JudikaturOGH

10Ob20/03v – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Dagmar A*****, Ärztin, *****, vertreten durch Dr. Dieter Huainigg und Mag. Gunter R. Huainigg, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei L*****-Betriebsgesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch M.B.L.-HSG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Klagenfurt, wegen 34.882,96 EUR sA und Feststellung (1.453,46 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2003, GZ 2 R 206/02k-60, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zur Erleichterung einer Entbindung wurde am 10. 2. 1998 bei der Klägerin ein Dammschnitt vorgenommen, der nach der Entbindung vernäht wurde. Die Klägerin bekam in der Folge eine Fistel zwischen Damm und Mastdarm (Rectoperinealfistel), die erst nach mehreren Operationen - unter anderem wurde für mehrere Monate ein künstlicher Darmausgang angelegt - geheilt werden konnte.

Aufgrund dieser Fistel hatte die Klägerin aus geburtshilflicher Sicht vom 10. 2. bis 22. 2. 1998 und aus Anlass der Kaiserschnittentbindung im August 2000 insgesamt zwei Tage starke, fünf Tage mittelstarke und drei Tage leichte Schmerzen zu erdulden. Der künstliche Darmausgang und das sechs Monate dauernde Unvermögen zum Geschlechtsverkehr bedingten psychische Beeinträchtigungen, die für die Zeit vom 10. 2. 1998 bis November 1999 (letzte Regelblutung vor der zweiten Schwangerschaft) mit sieben Tagen leichten Schmerzen, komprimiert auf den 24-Stunden-Tag, eingeschätzt werden können.

Aus chirurgischer Sicht werden die Schmerzen in der Zeit vom 23. 2. 1998 bis zur Kaiserschnittentbindung im August 2000 beurteilt. Es handelt sich um die fistelbedingten Schmerzen, die Schmerzen infolge der vier Fisteloperationen und der Rückoperation des künstlichen Darmausgangs und Schmerzen aus Verwachsungen in der Bauchhöhle. Diese Schmerzen überschneiden sich nicht mit den gynäkologisch zu beurteilenden Schmerzen. Komprimiert auf den 24-Stunden-Tag hatte die Klägerin aus chirurgischer Sicht 13 Tage starke, 28 Tage mittelstarke und 93 Tage leichte Schmerzen zu erdulden.

Das Erstgericht sprach der Klägerin das von ihr begehrte Schmerzengeld in Höhe von 400.000 S (29.069,13 EUR) zu. Dieser Betrag sei gerechtfertigt durch die rein körperlichen Schmerzen aufgrund der Rektoperinealfistel und der zu ihrer Behebung erforderlichen operativen Folgen, die beträchtlichen Unannehmlichkeiten des künstlichen Darmausgangs, die Unmöglichkeit des Intimverkehrs für die Dauer von zumindest sieben Monaten, die in Form von Narben am Bauch nach Kaiserschnitt und künstlichen Darmausgang, Verdünnung des Afterschließmuskels und des Ausschlusses künftiger vaginaler Geburten (bei sonstiger Gefahr des Zerreißens der Vernarbungen im Dammbereich) bestehenden Dauerfolgen, den Entgang an Lebensfreude nach der Geburt am 10. 2. 1998 bis nach der Rückoperation des künstlichen Darmausgangs und die mit all dem verbundenen seelischen Schmerzen. Das Berufungsgericht bestätigte den Schmerzengeldzuspruch. Bei ausreichender Beachtung der psychischen Alteration könne keine Rede davon sein, dass ein Zuspruch von 10.900 EUR angemessen wäre. Allein die körperlichen Schmerzen rechtfertigten schon ein Schmerzengeld von rund 19.000 EUR.

Die beklagte Partei erachtet die Revision für zulässig, da sich bei der Bemessung des Schmerzengeldes für die körperlichen Schmerzen, ausgehend vom Schmerzengeldkatalog, ein - schon an der oberen Grenze befindlicher - Schmerzengeldbetrag von 17.700 EUR errechne; dazu sei zur Abgeltung der psychischen Alteration der Klägerin das Schmerzengeld nicht - wie es der bisherigen Judikatur entsprochen hätte - um höchstens 50 %, sondern um 64 % erhöht worden.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Bemessung des Schmerzengeldes ist einerseits auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, andererseits zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0031075 [T1]). Dabei sind auch psychische Schmerzen zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0031052). Tendenziell ist es geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen (RIS-Justiz RS0031075 [T4]).

Geht das Berufungsgericht - wie hier - bei der Prüfung der Berechtigung des begehrten Schmerzengeldes von den nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Umständen aus, so handelt es sich bei dessen Ausmessung um einen Einzelfall, dem keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042887).

Da keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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