JudikaturOGH

6Ob118/02z – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Januar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Amalia P*****, vertreten durch Dr. Josef Neier, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Helga E*****, vertreten durch Dr. Bernd Oberhofer und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 10.755,58 EUR sA (Revisionsinteresse 10.028,85 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2002, GZ 3 R 124/01m-83, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. März 2001, GZ 10 Cg 98/98x-69, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin kaufte im Jänner 1998 von der Beklagten ein neues zweisitziges, vierrädriges Leichtkraftfahrzeug eines italienischen Herstellers zum Preis von 148.000 S. Vereinbart wurde, dass das Fahrzeug nicht mit dem serienmäßigen Motor mit einem Hubraum von 50 cm³, sondern mit einem Motor mit einem Hubraum von zumindest 70 cm³ ausgerüstet und geliefert wird. Am 14. 2. 1998 übernahm die Klägerin das mit einem 70 cm³ Motor samt dazupassender Auspuffanlage ausgerüstete Fahrzeug. Die Leermasse des Fahrzeugs beträgt 365 kg, sein Eigengewicht 374,5 kg und sein Höchstgewicht (das vom Erzeuger angegebene höchste technisch mögliche Gesamtgewicht) 500 kg. Durch sinnvolle technische Maßnahmen ließe sich das Eigengewicht nur um rund 7 kg verringern. Zur Reduzierung der Leermasse um 15 kg wären grundlegende konstruktive Veränderungen am Fahrzeug notwendig, welche einem Neubau nahekämen.

Die Klägerin begehrte die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs, weil dieses mit wesentlichen, unbehebbaren Mängeln behaftet sei.

Das Erstgericht gab der Klage teilweise mit dem Begehren auf Zahlung von 138.000 S samt Anhang Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeuges statt und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von 10.000 S sA und weiterer Zinsen ab. Im klagsabweisenden Teil blieb das Ersturteil unbekämpft. Das Erstgericht führte aus, die Klägerin begehre wegen wesentlicher, unbehebbarer Mängel zu Recht die Aufhebung des Kaufvertrags und Rückzahlung des Kaufpreises. Da sie mit dem Fahrzeug 2.044 km gefahren sei, müsse sie sich jedoch ein von der Beklagten zu Recht geltend gemachtes Benützungsentgelt, welches unter Anwendung des § 273 ZPO mit 10.000 S festgesetzt werde, anrechnen lassen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob und allenfalls welche Toleranzen hinsichtlich der "zur Beurteilung solcher Fahrzeuge maßgeblichen Gewichte als zulässig unterstellt werden können", fehle.

Soweit dies für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist, führte das Berufungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, das Fahrzeug sei als zweisitziges Fahrzeug vereinbart und auch als solches geliefert worden. Seine Verwendbarkeit als zweisitziges Fahrzeug sei daher als ausdrücklich bedungen zu unterstellen. Eine zweisitzige Verwendung des Fahrzeugs erfordere aber eine Eignung der Sache für eine Nutzlast von zumindest 150 kg, zumal pro Person (in Anlehnung etwa an Punkt 1.7 des Anhangs der Richtlinie 93/93 EWG des Rates vom 29. 10. 1993) ein Durchschnittsgewicht von 75 kg anzunehmen sei. Die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Fahrzeugs technisch mögliche Nutzlast ergebe sich aus der Differenz zwischen dem vom Erzeuger angegebenen höchsten technisch möglichen Gesamtgewicht des Fahrzeugs (Höchstgewicht, § 2 Abs 1 Z 32a KFG 1967) und dem Eigengewicht im Sinn des § 2 Abs 1 Z 31 KFG 1967. Da das Fahrzeug ein Eigengewicht von 374,5 kg habe, wäre bei Unterstellung eines sogenannten Normgewichtes von 150 kg für zwei Personen ein Höchstgewicht von 524,5 kg erforderlich. Auch wenn dieser Wert das festgestellte Höchstgewicht von 500 kg nur um rund 5 % übersteige, erscheine der Fehlbetrag von 24,5 kg als durchaus wesentlich, weil bereits das Leistungsgewicht des Fahrzeugs in serienmäßiger Ausführung ungewöhnlich hoch sei und derartige Fahrzeuge erfahrungsgemäß an der oberen Leistungsgrenze betrieben würden, sodass jedes zusätzliche Gewicht tunlichst zu vermeiden sei. Das Fahrzeug sei daher für den als wesentlich bedungenen zweisitzigen Gebrauch nicht geeignet. Da dieser Mangel, der den ordentlichen Gebrauch des Fahrzeugs verhindere, wesentlich und unbehebbar sei, habe die Klägerin zu Recht die Aufhebung des Kaufvertrags und die Rückzahlung des Kaufpreises (Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs) begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Revisionswerberin legt in ihrem Rechtsmittel gar nicht begründet dar, dass das Berufungsgericht aufgrund des festgestellten Sachverhalts das Wandlungsbegehren der Klägerin zu Unrecht bejahte. Sie behauptet nur rechtliche Feststellungsmängel. Aus den Ausführungen des Sachverständigen in der Berufungsverhandlung, mit gewisser Wahrscheinlichkeit seien der Antriebsstrang und die Befestigung des Fahrzeugs technisch auch für einen 70 cm³ Motor geeignet, sei nämlich zu folgern, dass das Fahrzeug auch dann einwandfrei funktioniere, wenn es mit zwei Personen besetzt sei und damit das Höchstgewicht von 500 kg um 24,5 kg überschritten werden sollte. Der Sachverständige habe auch ausgeführt, bei einer Erhöhung des Höchstgewichts seien die erhöhten Abgaswerte nur in Bezug auf den Umweltschutz von Belang, von technischer Seite wirke sich die Erhöhung des Höchstgewichts im Abgasbereich nicht aus, und die üblicherweise zu bewältigenden Steigungen könnten vom Fahrzeug ohne Probleme gemeistert werden. Die entsprechenden Feststellungen, die zu einer Verneinung eines Mangels, jedenfalls aber seiner Wesentlichkeit führten, habe das Berufungsgericht nicht getroffen. Mit diesen Ausführungen zeigt die Revisionswerberin keinen Rechtsirrtum des Berufungsgerichts auf, sondern bekämpft in Wahrheit die nicht revisible Würdigung des vom Berufungsgericht in Verfahrensergänzung eingeholten Sachverständigengutachtens, traf es doch im Rahmen dieser Beweiswürdigung - gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen - die Feststellung, dass jedes zusätzliche Gewicht eines derartigen Fahrzeugs seinen ordentlichen Gebrauch gefährdet.

Das Berufungsgericht ist in seiner rechtlichen Beurteilung, die Eignung des Fahrzeugs für den Transport von zwei Personen sei als wesentliche bedungene Eigenschaft im Sinn der §§ 922, 923 ABGB (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Änderung durch das GewRÄG BGBl I 2001/48) zu qualifizieren, für deren Fehlen die beklagte Partei Gewähr zu leisten habe (Wandlung gemäß § 932 ABGB idF vor GewRÄG), und in der Bejahung der Voraussetzungen des Wandlungsanspruchs (Unbehebbarkeit und Wesentlichkeit des Mangels) nicht von den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung abgewichen (vgl Reischauer in Rummel, ABGB³ §§ 922, 923 Rz 4, § 932 Rz 1 und 2 jeweils mit Darstellung der Rechtsprechung). Steht fest, dass jedes zusätzliche Gewicht über dem Höchstgewicht von 500 kg den ordentlichen Gebrauch des Fahrzeugs gefährdet und das Höchstgewicht beim Transport von zwei Personen schon mit einem Normgewicht um 24,5 kg überschritten wird, so stellt sich die Frage, ob und allenfalls welche Gewichtstoleranzen zulässig sind, nicht. Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen ist dem Berufungsgericht, welches das Vorliegen eines unbehebbaren, wesentlichen Mangels bejahte, auch keine auffallende Fehlbeurteilung im Einzelfall vorzuwerfen. Die Revisionswerberin macht noch geltend, die Vorinstanzen hätten dem Begriff "Eigengewicht" einen unrichtigen rechtlichen Inhalt unterstellt. Eigengewicht eines Fahrzeugs sei eigentlich das Gewicht eines Fahrzeugs, das lediglich jene Elemente enthalte, die für einen Betrieb wesentlich seien. So hätte das Fahrzeug nicht mit Windschutzscheibe, mit Innenverkleidung, mit Lack und mit Nummerntafeln etc gewogen werden dürfen. Diese Auffassung ist mit der von den Vorinstanzen zugrunde gelegten maßgeblichen Definition des Begriffs "Eigengewicht" in § 2 Abs 1 Z 31 KFG 1967 unvereinbar. Nach dieser Gesetzesstelle ist Eigengewicht das Gewicht eines vollständig ausgestatteten, betriebsbereiten, auf waagrechter, ebener Fahrbahn stehenden Fahrzeugs ohne Ladung, bei Kraftfahrzeugen einschließlich des vollgefüllten Kraftstoffbehälters oder der als Kraftquelle bestimmten Akkumulatorenbatterie.

Die Revision war daher zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Der klagenden Partei konnten für die Revisionsbeantwortung keine Kosten zugesprochen werden, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat (§§ 40 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO).

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