slip bis zu den Knien hinunterzog, zur Duldung des Beischlafes genötigt;

2) am 22. Juni 2001 in Hard Angelika M***** durch die mittels SMS übermittelte Äußerung "Du bist todd" mit dem Tod gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen;

3) Angelika M***** vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

a) im Jänner 2001 in Bregenz, indem er sie zweimal gegen eine Wand warf und ihr eine Ohrfeige versetzte, wodurch sie Prellungen und Hämatome am Körper erlitt;

b) im Zeitraum Herbst 2000 bis Frühjahr 2001 in Hörbranz und Bregenz, indem er mit seinen Fingern deren Haut im Schambereich packte und anschließend eine Drehbewegung durchführte sowie durch das Versetzen von Schlägen gegen den Körper, wobei die Tat Hämatome und Rötungen zur Folge hatte;

c) am 23. November 2001 in Hörbranz, indem er sich mit seiner Schulter mit voller Kraft auf den Brustbereich der liegenden Frau warf, wobei die Tat einen Bruch des Brustbeines, mithin eine an sich schwere Verletzung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte;

4) wenn auch nur fahrlässig

a) im Zeitraum Sommer 2000 bis Sommer 2001 in Hörbranz und Bregenz unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, nämlich eine Pistole besessen und geführt;

b) im Zeitraum von 16. Februar bis 18. Dezember 2001 in Bregenz eine Pistole Modell Glock 17, Kaliber 9 mm sowie 1350 Stück Munition besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.

Der als Mängelrüge (Z 5, inhaltlich Z 3) erhobene Vorwurf, der Urteilsspruch zum Faktum 1) enthalte keine die vorgenommene Subsumtion tragenden "Feststellungen" zum tatsächlichen Vollzug des Geschlechtsverkehres, ist angesichts der Formulierung US 3 ("... zur Duldung des Beischlafes genötigt") unverständlich. Keinen Begründungsmangel im Sinne der Z 5 vermag der Beschwerdeführer zum Schuldspruchfaktum 3)b) mit einer schlichten Bestreitung seines Vorsatzes (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 4) sowie mit aktenwidrigen (vgl dazu S 145/II) Überlegungen zu den angeblich fehlenden Verletzungsfolgen und der bestrittenen, im Übrigen keine entscheidenden Tatsachen tangierenden Angst des Opfers darzutun (Mayerhofer aaO E 1).

Die auf Z 5a gestützten Darstellungen übersehen insgesamt, dass die Würdigung der Glaubhaftigkeit der aufgenommenen Beweise durch die Tatrichter in diesem Rahmen unanfechtbar ist. Die Tatsachenrüge könnte nur durchdringen, wenn die dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen auf der Außerachtlassung (konkret aufgezeigter) aktenkundiger Verfahrensergebnisse beruhten, die sich bei einer lebensnahen, der allgemeinen menschlichen Erfahrung entsprechenden Beurteilung mit dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt nicht in Einklang bringen lassen oder ein Vergleich der (in der Beschwerde genau bezeichneten) in den Akten niedergelegten Verfahrensergebnisse mit den Feststellungen schwerwiegende Bedenken gegen deren Richtigkeit weckt (Foregger/Fabrizy StPO8 § 281 Rz 49; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5a E 3, 4).

Der Rechtsmittelwerber greift indes durchgehend bloß die Beweiswürdigung nach Art einer dem kollegialgerichtlichen Verfahren fremden Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld an. So indem er unter Wiederholung seiner vom Erstgericht mit eingehender Begründung (US 14-17) verworfenen Einlassung behauptet, der Beischlaf mit Sarah I***** (Faktum 1) sei "aus seiner Sicht" freiwillig gewesen, und wäre das Wort "todd" nicht mit mehreren "d" geschrieben worden, hätte er Angelika M***** tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzen wollen (Faktum 2). Reine Hypothesen trägt der Nichtigkeitswerber zu den Fakten 3)a), 3)b) und 3)c) vor, indem er die - im Übrigen für Schuld- und Stafausspruch unerhebliche - Angst von M***** vor ihm in Frage stellt und den Verletzungshergang zum Faktum 3)c) anzweifelt; hinsichtlich der vermissten Verfahrensergebnisse über Verletzungen beim Faktum 3)a) ist er auf die Zeugenaussagen M***** (S 137, 215, 297/I [blaue Flecken] und Andrea Ma***** S 199/I) zu verweisen. Schließlich gelingt es der Verteidigung auch zu den Schuldsprüchen nach dem Waffengesetz in keiner Weise, aus den Akten irgendwelche Bedenken gegen deren Richtigkeit zu erwecken: In freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) und unter realistischer Zugrundelegung der Erfahrungen des täglichen Lebens (11 Os 62/01 = EvBl 2002/10) folgten die Tatrichter den belastenden Angaben der Zeugin M***** (S 143/2, 227/III), zumal der Angeklagte - entgegen seinem bloß das Vorliegen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe bestreitenden Rechtsmittelvorbringen - immer geleugnet hatte, überhaupt eine Pistole (sohin auch eine für das Verfeuern von bloßen Platzpatronen geeignete) besessen zu haben (S 159b/I, 169, 233/III). Zur "Meinung" des Nichtigkeitswerbers, er habe nicht geglaubt, bei Schießübungen gegen das über ihn verhängte Waffenverbot (vgl S 59, 67/III) zu verstoßen, genügt der Hinweis auf § 6 WaffG, wonach die bloße Innehabung einer Waffe deren Besitz gleichgehalten wird. Der Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruchfaktum 2) gebricht es mit der bloßen Behauptung, die verwendete Wortfolge sei schon nach objektiven Gesichtspunkten nicht geeignet, einen Dritten in Furcht und Unruhe um sein Leben zu versetzen, an der für die prozessordnungsgemäße Geltendmachung materiell-rechtlicher Nichtigkeit unabdingbaren methodisch vertretbar begründeten Ableitung des angeblichen Rechtsfehlers aus dem Gesetz (Ratz, WK-StPO Rz 588, 589).

Teils zufolge nichtgesetzmäßiger Bezeichnung, im Übrigen jedoch als offenbar unbegründet (§§ 285d Abs 1 Z 1, Z 2, 285a Z 2 StPO) war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der Berufungen des Angeklagten wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche und der Staatsanwaltschaft wegen Strafe sowie die Beschwerde des Erstgenannten gegen den Widerrufsbeschluss folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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