JudikaturOGH

13Os86/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. September 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Adamovic, Dr. Habl und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Teffer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter M***** und Jolanda P***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG, teilweise nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB und wegen weiterer Straftaten über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Februar 2002, GZ 35 Vr 132/00-235, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurden Peter M***** zu I.A) und B): des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG, teilweise in Form der Bestimmungs- und Beitragstäterschaft nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB (I.B.), zu I.C): des versuchten Vergehens nach §§ 15 StGB, 28 Abs 1 SMG; zu I.D): des Vergehens der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB und zu I.E): des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG sowie Jolanda P*****

zu II.: des Vergehens der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB verurteilt.

Danach haben, soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Relevanz, Peter M***** allein zwischen ca Winter 1997 und Frühsommer 2000 in Innsbruck, Kitzbühel und anderen Orten

I. A) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (Abs 6) gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, wobei er die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das 25-fache der im Abs 6 angeführten Menge ausmachte, und zwar durch gewerbsmäßigen Verkauf einer ziffernmäßig nicht mehr genau feststellbaren, jedenfalls aber übergroßen Menge qualitativ hochwertigen Kokains an Ronald K*****, Horst H*****, Markus U*****, Peter E*****, Christophorus B*****, Max H*****, Nadja F***** und weitere, namentlich nicht bekannte Personen;

I. B) zur Tat des abgesondert verfolgten Gernot G*****, welcher am und um den 8. März 2000 den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (Abs 6), nämlich 26,1 g qualitativ hochwertiges Kokain (reine Kokainbase 21 g) über die Bundesrepublik Deutschland (Grenzübergang Scharnitz/Mittenwald) nach Österreich eingeführt hatte, dadurch beigetragen und ihn zu dieser Tat bestimmt, dass er ihm einen Bargeldbetrag von 3.500,-- DM zum Ankauf des Suchtgiftes über seine Lebensgefährtin, die Zweitangeklagte Jolanda P*****, zukommen ließ und ihn anwies, mit diesem Geld Suchtgift anzukaufen und nach Österreich zu schmuggeln;

I. C) ein Suchtgift in einer großen Menge (Abs 6), nämlich ca 100 g qualitativ hochwertiges Kokain, beim abgesondert verfolgten Willibald P***** mit dem Vorsatz zu erwerben und besitzen versucht, dass dieses in weiterer Folge auch in Verkehr gesetzt werde (Tatzeitpunkt 7. April 2000);

I. D) und II.) Peter Paul M***** und Jolanda P***** im Februar, März 2000 den Gernot G*****, der mit Strafe bedrohten Handlungen, nämlich das Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG und die Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG sowie des Diebstahls nach § 127 StGB begangen hatte, der Vollstreckung der Strafe absichtlich zu entziehen versucht, indem sie dem aus der Strafhaft geflüchteten Gernot G***** - M***** mehrfach Geldbeträge und Jolanda P***** zumindest in einem Fall einen Bargeldbetrag von 3.000 S - (sogenanntes "Bewegungsgeld") zukommen ließen, um ihm dermaßen seine Flucht zu finanzieren.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die auf Z 5, 5a, 9 lit a und 10 (M*****) bzw auf Z 5 und 9 lit a (P*****) des § 281 Abs 1 StPO gestützten, in einem gemeinsamen Schriftsatz ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, welche jedoch fehl gehen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter M*****:

Zum Schuldspruch I A

Als unvollständig begründet bekämpft die Mängelrüge (Z 5) die Feststellung, der Angeklagte M***** hätte von ca Winter 1997 bis zu seiner Verhaftung am 2. Juni 2000 in zahllosen einzelnen Übergaben mindestens 1.000 Gramm Kokain von ausgezeichneter Qualität in Verkehr gesetzt. Das Erstgericht übergehe nämlich widerstreitende Verfahrensergebnisse, und zwar die Aussage des Zeugen Willibald P***** in der Hauptverhandlung vom 30. August 2000 (ON 182), wonach er insgesamt 1.200 Gramm Kokain von Holland nach Österreich gebracht hätte, wovon 400 Gramm in seiner Wohnung sichergestellt worden seien, weshalb maximal eine Menge von ca 800 Gramm Kokain von diesem Zeugen an den Angeklagten weitergegeben worden sein könnte; dazu komme, dass der genannte Zeuge in der fortgesetzten Hauptverhandlung am 21. Februar 2002 (ON 234) über nochmaliges Befragen durch den Vorsitzenden dezidiert angegeben hätte, dass er (nur) 800 Gramm Kokain an den Angeklagten weitergegeben hätte.

Diesen Beschwerdeausführungen ist vorerst entgegenzuhalten, dass das Erstgericht wegen seiner Verpflichtung zur gedrängten Darstellung der Gründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten ist, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse im Einzelnen zu erörtern, und fallbezogen daher auf die relevierten Aussagen nicht einzugehen brauchte: Die Beschwerde übersieht nämlich bei den aus dem Zusammenhang gerissenen Aussageteilen des Willibald P*****, dass dieser auch angab, sich an die Menge des nach Tirol verbrachten Kokains nicht mehr erinnern zu können bzw, 800 Gramm "könnten stimmen", sodass von einer dezidierten, eine Berücksichtigung erfordernde Aussage keine Rede sein kann. Desgleichen bleibt unbeachtet, dass dem Angeklagten das Inverkehrsetzen von Kokain bereits ab ca Winter 1997 zur Last gelegt wird (US 36 oben: vorwiegend allerdings im Jahr 2000), das (fallbezogen) von Willibald P***** erhaltene Suchtgift von diesem aber erst von Dezember 1999 bis Mitte März 2000 nach Österreich eingeführt wurde (S 307 ff/XV, Akt 19 Vr 463/00 des Landesgerichtes Feldkirch).

Weiters rügt die Beschwerde die Konstatierung, dass P***** dem Angeklagten M***** ca 1.000 Gramm Kokain anlässlich von mehreren Einzelgeschäften übergeben hätte (US 33) nominell als aktenwidrig (inhaltlich als unvollständig bzw widersprüchlich begründet), weil nach dem den Willibald P***** betreffenden Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 12. September 2000, AZ 19 Vr 463/00, dieser von der (in Punkt I 1 dieses Urteils genannten) von Dezember 1999 bis März 2000 eingeführten Schmuggelmenge von insgesamt 1.500 Gramm Kokain (nach Punkt I 2 dieses Urteils) 1000 g an den abgesondert verfolgten Armin S***** sowie an weitere Drogenabnehmer verkauft bzw übergeben hat, somit hievon nicht auch 1.000 Gramm Kokain dem Angeklagten hätten zukommen können.

Auch hier geht die Beschwerde ins Leere, weil sie unberücksichtigt lässt, dass das gegen P***** ergangene Urteil eine quantifizierende Trennung des an den namentlich bekannten Armin S***** sowie an weitere Drogenabnehmer verkauften bzw übergebenen Suchtgiftes gar nicht vornimmt, und sich die Tatrichter im vorliegend angefochtenen Urteil bei ihren Feststellungen US 32 auf S 307 ff/XV (Verantwortung des P*****, auch Aktenbestandteil in dessen Verfahren, mit welcher unter Hinweis auf das "volle Geständnis" auch dessen Verurteilung begründet wird) stützen, wonach "Hauptdrogenabnehmer" (nicht Armin S*****, sondern) ein "Herbert" war, welcher mit dem Angeklagten M***** ident sei.

Die von der Beschwerde vertretene Ansicht, von der tatsächlich vom Angeklagten erhaltenen Menge Kokain sei jedenfalls die von ihm selbst benötigte bzw verwendete Suchtgiftmenge in Abzug zu bringen, mag zutreffen, berührt jedoch nicht die festgestellte Weitergabe von ca einem Kilogramm Kokain, wurde doch die Menge des insgesamt während des gesamten Tatzeitraumes durch den Angeklagten erworbenen Suchtgiftes gar nicht festgestellt.

Die Beschwerdebehauptung der fehlenden Begründung der subjektiven Tatseite zur Weitergabe einer großen Menge, bzw einer das Fünfundzwanzigfache der großen Menge des § 28 Abs 6 SMG übersteigenden Suchtgiftmenge sei unbegründet geblieben, entkräftet sich selbst mit dem (aktenkonformen) Vorbringen, dass das Erstgericht diese Konstatierung auf die eigene Verantwortung des Angeklagten stützte.

Die bekämpften Feststellungen sind daher weder unvollständig noch unzureichend begründet, keineswegs unlogisch und leiden auch an keinem inneren Widerspruch.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erweckt keine erheblichen, sich aus den Akten ergebenden Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Feststellungen, sondern trachtet unter Anstellung eigener Beweiswerterwägungen und somit nach Art einer hier unzulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen.

Die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, gemeint Z 10 = der Sache nach auch Z 5) rügt, dass das Urteil keine Feststellungen über die Vorstellung des Angeklagten zur Qualität des von ihm in Verkehr gesetzten Suchtgiftes enthalte, sodass nicht abschließend festgestellt werden könnte, ob der Angeklagte mit dem zumindest bedingten Vorsatz des Inverkehrsetzens der sogenannten übergroßen Menge eines Suchtgiftes gehandelt hätte; inhaltlich wird damit jedoch eine unzureichende Begründung des hiezu festgestellten Vorsatzes (US 35, 37 ff) geltend gemacht. Die Beschwerde übersieht, dass das Erstgericht den konstatierten Vorsatz des Angeklagten nicht auf eine abstrakte, sondern die von ihm konkret in Verkehr gesetzte Suchtgiftmenge bezogen hat, die als fehlend monierten Feststellungen sohin ohnedies getroffen und auch hinlänglich begründet wurden. Die Subsumtionsrüge (Z 10) bringt vor, dass das Erstgericht zum Eigenkonsum des Erstangeklagten über einen Zeitraum zwischen ca Winter 1997 und Frühsommer 2000 keine Feststellungen getroffen hätte, obwohl dessen Menge von der durch den Angeklagten von Willibald P***** bezogenen Suchtgiftmenge von ca 1.000 Gramm Kokain in Abzug zu bringen wäre.

Die Beschwerde übersieht (worauf bereits oben hingewiesen wurde), dass - wie aus den Tatzeiten ersichtlich - das von Willibald P***** erhaltene, den Gegenstand dessen Verurteilung zu AZ 19 Vr 463/00 des Landesgerichtes Feldkirch zugrunde liegende Suchtgift von ca 1.000 Gramm Kokain allein schon auf Grund dessen Beschaffungszeit (Dezember 1999 bis Mitte März 2000) nicht ident ist mit dem vom Angeklagten insgesamt bezogenen Suchtgift. Einmal mehr wird den Beschwerdeausführungen sohin nicht das Tatsachensubstrat zugrunde gelegt.

Gleiches gilt für die gegen die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit gerichtete Rüge. Diese behauptet, dass der monatliche Gewinn durch Weitergabe von Drogen im Verhältnis zu den legalen Einnahmen nicht die Bagatellgrenze übersteige, lässt jedoch die Feststellung unbeachtet, dass der Angeklagte durch die Kokainverkäufe eine weitere lukrative Einnahmequelle erschlossen hat (US 36, 37) und unterlässt es auch darzulegen, aus welchen Gründen die Bagatellgrenze nicht objektiv, sondern relativ zum sonstigen Einkommen zu beurteilen sei.

Zum Schuldspruch I B:

Die unter Bezugnahme auf Suchtgiftpreise angestellten Beschwerdeausführungen übersehen, dass sich der vom Erstgericht genannte Preis von 400 bis 500 S pro Gramm auf den Angeklagten M***** als Einkäufer bezog der Geldbetrag von 3.480 DM als Preis für ca 20 Gramm hochwertiges Kokain jedoch auf den beauftragten Einkäufer Gernot G*****. Von einem Widerspruch kann sohin keine Rede sein; ein Bezug zu Schuldspruch I A ist nicht ersichtlich.

Zum Schuldspruch I C:

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet einen Widerspruch zwischen dem festgestellten Versuch, 100 Gramm Kokain mit dem Vorsatz der Inverkehrsetzung zu erwerben und zu besitzen und der Konstatierung (US 33), dass P***** dem Angeklagten M***** ca 1.000 Gramm Kokain anlässlich mehrerer Einzelgeschäfte übergeben hat. Das Vorbringen, vom Erstgericht seien offensichtlich diese 100 Gramm in die laut Feststellung an M***** übergebenen 1.000 Gramm Kokain eingerechnet worden, ist ebenso wie ein Widerspruch nicht nachvollziehbar, wurden doch, was die Beschwerde offensichtlich verkennt, ohnedies die Suchtgiftmengen als miteinander nicht in Zusammenhang stehend festgestellt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) meint, dass mangels der Ausführung unmittelbar vorangehender Handlung (des Erwerbs und Besitzes des gegenständlichen Suchtgiftes) kein Versuch, sondern lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung vorliegen würde. Die Beschwerde übersieht jedoch die konstatierten intensiven Bemühungen des Angeklagten, umgehend das von ihm benötigte und bestellte Suchtgift zu erlangen (US 31, 32) und orientiert sich demnach prozessordnungswidrig nicht am Urteilssachverhalt.

Zum Schuldspruch I D:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bringt vor, dass der Tatbestand des § 299 StGB mangels Verwirklichung der subjektiven Tatseite nicht verwirklicht worden sei, weil vorrangiges und primäres Ziel im Tatplan des Angeklagten die Verwendung des an Gernot G***** überwiesenen Geldes für Drogengeschäfte gewesen sei und die Tatsache, dass sich Gernot G***** auf der Flucht befand, "maximal als dolus eventualis" vom Vorsatz des Angeklagten umfasst gewesen wäre. Dieses Vorbringen wendet sich aber gegen die ausdrückliche gegenteilige Urteilsfeststellung (US 47), sodass die Rechtsrüge einer prozessordnungsgemäßen Darstellung entbehrt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Jolanda P*****:

Die Mängelrüge (Z 5) bezeichnet die festgestellte Absicht, den flüchtigen Gernot G***** der Vollstreckung der Strafe zu entziehen, als mangelhaft begründet. Demgegenüber haben die Tatrichter hiezu eingehende und logische Erwägungen angestellt, die sich keineswegs vorwiegend auf das Verhalten ihres Lebensgefährten (= des Erstangeklagten) sondern vielmehr ausführlich auf jenes der Zweitangeklagten beziehen (US 48). Der behauptete Begründungsmangel liegt daher nicht vor.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet aufs Neue das Vorliegen dieser festgestellten Absicht. Solcherart wird ein materiellrechtlicher Nichtigkeitsgrund jedoch mangels Orientierung am Urteilssachverhalt nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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