JudikaturOGH

4Ob36/02a – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 29. März 1988 geborenen mj. Phillip D*****, vertreten durch die Mutter Mag. Daniela D*****, diese vertreten durch Dr. Peter Zawodsky, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gunther P*****, vertreten durch Dr. Klaus Estl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 20. Dezember 2001, GZ 21 R 365/01z-38, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 5. Oktober 2001, GZ 21 P 19/00h-35, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im übrigen Umfang als unbekämpft unberührt bleiben, werden im Abspruch über den Antrag auf rückwirkende Unterhaltserhöhung aufgehoben. In diesem Umfang wird dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der mj. Phillip D***** ist der uneheliche Sohn von Mag. Daniela D***** und Gunther P*****, der die Vaterschaft am 13. 4. 1988 anerkannt hat. Die Obsorge kommt der Mutter allein zu (§ 166 ABGB). Der Vater war seit 1997 bis 1. 2. 2000 bei einem Unternehmen in Anthering mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 24.885 S zuzüglich zweier Sonderzahlungen berufstätig. Im September 1998 erhielt er eine Abfertigungszahlung von 287.026 S netto. Vom 1. 2. 2000 bis 28. 8. 2000 bezog er Arbeitslosengeld einschließlich eines Familienzuschlags für den mj. Phillip von 510,60 S täglich. Dieser Leistungsbezug des Arbeitsmarktservices Salzburg wurde ab 29. 8. 2000 wegen Abreise des Vaters ins Ausland eingestellt. Seit 13. 11. 2000 ist der Vater in einer OEG mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt und verdient dort monatlich netto 8.658 S, dies 14-mal jährlich. Außer für den mj. Phillip trifft ihn keine weitere Sorgepflicht.

Der minderjährige Phillip, der auch in psychotherapeutischer Behandlung steht (deren Kosten von der Mutter als Sonderbedarf geltend gemacht wurden, über deren Antrag die Vorinstanzen rechtskräftig entschieden haben), wird im Haushalt der Mutter betreut.

Der Vater wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 29. 3. 2000 ab 1. 3. 2000 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 3.200 S verpflichtet. Am 13. 4. 2000 beantragte der Minderjährige die rückwirkende Erhöhung der monatlichen Unterhaltsleistung des Vaters vom 1. 5. 1997 bis 1. 2. 2000 auf 5.000 S.

Der Vater sprach sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, zum rückwirkenden Unterhalt des Minderjährigen vom 1. 5. 1997 bis 31. 1. 2000 insgesamt 46.200 S (das sind monatlich 5.000 S abzüglich bereits geleisteter Unterhaltszahlungen von monatlich 3.600 S) zu zahlen. Unter Einbeziehung der auf insgesamt drei Jahre aufzuteilenden Sonderzahlung habe sich das monatliche Nettoeinkommen des Vaters ab 1. 10. 1998 jeweils um 7.972,94 S erhöht. Damit sei der Vater in der Lage, den begehrten rückwirkenden Unterhalt für den Mj zu zahlen. Der festgesetzte Unterhaltsbetrag liege zwar über dem Durchschnittsbedarf von gleichaltrigen Kindern, jedoch noch unter dem (von der Rechtsprechung angewandten) Prozentsatz. Der Minderjährige habe das Recht, an den guten wirtschaftlichen Verhältnissen des Vaters in diesem Zeitraum entsprechend teilzuhaben.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte weiters aus, der Argumentation des Vaters, in Anknüpfung an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, sei die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe teilweise auf den Unterhaltsanspruch des Minderjährigen anzurechnen, sei nicht zu folgen. Es erscheine schon im Ansatz verfehlt, steuerrechtliche Entlastungseffekte mit den Mitteln des Unterhaltsrechts zu Lasten des Kindes herbeiführen zu wollen, zumal "als eigene Einkünfte" im Sinne des § 140 Abs 3 ABGB grundsätzlich nur das angesehen werden könne, was dem Kind - sei es als Naturalleistung, etwa aufgrund eines Nießbrauchs oder an Geldleistungen, welcher Art immer - aufgrund eines eigenen Rechtstitels zukomme; es werde in der Diskussion zu den zitierten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs (vgl VfGH B 1340/00), soweit diese für das Rekursgericht überblickbar sei, gar nicht behauptet, dass die Familienbeihilfe dem Kind kraft eigenen Rechts zustünde. Das unterhaltsberechtigte Kind könne folgerichtig auch die Herausgabe der Familienbeihilfe nicht verlangen. Aufgrund dieser Rechtslage scheine die Bestimmung des § 12a FLAG im Gegensatz etwa zur Rechtslage bei der einen eigenen Anspruch des Kindes bildenden Studienbeihilfe, die kraft Gesetzes kein den Unterhaltsanspruch minderndes Eigeneinkommen des unterhaltsberechtigten Kindes sei (§ 1 Abs 4 StudFG), bloß deklarativ zu sein, weil es einer ausdrücklichen Nichtanrechnungsvorschrift auf den Kindesunterhalt im Hinblick auf § 140 Abs 3 ABGB wohl nur bedurft hätte, wenn die Familienbeihilfe als eigener Anspruch des Kindes anzusehen wäre. Das Rekursgericht sehe weiterhin keine Veranlassung dafür, die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe für den Minderjährigen auf dessen Unterhaltsanspruch auch nur teilweise anzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters. Er ficht die Entscheidung insoweit an, als dem Antrag auf rückwirkende Unterhaltserhöhung stattgegeben wurde. Er macht geltend, dass die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe - wie nach der deutschen Rechtslage und Judikatur - zumindest zur Hälfte auf den Kindesunterhalt anzurechnen sei, wie dies im Grunde auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, zu erkennen gegeben habe.

Der Oberste Gerichtshof hat gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) aus Anlass bei ihm anhängiger Revisionrekurse beim Verfassungsgerichtshof beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002, G 7/02 ua, hat der Verfassungsgerichtshof in § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der Verfassungsgerichtshof hat seine schon im Erkenntnis von 27. 6. 2001, B 1285/00, vertretene Auffassung bekräftigt, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhalts- und Kinderabsetzbetrag), sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu dienen habe. Bei verfassungskonformer Auslegung der hier maßgeblichen Rechtslage ist damit bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Familienbeihilfe nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Nach den Berechnungsmodellen des Verfassungsgerichtshofs muss der Geldunterhaltspflichtige für die Hälfte des von ihm gezahlten (zu zahlenden) Unterhalts steuerlich entlastet werden. Die Einkommenssteuer beträgt nach § 33 Abs 1 EStG für die ersten 3.640 EUR 0 %, für die nächsten 3.630 EUR 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 %, für die nächsten 29.070 EUR 41 % und für alle weiteren Beträge des Einkommens 50 %. Dabei ist der jeweilige Steuersatz gemäß § 33 Abs 1 EStG maßgebend, der jedoch jeweils um etwa 20 % abzusenken ist, weil das Einkommen typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte umfasst und die steuerliche Entlastung die Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltspflichtigen erhöht. Beim Grenzsteuersatz von 50 % gelangt man damit zu einem abgesenkten Steuersatz von 40 %, beim Steuersatz von 41 % zu einem solchen von 33 %, beim Steuersatz von 31 % zu einem solchen von 25 % usw (so schon 4 Ob 52/02d). Der sich auf diese Weise ergebende abgesenkte Steuersatz ist nun mit dem halben Unterhaltsbetrag zu multiplizieren; um den sich daraus ergebenden Betrag ist der Geldunterhaltspflichtige steuerlich zu entlasten. Bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung ist darauf Bedacht zu nehmen, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Steuersatz maßgebend ist. Die Entlastung wird einerseits durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG) bewirkt, andererseits sind dazu, soweit der Unterhaltsabsetzbetrag nicht ausreicht, die dem das Kind betreuenden Elternteil zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG) und Familienbeihilfe (§ 8 Abs 2 und 3 FLAG) - heranzuziehen, indem der Unterhaltsbeitrag entsprechend gekürzt wird. Im vorliegenden Fall ist für verschiedene Etappen des gesamten "Erhöhungszeitraumes" das jeweilige Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters unter Berücksichtigung der auf insgesamt drei Jahre aufgeteilten Abfertigungszahlung festgestellt. Sein für die Ermittlung des Steuersatzes gemäß § 33 Abs 1 EStG maßgebliches Einkommen (ohne 13. und 14. Gehalt [so Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001, 799 (804)]) ist nicht festgestellt und ergibt sich auch nicht aus der Aktenlage.

Das Erstgericht wird das Verfahren durch Feststellung des zur Ermittlung des jeweiligen Steuersatzes maßgeblichen Einkommens des Vaters zu ergänzen haben, um die notwendige steuerliche Entlastung nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen berechnen zu können. Dabei wird es auch zu beachten haben, dass der Vater im Erhöhungszeitraum eine Abfertigungszahlung (gemäß § 25 EStG "Einkünfte" aus früheren Dienstverhältnissen, die nach § 67 Abs 3 EStG zu versteuern ist; siehe dazu Doralt, EStG6 § 67 Rz 28 ff und Rz 49 ff) erhielt, die bei der Ermittlung des für die dargelegte Berechnung maßgeblichen Einkommensteuersatzes entsprechend zu berücksichtigen ist. Demnach ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

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