JudikaturOGH

9ObA182/02h – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. September 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Helmut Szongott und Mag. Dr. Univ. Doz. Michaela Windischgrätz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Jochen V*****, Wirtschaftsberater und selbständiger Handelsvertreter, *****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 11.000,--), über den Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Mai 2002, GZ 15 Ra 47/02b-10, womit der Rekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. März 2002, GZ 35 Cga 30/02m-6, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden und gefährdeten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erließ gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden Beklagter) in Punkt B. des Beschlusses vom 18. 3. 2002 (ON 6) eine einstweilige Verfügung folgenden Inhalts:

"Dem Beklagten ist es ab sofort untersagt, bis zum 31. 03. 2002 für Mitbewerber der Klägerin, insbesondere die Firma 'A*****' ***** oder die Firma '*****F*****' *****, auf welche Art auch immer, tätig zu sein und tätig zu werden.

Diese einstweilige Verfügung wird, soweit sie nicht ohnehin auf Grund ihres Inhalts mit dem Ablauf des 31.03.2002 enden werden wird, bis zur rechtskräftigen Beendigung der derzeit zu 35 Cgs (richtig: Cga) 30/02m Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht behängenden Rechtssache erlassen."

Gegen diese einstweilige Verfügung erhob der Beklagte Rekurs und beantragte die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den Rekurs zurück. Es begründete die Zurückweisung damit, dass im Zeitpunkt der Vorlage der Rechtsmittelakten an das Rekursgericht und der Entscheidung des Rekursgerichtes die Frist, während welcher die erlassene einstweilige Verfügung gültig sein sollte (d.i. bis 31. 3. 2002), bereits abgelaufen gewesen sei. Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre setze jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus, sei es doch nicht Sache der Rechtsmittelinstanz, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Die Beschwer müsse sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch noch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen. Der Entscheidung des Rekursgerichtes komme zufolge bereits erfolgtem Wegfall der Gültigkeitsdauer der bekämpften Provisorialmaßnahme keine praktische Bedeutung mehr zu; es mangle somit dem Beklagten an einer für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlichen Beschwer. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes wohl EUR 4.000, nicht jedoch EUR 20.000 übersteige und dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, änderte jedoch über Antrag des Beklagten seinen ursprünglichen Ausspruch dahin ab, dass der Revisionsrekurs auf Grund der hierin angeführten Judikatur und Literatur doch zulässig sei.

Gegen die Zurückweisung des Rekurses richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Sicherungsantrag abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 15. 6. 1999, 5 Ob 159/99i, aufgezeigt hat, bildet § 402 Abs 1 letzter Satz EO die einzige Ausnahme von der gemäß § 402 Abs 4 iVm § 78 EO anzuwendenden Bestimmung des § 528 ZPO (RIS-Justiz RS0112144). Ein Revisionsrekurs im Provisorialverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht ist daher nicht jedenfalls, sondern nur unter den - mit der Einschränkung nach § 402 Abs 1 letzter Satz EO - sonstigen Voraussetzungen des § 528 ZPO zulässig. Neben einem EUR 4.000 übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstandes bedarf es daher auch des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1

ZPO.

Eine solche Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall zu bejahen, weil das Rekursgericht bei der Beurteilung der Beschwer von der ständigen Rechtsprechung abgewichen ist. Der Revisionsrekurs ist daher zulässig; er ist auch iS des Aufhebungsantrages berechtigt. Hingegen ist die Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin und gefährdeten Partei nicht zulässig. Es entspricht nämlich einhelliger Rechtsprechung, dass der Rekursgegner am Verfahren über den Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Zurückweisungsbeschluss nicht zu beteiligen ist, wenn das Rekursgericht in einem Provisorialverfahren ein Rechtsmittel ohne sachliche Prüfung aus formellen Gründen zurückweist; es liegt dann nämlich kein Erkenntnis über die Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Sicherungsmaßnahme iSd § 402 Abs 1 EO vor (RIS-Justiz RS0005674 ua). Die dennoch erhobene Revisionsrekursbeantwortung war daher zurückzuweisen. Zutreffend weist der Revisionsrekurswerber darauf hin, dass - entgegen der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes - die Tatsache, dass ein einstweiliges Verbot wegen Zeitablaufes überholt ist, dem Antragsgegner insbesondere im Hinblick auf allfällige Ersatzansprüche nach § 394 EO noch nicht die für die Sachentscheidung über seinen Rekurs erforderliche Beschwer nimmt (stRsp RIS-Justiz RS0005521, insbesondere SZ 72/101, zuletzt 9 ObA 148/02h).

Das Rekursgericht wird daher unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund in der Sache selbst zu entscheiden haben. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO iVm §§ 402 Abs 4, 78 EO.

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