JudikaturOGH

10ObS140/03s – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Herbert Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Konrad L*****, EDV Techniker, *****, vertreten durch Mag. Gerhard Bauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Dezember 2002, GZ 8 Rs 336/02v 49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14. März 2002, GZ 32 Cgs 161/00a 43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen. Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Eingangs ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF der 59. ASVGNov BGBl I 2002/1).

Der am 4. 10. 1964 geborene Kläger hat ein Informatikstudium absolviert und zuletzt die Tätigkeit eines Informatikers bzw EDV Technikers ausgeübt. Informatiker beschäftigen sich mit allen Aspekten der Erfassung, Übertragung, Berechnung, Darstellung, Auswertung und Aufbewahrung von Daten, den dafür notwendigen Maschinen und Anlagen sowie den erforderlichen wissenschaftlichen Grundlagen. Informatiker sind hauptsächlich in Datenverarbeitungsfirmen, Produktions- und Dienstleistungsunternehmen sowie in Forschungseinrichtungen tätig. Grundsätzlich ist Bildschirmarbeit berufstypisch. Selbständige Aufgabenerledigung im Rahmen der jeweiligen Zielvorgaben wird vorausgesetzt. Sowohl Einzel- als auch Teamarbeit sind üblich. Teilweise kommt es zu Kundenkontakten (zB Beratungstätigkeit). Teilweises Arbeiten unter Zeitdruck sowie unter Absolvierung von Überstunden ist nicht auszuschließen.

Zu solchen EDV Berufen führt eine Vielzahl von Ausbildungswegen, wie etwa die Studienrichtungen Informatik, Wirtschaftsinformatik, Elektrotechnik, aber auch Fachhochschulstudiengänge wie Software Engineering, Elektronik, Industrielle Elektronik etc.

Die auszuführenden Tätigkeiten stellen sich als leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen dar, wobei Zwangshaltungen vermieden werden können. Kurzzeitig sind Arbeiten im Stehen und Gehen zu verrichten. Arbeiten über Kopf und Arbeiten in ständiger Nässe und Kälte kommen nicht vor.

Der Kläger ist noch in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen sowie kurzzeitig im Gehen und Stehen zu verrichten, wobei sitzende Tätigkeit durch einen Lagewechsel in Form eines kurzzeitigen Aufstehens und Gehens von ein paar Schritten zwei bis drei Mal pro Arbeitshalbtag zu unterbrechen ist. Arbeiten in ständiger Nässe und Kälte, Zwangshaltungen sowie Arbeiten über Kopf sind zu vermeiden. Der Kläger kann alle geistigen Arbeiten bei jeglichem Zeitdruck ausüben. Bildschirmarbeiten sind nicht ausgeschlossen.

Mit diesem Leistungskalkül kann der Kläger Tätigkeiten als Informatiker und verwandte sowie spezialisierte Tätigkeiten weiterhin verrichten.

Mit Bescheid vom 17. 5. 2000 hat die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Antrag des Klägers vom 30. 9. 1999 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension abgelehnt.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene, auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab 1. 10. 1999 gerichtete Klage ab. Berufsunfähigkeit liege nicht vor, da der Kläger seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Informatiker weiterhin ausüben könne. Ein zu erwartender Krankenstand von zwei bis drei Wochen pro Jahr schließe den Kläger nicht vom Arbeitsmarkt aus.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht, in eventu an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber sieht den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO dadurch verwirklicht, dass sich das Berufungsgericht unrichtigerweise auf die Beweisergebnisse des erstinstanzlichen Urteils berufen habe, ohne auf die beim Kläger bestehende Depression einzugehen.

Das Erstgericht hat ein neurologisch psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt (ON 9), das nach Erstattung eines arbeitspsychologischen Gutachten (ON 10) ergänzt (ON 11) und erörtert (ON 15, 32) wurde. Der neurologisch psychiatrische Sachverständige konnte das vom Kläger geschilderte Burn out Syndrom sowie die behauptete endogene Depression nicht objektivieren. Das Berufungsgericht hat sich mit der in der Berufung enthaltenen Rüge, die schwere Depression und das Burn out Syndrom seien zu Unrecht unberücksichtigt geblieben, auseinandersetzt und insbesondere darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass ein Sachverständiger nicht zu dem vom Pensionswerber angestrebten Ergebnis komme, das Gericht nicht zur Beiziehung eines weiteren medizinischen Sachverständigen desselben Fachgebiets verpflichte.

Auf dieser Grundlage ist nicht erkennbar, wodurch dem Kläger die Möglichkeit genommen worden sein soll, vor Gericht zu verhandeln. Die behauptete Nichtigkeit (allenfalls Mangelhaftigkeit) des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Soweit die Revision Nichtigkeit geltend macht, ist sie mit Beschluss zurückzuweisen.

Den vom Kläger neuerlich gerügten Mangel des Verfahrens erster Instanz (Nichteinholung des in ON 23 beantragten Gutachtens aus dem Bereich der Arbeitsmedizin) hat bereits das Berufungsgericht mit dem Hinweis darauf verneint, dass evident sei, dass Bildschirmarbeiten nicht in Zwangshaltung verrichtet werden müssen. Ein in der Revision wiederholter Verfahrensmangel erster Instanz kann nach ständiger Rechtsprechung auch in Verfahren nach dem ASGG im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg gerügt werden ( Kodek in Rechberger 2 Rz 3 Abs 2 zu § 503 ZPO; SSV NF 5/116, 7/74, 11/15 ua; RIS Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061). Abgesehen davon, dass die Erheblichkeit des Verfahrensmangels auch in der Revision nicht aufgezeigt wird (RIS Justiz RS0037325 [T4]; 10 ObS 233/02s), resultiert die Feststellung oder Nichtfeststellung bestimmter Tatsachen auch aufgrund von Offenkundigkeit aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (RIS Justiz RS0043061 [T11]).

Eine Rechtsrüge wird in der Revision nicht ausgeführt.

Da die Vorinstanzen zu Recht die Voraussetzungen für die Erlangung einer Berufsunfähigkeitspension verneint haben, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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