2Ob261/02z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede V*****, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Jovica J*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 6.903,92 sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. Mai 2002, GZ 36 R 461/01p 33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 4. Juli 2001, GZ 37 C 1001/01x 25, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei der Zurückweisung einer Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Klägerin stürzte am 30. Jänner 2000 am Gehsteig vor dem Hause ***** P*****gasse 57, wegen des dort befindlichen Rollsplitts. Der Beklagte ist Hausbesorger dieses Hauses.
Die Vorinstanzen haben das auf Zahlung von Schmerzengeld und Feststellung der Haftung gerichtete Klagebegehren abgewiesen.
Das Berufungsgericht führte dazu aus, während der Wintermonate könne das ortsübliche, auf dem Gehsteig nach einer Streuung verbliebene Streugut nicht als Verunreinigung im Sinne des § 93 Abs 1 StVO angesehen werden. Es habe daher für den Beklagten keine Verpflichtung auf "Säuberung" des Gehsteiges von dem vorhandenen, für diese Jahreszeit ortsüblichen Streugut bestanden. Das Unterlassen der Entfernung sei somit nicht sorgfaltswidrig gewesen. Es sei dem Beklagten aufgrund der konkreten Situation auch nicht zumutbar gewesen, den Rollsplitt zu beseitigen. Gerade bei Temperaturen um null Grad sei es nicht zumutbar, kurz zuvor aufgebrachtes Streugut nur deshalb zu entfernen, weil Temperaturen über null Grad herrschen, obwohl ohne weiteres zu erwarten sei, dass alsbald abermals Streugut aufgebracht werden müsse. Sobald dabei das ortsübliche Maß an aufgebrauchtem Streugut nicht überschritten werde, sei ein Entfernen unmittelbar nach Auftrocknen des Gehsteiges, was wiederum eine zusätzliche und fast ständige Beobachtung des Gehsteiges voraussetze, nicht zumutbar.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil eine dezidierte Beantwortung der hier aufgeworfenen Frage durch den Obersten Gerichtshof noch nicht vorliege, die Beantwortung der Frage, ob das Belassen ortsüblichen Streugutes bei trockenem Winterwetter auf dem Gehsteig eine Verunreinigung darstelle oder nicht, jedoch von erheblicher Bedeutung sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.
Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist für den Obersten Gerichtshof nicht bindend nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Es kann dahingestellt bleiben, ob Rollsplitt im Winter eine "Verunreinigung" im Sinne des § 93 Abs 1 StVO darstellt. Die Säuberungs und Streupflicht hat nämlich nach ständiger Rechtsprechung ihre Grenze in den Verkehrsbedürfnissen und in der Zumutbarkeit (Dittrich/Stolzlechner, Österr Straßenverkehrsrecht, § 93 StVO Rz 20 mwN; RIS Justiz RS0023277). Die Beurteilung des Umfanges der Reinigungs und Streupflicht hat anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu erfolgen, weshalb grundsätzlich die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind (2 Ob 18/01p). Eine grobe Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wären, kann in der Ansicht der Vorinstanzen, im konkreten Fall habe keine Säuberungspflicht bestanden, nicht erblickt werden.
Das Rechtsmittel der Klägerin war deshalb zurückzuweisen. Der Beklagte hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil er auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin nicht hingewiesen hat.