13Os9/03 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Ratz, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hietler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sid Ali G***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§ 270 Abs 1) StGB und einer weiteren Straftat über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 14. Oktober 2002, GZ 12 Hv 115/02a-40, und die Beschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen gleichzeitig gefasste Beschlüsse (§ 494a StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftig gewordenen Freispruch des Sid Ali G***** enthaltenden Urteil wurde dieser des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§ 270 Abs 1) StGB (1.) und des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 14 Abs 1, 302 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt.
Danach hat er in Bruck an der Mur
(zu 1.) sich am 20. November 2001, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand den Gendarmeriebeamten Rev.-Insp. Christian F***** dadurch, dass er ihn an der Uniformjacke erfasste und hin- und herzog, während einer Amtshandlung tätlich angegriffen, mithin eine strafbare Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen des tätlichen Angriffes auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB zugerechnet würde; (zu 2.) am 29. November 2001 den Gendarmeriebeamten Gr.-Insp. Klaus O***** "dazu zu bestimmen versucht, mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem konkreten Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu missbrauchen", indem er ihn aufforderte, eine Anzeigeerstattung wegen der im Schuldspruch zu 1. und im Freispruch angeführten Sachverhalte pflichtwidrig zu unterlassen, wofür er ihm eine namhafte Spende an die Österreichische Krebshilfe in Aussicht stellte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 5a sowie 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche jedoch nicht berechtigt ist.
Die Verfahrensrüge wendet sich vorerst gegen die Abweisung des vom Verteidiger beantragten Lokalaugenscheins. Der Antrag war schon deshalb nicht durchzuführen, weil dazu kein Beweisthema genannt wurde (s S 339) und dessen Nachholung im Rechtsmittel verspätet ist (Z 4). Die Beschwerde kritisiert weiters die Nichtzulassung der Frage des Verteidigers, ob der (den Angeklagten belastende) Zeuge Christian F***** und dieser "einmal eine gemeinsame Freundin gehabt haben und ob er ihm einmal eine Freundin abgespannt habe" sowie "ob es sich hiebei um Frau T***** handelt" durch den Vorsitzenden und die Ablehnung des Begehrens des Verteidigers, hierüber ein Senatsbeschluss zu fassen.
Zuzugestehen ist der Rüge, dass die Verweigerung eines Zwischenerkenntnisses durch das Schöffengericht einen Verstoß gegen den klaren Wortlaut des § 238 Abs 1 StPO darstellt, wonach der Gerichtshof sofort (ua) darüber zu entscheiden hat, wenn der Vorsitzende dem unbestrittenen Antrag einer Partei nicht stattzugeben findet. Da fallbezogen die Nichtentscheidung einem unter Verletzung der Begründungspflicht gefällten ablehnenden Zwischenerkenntnis gleich kommt, ist die Beschwerde zwar legitimiert, indes nicht berechtigt. Denn abgesehen davon, dass die Fragestellung auf die Führung eines unzulässigen Erkundungsbeweises über die Gläubwürdigkeit eines Zeugen abzielte, war die Fragestellung nach Lage des Falles von vornherein nicht geeignet, Erhebliches zur Klärung entscheidender Tatsachen beizutragen. Die aus Z 3 nicht mit Nichtigkeit bedrohte Verletzung des § 238 Abs 1 StPO hat sich daher auch aus der Sicht der Verweigerung der Beweisführung nicht als nichtigkeitsbegründend im Sinne der Z 4 erwiesen.
Im Übrigen ist aus dem Dargelegten auch zu ersehen, dass die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO). Die Mängelrüge (Z 5) behauptet zum (so gar nicht gefällten) Schuldspruch nach § 270 Abs 1 StGB, dass dieser mit der Feststellung, der Angeklagte sei nicht mehr im Stande gewesen, das Unrecht seiner Tat einzusehen, in Widerspruch stehe.
Dieser - nominell auch unter Z 9 lit b - erhobene Einwand verwechselt die Fähigkeit, etwas (hier: die Amtshandlung) mit den Sinnen aufzunehmen und einen Willen zu bilden (den jeder strafrechtlich Handlungsfähige, demnach auch ein Volltrunkener haben kann, Steininger WK2 § 287 Rz 26) mit der Fähigkeit, diesen Willen verantwortlich an den Rechtsnormen auszurichten.
Soweit die Beschwerde behauptet, der Angeklagte sei "nur wegen eines Missverständnisses" verurteilt worden, weil er sich bei seiner Vorsprache am 26. November 2001 beim Gendarmerieposten Bruck an der Mur bloß für sein aggressives Verhalten am 20. November 2001 habe entschuldigen wollen, was der Zeuge O***** irrig als versuchte Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt verstanden hätte, reicht der Hinweis, dass der Schuldspruch nicht im Zusammenhang mit einem Verhalten des Angeklagten am 26. November 2001 erfolgte, sondern wegen der am 29. November 2001 versuchten Bestimmung zum Amtsmissbrauch (Urteilsspruch 2. iVm US 8). Die Beschwerde richtet sich demnach gegen einen gar nicht ergangenen Schuldspruch. Die Tatsachenrüge (Z 5a) sucht nicht, erhebliche sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der die Schuldsprüche stützenden Feststellungen entscheidender Tatsachen zu erwecken, sondern nach Art einer Schuldberufung, demnach unzulässig, die tatrichterliche Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen und solcherart der insbesondere die jeweils subjektive Tatseite in Abrede stellenden Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entbehrt einer prozessordnungsgemäßen Ausführung, weil sie sich nicht am Urteilssachverhalt orientiert, diesen vielmehr ignoriert, teils sogar ausdrücklich bestreitet und die mangelnde "Aufklärung des Liebesverhältnisses des Insp. F***** und der Frau T*****" (siehe dazu die Erledigung zu Z 4) moniert. Schließlich lässt die Beschwerdebehauptung, zu Faktum 2. liege ein "völlig untauglicher" Versuch vor, Ableitung aus dem Gesetz vermissen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nicht öffentlichen Beratung zurückzuweisen, sodass über die Berufungen und die Beschwerden das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden hat (§§ 285d, 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.