JudikaturOGH

4Ob165/02x – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. August 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Rudolf P*****, vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer und Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. I***** Gesellschaft mbH, ***** 2. Dr. Gustav S*****, beide vertreten durch Weissborn Wojnar KEG, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 29.069,13 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Parei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 26. April 2002, GZ 3 R 233/01h-8, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 6. November 2001, GZ 19 Cg 189/01t-3, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Jeder der Streitteile hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger betreibt als Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik eine Ordination in Wien 7. Die Erstbeklagte betreibt Krankenanstalten in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums für medizinische und chemische Labordiagnostik an mehreren Standorten in Wien, darunter auch das Labor Neubau in Wien 7 und das Labor Mariahilf in Wien 6. Der Zweitbeklagte ist alleiniger Geschäftsführer der Erstbeklagten. Im September 2001 verschickten die Beklagten Postwurfsendungen an Haushalte im 7., 14. und 15. Wiener Gemeindebezirk, in denen "Das neue Labor Neubau" vorgestellt wurde. Die Postwurfsendung - eine Postkarte im Format DIN A 5 - zeigte auf der Vorderseite das farbige Hochglanzbild eines neu gestalteten Warteraums verbunden mit Angaben über die Öffnungszeiten unter anderem für Blutabnahme und führte den Namen des Zweitbeklagten als ärztlichen Leiters an. Auf der Rückseite wurden Adresse, Telefon- und Faxnummer sowie Internetadresse des Instituts angegeben, das Ärzteteam namentlich genannt und in Form eines Gruppenfotos abgebildet.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt der Kläger, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die ärztliche Standesehre beeinträchtigende Werbung für Leistungen eines Facharztes für medizinisch-chemische Labordiagnostik zu betreiben, und zwar insbesondere in Postwurfsendungen die Erbringung von Leistungen eines Facharztes für medizinische und chemische Labordiagnostik durch die Erstbeklagte zu bewerben. Die Erstbeklagte sei Krankenanstalt im Sinn des § 1 Abs 1 WrKAG, einem Ausführungsgesetz zum BKAG. Dem Träger einer Krankenanstalt sei es nach § 13 BKAG verboten, selbst oder durch andere physische oder juristische Personen unsachliche oder unwahre Informationen im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Krankenanstalt zu geben. § 24 WrKAG enthalte eine inhaltsgleiche Bestimmung. Diese Werbebeschränkungen orientierten sich an § 53 Abs 1 ÄrzteG, wonach sich auch der Arzt jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs zu enthalten habe. Dies gelte nach § 53 Abs 3 ÄrzteG auch dann, wenn eine Krankenanstalt für ärztliche Leistungen werbe. Nach Art 3 der auf Grund der Ermächtigung des § 53 ÄrzteG erlassenen Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" beeinträchtige eine Information das Standesansehen dann, wenn sie Ehre und Ansehen der Ärzteschaft gegenüber der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen herabsetze. Eine standeswidrige Information liege insbesondere bei der Verteilung von Flugblättern und Postwurfsendungen an die Bevölkerung vor. Die Beklagten hätten gegen diese Richtlinie verstoßen.

Die Beklagten beantragen Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die erstbeklagte Krankenanstalt unterliege nicht dem Werbeverbot des § 53 ÄrzteG, sondern nur jenem des § 24 WrKAG. Danach sei die Werbung zulässig; sie enthalte weder unsachliche noch unwahre Informationen. Die Postwurfsendung nenne nur den Namen des Labors, jenen des ärztlichen Leiters und die Öffnungszeiten sowie die Adresse. Ärztliche Leistungen würden darin nicht beworben. Sie sei auch weder marktschreierisch noch übertrieben selbstdarstellerisch oder aufdringlich. Im Übrigen werde auf die Entscheidung des VfGH zum Antrag des Obersten Gerichtshofs, Art 3 lit h der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" als gesetzwidrig aufzuheben, verwiesen. Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die Werbebeschränkungen des Ärztegesetzes seien auch auf Dritte insoweit anzuwenden, als auch Dritten jene Handlungen untersagt wurden, die Ärzten verboten seien. Eine Krankenanstalt sei Dritte im Sinn des § 53 Abs 3 ÄrzteG, soweit sich die Werbung auf die Ausübung des ärztlichen Berufs, also auf medizinische Leistungen beziehe. Dies sei hier der Fall, weil die Tätigkeit eines medizinischen Labors zwangsläufig ärztliche Tätigkeit sei. Die Beklagten hätten daher die Richtlinie beachten müssen, nach deren Art 3 lit h die Werbung in Form von Postwurfsendungen unzulässig sei.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das beworbene Labor Neubau sei unstrittig eine Krankenanstalt im Sinn des BKAG. § 13 dieses Gesetzes verbiete es dem Träger einer Krankenanstalt, selbst oder durch andere physische oder juristische Personen unsachliche oder unwahre Informationen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Krankenanstalt zu geben. Zur Anwendung des § 53 ÄrzteG 1998 auf Krankenanstalten habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10. 1. 2001, V 11/00, ausgesprochen, es würde der vom Verfassungsgesetzgeber getroffenen Kompetenzverteilung zuwiderlaufen, wenn jegliche Werbetätigkeit eines Ambulatoriums undifferenziert unter die Ausübung des ärztlichen Berufs im Sinn des § 53 ÄrzteG 1998 subsumiert und demnach die Anwendbarkeit des Art 3 der Richtlinie Arzt und Öffentlichkeit betreffend standeswidriges Verhalten auf Werbemaßnahmen einer Krankenanstalt jedenfalls bejaht würde. Hinsichtlich der Kompetenz zur Erlassung von Werbeverboten sei danach zu unterscheiden, ob sich die Werbung auf Leistungen einer Krankenanstalt als organisatorischer Einheit oder auf die Tätigkeit eines bestimmten Arztes beziehen. Werde auf einen bestimmten Arzt nicht Bezug genommen, sei bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Werbemaßnahmen einer Krankenanstalt die Anwendung des § 53 ÄrzteG 1998 und der darauf beruhenden Richtlinie denkunmöglich. So habe auch der OGH in seiner Entscheidung 4 Ob 267/01w bereits ausgesprochen, dass die Werbung eines Zahnambulatoriums, in der nicht auf bestimmte Ärzte (oder Besonderheiten ärztlicher Leistungen) hingewiesen werde, nicht den Werbebeschränkungen des Ärztegesetzes, sondern nur jenen des Krankenanstaltengesetzes unterliege. Der Oberste Gerichtshof habe die davor vertretene gegenteilige Auffassung ausdrücklich nicht aufrecht erhalten. Im vorliegenden Fall scheine - anders als in den vom VfGH und vom OGH bisher beurteilten Fällen - nicht nur der Name des ärztlichen Leiters in der Postwurfsendung auf, es sei auch das gesamte Ärzteteam abgebildet und namentlich samt Titeln genannt. Eine unsachliche oder unwahre Information im Zusammenhang mit dem Betrieb der Krankenanstalt könne dem Flugblatt nicht entnommen werden, auch der Sicherungsantrag sei nicht darauf gestützt. Damit verstoße die Postwurfsendung nicht gegen § 13 KAG und auch nicht gegen § 24 WrKAG. Ob die Anwendung der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" wegen der Abbildung und namentlicher Nennung des im Labor Neubau tätigen Ärzteteams in Frage komme, könne auf sich beruhen. § 53 Abs 3 ÄrzteG solle sicherstellen, dass die Werbebeschränkungen für Ärzte nicht durch Werbung eines Dritten für den Arzt umgangen werden. Die Postwurfsendung enthalte zwar die Namen und ein Foto des Ärzteteams des Labors, sonst jedoch keine weiteren als Werbung einzustufenden Informationen. Weder seien die Privatpraxen der abgebildeten Ärzte noch die Krankenanstalten, in welche diese sonst noch arbeiten, genannt. Anpreisungen der medizinischen Leistungen oder wissenschaftlichen Erfolge des Ärzteteams fänden sich darin nicht. Es werde daher nach dem Inhalt der Postwurfsendungen nur für das Labor Neubau geworben und nicht auch für die dort beschäftigten Ärzte. Die Richtlinie präzisiere das Verbot unsachlicher, unwahrer oder das Standesansehen beeinträchtigender Information. Einem Arzt sei es daher möglich, sachliche Informationen an die Bevölkerung zu bringen, die - wie etwa Öffnungszeiten der Praxis - von allgemeinem Interesse seien. Derartige Informationen fielen nicht unter die Werbebeschränkung des § 53 ÄrzteG, sie seien daher auch nicht vom Verbot der Verteilung von Flugblättern und Postwurfsendungen erfasst. Die bloße namentliche Nennung des Ärzteteams samt fotografischer Darstellung in einer unaufdringlichen Art und Weise ohne Hinweis auf deren Privatpraxis, die Spitäler, in welchen sie arbeiten oder ihre medizinischen Leistungen sprenge nicht den Rahmen dieser im Wege einer Postwurfsendung zulässigen Sachinformation über das Labor Neubau. Die Postwurfsendung sei nur an die Bewohner der angrenzenden Bezirke verteilt worden, sodass noch eine die Bevölkerung interessierende Sachinformation und keine bloße Werbung vorliege. Wenn einem Ambulatorium die Werbung mit medizinischen Sachleistungen unter gleichzeitiger Angabe eines Preises ohne Bezugnahme auf die Namen der Ärzte gestattet sei (4 Ob 267/01w), so müsse ihm wohl auch gestattet sein, die Namen der Ärzte ohne Bezugnahme auf medizinische Leistungen oder sonstige werbende Beisätze in einer Postwurfsendung zu gebrauchen. Im Übrigen müsse die zulässige Sachinformation über die Öffnungszeit einer Arztpraxis notwendigerweise auch den Namen des Arztes enthalten. Anhaltspunkte für eine Selbstanpreisung der eigenen Person (des Arztes) oder die Darstellung der eigenen ärztlichen Tätigkeit durch reklamehaftes Herausstellen, aufdringlicher oder marktschreierischer Ankündigung, fänden sich nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt. Angesichts der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 10. 10. 2001, V 11/00, und der Entscheidung 4 Ob 267/01w bezweifelt der Revisionsrekurswerber nicht mehr, dass die vorliegende Postwurfsendung, soweit sie auf die Tätigkeit der Krankenanstalt selbst Bezug nimmt, unter Zugrundelegung des Werbeverbots nach § 13 KAG (inhaltlich gleich § 24 WrKAG) zu prüfen ist. Danach ist es dem Träger einer Krankenanstalt verboten, selbst oder durch andere physische oder juristische Personen unsachliche oder unwahre Informationen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Krankenanstalt zu geben. Dass die Information der Beklagten unsachlich oder unrichtig wäre, ist - wie schon das Rekursgericht zutreffend ausführte - nicht zu erkennen. Davon abgesehen erfasst das Sicherungsbegehren nicht die Unterlassung unsachlicher oder unrichtiger Information, sondern das Verbot einer die Standesehre beeinträchtigenden Werbung für Leistungen eines Facharztes im Sinn des § 53 Abs 1 ÄrzteG 1998 und der auf Grund des § 53 Abs 4 ÄrzteG erlassenen Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit". Dazu vertritt der Revisionsrekurswerber die Auffassung, die Postwurfsendung der Beklagten nehme auch auf die Tätigkeit der darin konkret bezeichneten Ärzte Bezug und bewerbe deren ärztliche Leistung, sodass Art 3 lit h der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" in Verbindung mit § 53 Abs 3 ÄrzteG anzuwenden sei. Danach sei das Verbotsbegehren - eingeschränkt auf solche Postwurfsendungen, die die Erbringung von Leistungen eines Facharztes für medizinisch-chemische Labordiagnostik durch die Erstbeklagte unter namentlicher Nennung und fotografischer Abbildung der behandelnden Ärzte zeigen - berechtigt.

Dem ist nicht zu folgen. Vorauszuschicken ist, dass die angefochtene Entscheidung auf der Grundlage des in erster Instanz gestellten Verbotsbegehrens zu überprüfen ist.

Die Anwendung der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" in Verbindung mit § 53 Abs 3 ÄrzteG auf Informationen einer Krankenanstalt als eines Dritten im Sinn dieser Bestimmung setzt voraus, dass die Aussage von den angesprochenen Patienten als Werbung im Zusammenhang mit der Berufsausübung eines konkreten Arztes verstanden wird, mit anderen Worten, es muss sich nach diesem Verständnis um Werbung für die ärztliche Leistung von Ärzten in Ausübung ihres Arztberufes handeln. Dies käme etwa dann in Betracht, wenn die (ärztliche) Leistung eines in der Krankenanstalt tätigen Arztes etwa durch Anführen einer von ihm praktizierten besonderen Heilmethode konkret hervorgehoben oder über Fachbereiche informiert wird, in denen er - über seinen Einsatz in der Krankenanstalt hinaus - tätig wird. Von einer "Information im Zusammenhang mit der Ausübung des Arztberufes" im Sinn des § 53 Abs 1 und Abs 3 ÄrzteG kann daher nicht schon dann gesprochen werden, wenn die Krankenanstalt wie hier die Namen der bei ihr tätigen Ärzte im Zusammenhang mit den von ihr selbst angebotenen Leistungen nennt und das Ärzteteam abbildet. Damit informiert sie aus der Sicht der Patienten in Wahrheit nur über die eigene medizinische Leistung und bewirbt nicht etwa die Leistung des einzelnen bei ihr tätigen Arztes oder des Ärzteteams. Dass die vorliegende Postwurfsendung aus der Sicht der Patienten als Information über das Ambulatorium verstanden wird, ergibt sich auch aus der besonderen Gestaltung ihrer Vorderseite, die eine Abbildung des Warteraums, verbunden mit der Angabe der Öffnungszeiten und des Namens des ärztlichen Leiters, zeigt. Der auf der Rückseite angebrachte Hinweis auf das Tätigkeitsgebiet des abgebildeten Ärzteteams (medizinisch-chemische Labordiagnostik) ändert an dieser Einschätzung schon deshalb nichts, weil dieses Fachgebiet mit jenem ident ist, in dem die Krankenanstalt ihre Leistungen anbietet und auf die sie in ihrer Information auch dementsprechend hinweist. Die gesamte Gestaltung macht für den Betrachter deutlich, dass die namentlich genannten Personen als Mitarbeiter der Krankenanstalt in jenem Fachbereich tätig sind, den die Krankenanstalt als organisatorische Einheit nach dem BKAG anbietet und nicht etwa als selbständig tätige Ärzte mit besonderen Qualifikationen abgebildet werden. Es besteht daher kein Anlass, die Werbebeschränkungen des Ärztegesetzes in Bezug auf Postwurfsendungen auch auf die Information einer Krankenanstalt anzuwenden, in der diese ihren fachlichen Tätigkeitsbereich unter Anführung ihrer Mitarbeiter umschreibt. Die bloße Anführung der Namen der bei ihr tätigen Ärzte und ein Gruppenbild geht noch nicht über jenen Tätigkeitsbereich hinaus, den die beklagte Krankenanstalt als organisatorische Einheit nach dem BKAG anbietet. Sie verwirklicht noch keine "Information über ärztliche Leistungen" im Sinn des § 53 Abs 1 ÄrzteG, sodass das Rekursgericht die Zulässigkeit der Postwurfsendung zu Recht nach dem BKAG und dem WrKAG als zulässig beurteilt hat.

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die erst nach Ablauf der 14-tägigen, mit 5. 6. 2002 begonnenen Frist eingebracht Revisionsrekursbeantwortung wird als verspätet zurückgewiesen (§ 402 Abs 3 EO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 402 und 78 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 2 ZPO. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels endgültig selbst zu tragen; die verspätete Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Parteien war der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht dienlich.

Rückverweise