JudikaturOGH

15Os138/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. November 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. November 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ilia I***** wegen der teilweise im Stadium des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall und Abs 4 Z 3 SMG, AZ 8 Hv 1153/01z des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 10. Oktober 2002, AZ 11 Bs 482/02 (= ON 255 des Hv-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Ilia I***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Der seit 15. März 2000 in Untersuchungshaft angehaltene Angeklagte Ilia I***** wurde (nach teilweiser Urteilsaufhebung in der rechtlichen Unterstellung der festgestellten Tatsachen auch unter die Bestimmung des § 28 Abs 3 erster Fall SMG durch den Obersten Gerichtshof) im zweiten Rechtsgang mit dem mündlich verkündeten (vgl S 202/IV), davon jedoch abweichenden schriftlich ausgefertigten (US 2 und 6) Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24. September 2002 - trotz des unberührt gebliebenen und daher bereits im ersten Rechtsgang insoweit in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs - neuerlich (richtig) der teilweise im Stadium des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall und Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt und hiefür nach § 28 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 34 Monaten verurteilt. Danach hat er zwischen 11. und 12. März (richtig) 2000 im bewusst gemeinsamen Zusammenwirken mit zwei Mittätern 100 kg Cannabiskraut von Italien über die Staatsgrenze nach Österreich verbracht und am 12. März 2000 in Graz um 1,6 Mio S einem verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres zu verkaufen getrachtet. Mit dem gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO verkündeten Beschluss wurde die bedingte Nachsicht eines vom Landesgericht Innsbruck verhängten 5-monatigen Strafteils widerrufen (ON 275). Über die dagegen vom Angeklagten erhobene Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 289) hat der Gerichtshof zweiter Instanz nach der dem Obersten Gerichtshof vorliegenden Aktenlage noch nicht entschieden.

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 284) gab das Oberlandesgericht Graz einer Beschwerde des Angeklagten gegen den einen Enthaftungsantrag abweisenden Beschluss des Vorsitzenden nicht Folge und sprach aus, dass die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO) fortzusetzen ist. Dagegen erhob Ilia I***** Grundrechtsbeschwerde "wegen Verletzung des Rechtes auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art 5 EMRK" (ON 290).

Rechtliche Beurteilung

Sie ist nicht im Recht.

Der ursprünglich dringende (die Beschwerde spricht vom "hinreichenden") Tatverdacht (§ 180 Abs 1 StPO) wurde zwischenzeitig vom Obersten Gerichtshof geprüft und bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig die Schuld des Beschwerdeführers wegen der bezeichneten Verbrechen festgestellt. Davon ist im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens auszugehen. Eine bloße Verdachtsprüfung hat daher bei der gegebenen Sach- und Rechtslage zu unterbleiben.

Unbeschadet der vom Angeklagten gegen das im zweiten Rechtsgang festgesetzte Strafausmaß von 34 Monaten erhobenen Berufung (ON 289) sowie seiner Beschwerden gegen den Widerrufsbeschluss (ON 295) und gegen die nach § 265 Abs 1 StPO verweigerte bedingte Entlassung (ON 286) ist die bis zur Entscheidung der zweiten Instanz nicht einmal 31 Monate dauernde Untersuchungshaft angesichts des gravierenden Unrechtsgehalts der Taten und des einschlägig belasteten Vorlebens nicht unverhältnismäßig, zumal dabei auch die widerrufene Freiheitsstrafe von 5 Monaten zu berücksichtigen ist und der dem Berufungs- bzw Beschwerdegericht vorbehaltenen Entscheidung nicht vorgegriffen werden darf.

Soweit der Angeklagte dem Vorsitzenden des Schöffengerichtes im ersten Rechtsgang eine Verzögerung der Urteilsausfertigung vorwirft und daran einen (im Gesetz nicht vorgesehenen) "Anspruch auf Enthaftung wegen Verfahrensverzögerung" knüpft, ist er auf die Ausführungen in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. Mai 2002, GZ 15 Os 30/02-11, S 21, zu verweisen, wonach eine überlange Verfahrensdauer nicht vorliegt. Im Übrigen wäre eine Verzögerung, gegen die sich der Beschwerdeführer seinerzeit mit den Mitteln der §§ 78 und 91 GOG hätte wehren können, nur dann grundrechtsrelevant, wenn sie zu einer Unverhältnismäßigkeit der Haft geführt hätte (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 1).

Schließlich vermag die Beschwerde mit teils spekulativen Einwänden die zutreffenden Ausführungen des Gerichtshofs zweiter Instanz zum Fortbestehen des durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Haftgrundes der Fluchtgefahr (S 263 der ON 255 iVm S 245 der ON 282) nicht zu entkräften.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich auch weiterhin nicht veranlasst, beim Verfassungsgerichtshof die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens betreffend die als "gesetzwidrig" gerügte Suchtgift-Grenzmengenverordnung sowie die als "verfassungswidrig" bezeichnete Suchtgiftverordnung zu beantragen (vgl hiezu 14 Os 1/02). Da sohin Ilia I***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war die Beschwerde ohne Kostenzuspruch abzuweisen (§ 8 GRBG).

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