JudikaturOGH

11Os35/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. September 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haimböck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ljubodrag K***** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Kindberg vom 5. Juli 2001, GZ 1 U 18/01p-13 und des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2001, AZ 9 Bl 121/01 (= ON 17 des Strafaktes) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren des Bezirksgerichtes Kindberg, AZ 1 U 18/01p, gegen Ljubodrag K*****wegen § 125 StGB verletzen

1) das Urteil des Bezirksgerichtes Kindberg vom 5. Juli 2001, GZ 1 U 18/01p-13, dadurch, dass die vom Beschuldigten im Zuge einer gescheiterten diversionellen Verfahrenserledigung bezahlte Geldbußenrate auf die ohne Rücksicht darauf ausgemessene Geldstrafe lediglich angerechnet und nicht schon bei der Strafbemessung berücksichtigt wurde, und

2) das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Rechtsmittelgericht vom 25. Oktober 2001, AZ 9 Bl 121/01 (= ON 17 des Strafaktes), mit dem der diese Vorgangsweise des Erstgerichtes bekämpfenden Berufung der Staatsanwaltschaft keine Folge gegeben wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 90h Abs 5 dritter Satz StPO.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Kindberg vom 5. Juli 2001, GZ 1 U 18/01p-13, wurde Ljubodrag K***** des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen á 250 S, im Uneinbringlichkeitsfall zu 20 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Der vom Beschuldigten im Rahmen einer von der Staatsanwaltschaft Leoben zuvor angebotenen, letztlich gescheiterten diversionellen Erledigung gemäß § 90 c StPO bezahlte Teilbetrag von 2.225 S wurde "gemäß § 90 h Abs 5 StPO auf die verhängte Strafe angerechnet". Der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruches über die Strafe wurde vom Landesgericht Leoben keine Folge gegeben (Urteil vom 25. Oktober 2001, AZ 9 Bl 121/01 = ON 17 des Strafaktes). Anders als die Anklagebehörde vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass zunächst eine Strafe festzusetzen und erst danach die im Rahmen einer angebotenen, aber letztlich gescheiterten diversionellen Erledigung bereits erbrachte (Geld )Leistung des Beschuldigten auf die unabhängig davon festzusetzende Strafe anzurechnen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die beiden Urteile des Bezirksgerichtes Kindberg und des Landesgerichtes Leoben verletzen, wie der Generalprokurator in seiner deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, das Gesetz in § 90 h Abs 5 StPO. Nach dieser Bestimmung werden Verpflichtungen, welche der Verdächtige übernommen, und Zahlungen, zu denen er sich bereit erklärt hat, mit der nachträglichen Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens gegenstandslos. Vom Verdächtigen in diesem Zusammenhang bereits erbrachte Leistungen sind bei einer allfälligen Strafbemessung zu berücksichtigen (§ 90 h Abs 5 dritter Satz StPO). Damit hat der Gesetzgeber sinnfällig zum Ausdruck gebracht, dass solche Leistungen schon bei der Sanktionsfestsetzung (gleich einem Milderungsgrund) zu beachten sind. Denn der im StGB als Abschnittsbezeichnung (§§ 32 bis 42) verwendete Begriff "Strafbemessung" umschreibt ungeachtet dessen, dass sich in diesem Abschnitt auch Strafvollzugsregelungen (§ 38 StGB) und die Bestimmung über die Strafunwürdigkeit (§ 42 StGB) finden, die Festsetzung der im Einzelfall normgewollten Strafe unter Einschluss der Straffolgeentscheidung (§§ 43, 43a StGB). Diese Auffassung wird durch das Fehlen jeglichen Hinweises auf eine Anrechnungsintention des Gesetzgebers in § 90 h Abs 5 StPO, den Gebrauch des Wortes "berücksichtigen" als sprachliche Parallele zu § 32 Abs 2 StGB, worin die Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe anlässlich der Sanktionsfindung behandelt wird, und die Verwendung der Präposition "bei" unterstützt.

Hätte daher der Gesetzgeber eine lineare Anrechnung erst nach Bestimmung des Strafmaßes vorsehen wollen, hätte er dies durch die Wahl eines entsprechenden Verbums (wie "anrechnen" in §§ 38, 66 StGB) zum Ausdruck bringen müssen. Der den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1581 BlgNR XX. GP 27 [3.1.7.] durch den Hinweis auf die Umrechnung von Geldbußen, aber auch von entsprechend zu bewertenden gemeinnützigen Leistungen über eine theoretische (Ersatz )Freiheitsstrafe und deren Abzug von der Geld- oder Freiheitsstrafe zu entnehmenden Andeutung einer nachträglichen Anrechnung steht somit der klare, vom Sprachgebrauch der §§ 38 und 66 StGB ("anrechnen") markant abweichende Gesetzeswortlaut des § 90 h Abs 5 StGB entgegen. Er hindert etwa auch den sonst möglichen Entfall einer Strafe bei weisungsgemäßer (§ 90 f Abs 2, g Abs 1 StPO) Wiedergutmachung eines entsprechend hohen Schadens und stellt andererseits eine angemessene Beachtung bereits erbrachter Leistungen im Zusammenhang mit Entscheidungen nach §§ 12 und 13 JGG sicher. Dass diese Interpretation auch vom Bundesministerium für Justiz geteilt wird, sei im Übrigen nur am Rande vermerkt (vgl Einführungserlass [zweiter Teil] zur Strafprozessnovelle 1999, JMZ 578.015/35-II 3/1999 S 49).

Demgemäß hätte das Bezirksgericht Kindberg die bezahlte Geldbußenrate nicht erst auf die unabhängig davon bestimmte Geldstrafe anrechnen, sondern die Zahlung schon bei der Bemessung der Geldstrafe in Form der Festsetzung einer geringeren Anzahl von Tagessätzen berücksichtigen müssen.

Im Ergebnis bedeutet das Vorgehen des Bezirksgerichtes Kindberg und des Landesgerichtes Leoben als Rechtsmittelgericht jedoch keinen Nachteil für den Verurteilten:

Dass die Berücksichtigung der Geldbußenratenzahlung schon bei der Strafhöhenbestimmung sich für den Beschuldigten günstiger ausgewirkt hätte als die Anrechnung erst auf das davon unabhängig festgesetzte Strafmaß ist angesichts des hier annähernd mit neun Tagessätzen zu berechnenden theoretischen Geldstrafenteils realistischerweise nicht anzunehmen.

Tilgungsrechtlich bedeutsame Grenzen (der §§ 3 Abs 1 Z 2, 4 Abs 3 TilgG) werden darüberhinaus ebensowenig berührt wie die mangels vollständiger Abdeckung der Geldstrafe durch die bezahlte Geldbußenrate noch nicht in Gang gesetzte Tilgungsfrist nach § 2 Abs 1 und Abs 2 TilgG.

Auch bei einer allenfalls notwendig werdenden nachträglichen Milderung der Strafe durch Neubemessung des Tagessatzes im Sinne des § 31a Abs 2 StGB ergeben sich durch die nicht dem Gesetz entsprechende Vorgangsweise des Bezirksgerichtes Kindberg und des Landesgerichtes Leoben fallbezogen keine nachteiligen Auswirkungen für den Verurteilten; denn bei rechtsrichtiger angemessener (einen entsprechenden Ermessensumfang eröffnenden) Berücksichtigung der im gescheiterten diversionellen Verfahren eingezahlten Geldbußenrate schon im Rahmen der Festsetzung der Tagessatzanzahl würde die noch aushaftende Geldstrafe im Fall einer nach § 31a Abs 2 StGB notwendigen Änderung der Tagessatzhöhe im Umfang nicht niedriger ausfallen, als bei der vom Bezirksgericht Kindberg und vom Landesgericht Leoben gewählten Vorgangsweise (bei der die anzurechnende Zahlung von der Gesamtstrafe sofort abzuziehen ist), weshalb die Feststellung der Gesetzesverletzung ohne konkrete Wirkung zu bleiben hatte.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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