2Ob89/01d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut H*****, vertreten durch Dr. Bernd A. Oberhofer und Dr. Herbert Fink, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei T***** AG, *****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Zahlung, Befreiung und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 26.572,70 = S 365.648,34) über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. November 2000, GZ 2 R 242/00f-58, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3. August 2000, GZ 15 Cg 204/97w-50 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionen beider Parteien werden zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 353,99 (darin enthalten EUR 59,00 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung der beklagten Partei zu ersetzen. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränkten (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes (§ 508a Abs 1 ZPO) liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor. Dass nämlich Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet keineswegs, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Die Besonderheiten der Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des Obersten Gerichtshofes sogar eher aus (RIS-Justiz RS0102181; RS0042843); insbesondere kommt der Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0042776); ebenso stellt die Frage, ob eine bestimmte Verschuldensteilung durch die Vorinstanzen angemessen ist, eine bloße Ermessensentscheidung dar, die im Interesse der Rechtssicherheit nur dann korrigiert werden müsste, als dem Berufungsgericht ein an die Grenzen des Missbrauchs gehender Fehler unterlief oder der Ermessensspielraum eklatant überschritten wurde (RIS-Justiz RS0042405).
Hier stand im Verfahren der Vorinstanzen die Auslegung einer zwischen den Streitteilen geschlossenen Vereinbarung anlässlich der Ausweitung eines vom Kläger bei der beklagten Partei aufgenommenen Kredites in der Richtung, dass die auf einem Betriebsmittelkonto der Mutter des Klägers einlangende Kundengelder auf dessen Kreditkonto umgebucht werden sollten, im Vordergrund. Diese vereinbarte Umbuchung unterblieb in der Folge, wobei im Verfahren erster Instanz strittig war, ob sie nur dann erfolgen sollte, wenn das Betriebsmittelkonto der Mutter des Klägers einen bestimmten Stand aufgewiesen hatte und ob sie auch zu einem "Habenstand" auf dem Kreditkonto des Klägers führen sollten.
Die Auslegung dieser Vereinbarung durch die Vorinstanzen dahingehend, dass die "Umbuchung" vom Betriebsmittelkonto der Mutter des Klägers unabhängig von einem bestimmten Kontostand durchzuführen gewesen wäre, aber nicht dann erfolgen sollte, wenn sich dieses im Haben und nicht im Soll befunden hat, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.
Die Vorinstanzen haben die Unterlassung der Umbuchung durch die beklagte Partei als schuldhaft angesehen und einen auf Verschulden der beklagten Partei gegründeten Schadenersatzanspruch des Klägers bejaht. Gleichzeitig wurde aber auch ein gleichteiliges Mitverschulden des Klägers angenommen, weil dieser in Kenntnis der zu erwartenden Kundenzahlungen es unterlassen habe, nachzuprüfen und Erkundigungen dazu einzuholen, welche Kundeneingänge auf dem Konto seiner Mutter vorhanden waren und ob diese auf sein Kreditkonto umgebucht wurden.
Unter Berücksichtigung dieses Mitverschuldens wurde einem Feststellungsbegehren, die beklagte Partei hafte für alle Schäden, die in Hinkunft daraus erwachsen werden, dass sie im Zeitraum Juli 1996 bis 28. 4. 1997 eine nicht bestehende Forderung zum Kreditkonto des Klägers geltend gemacht habe und damit bei ihm, sowie bei seinem Arbeitgeber und anderen Personen den Anschein seiner Zahlungsunfähigkeit hervorgerufen habe, nur zur Hälfte stattgegeben. Der eingetretene Schaden sei adäquat zum vertragswidrigen Verhalten der beklagten Partei, auch das Feststellungsbegehren sei im zuerkannten Umfang berechtigt, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger künftig bei seinem Arbeitgeber finanzielle Nachteile in Kauf nehmen müsse.
Die Revision des Klägers strebt ausgehend von einem Alleinverschulden der beklagten Partei die gänzliche Stattgebung des Klagebegehrens im Umfang der Anfechtung an. Ein allfälliges Mitverschulden des Klägers trete gegenüber der schuldhaften Vertragsverletzung der beklagten Partei in den Hintergrund und sei zu vernachlässigen. Nach den oben dargelegten Grundsätzen kann aber die Frage der Verschuldensteilung im Allgemeinen nur bei Überschreitung des Ermessensspielraumes durch die Vorinstanzen aufgegriffen werden. Eine solche ist hier nicht erkennbar und wird auch nicht aufgezeigt. Die Revision der klagenden Partei war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, weil die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision verwiesen hat. In der Revision der beklagten Partei wird geltend gemacht, das Feststellungsbegehren sei mangels Vorliegens eines rechtlichen Interesses unberechtigt, weil die bloße abstrakte Möglichkeit einer Schadenszufügung ein Feststellungsinteresse nicht begründen könne. Überdies fehle es an der Adäquanz zwischen einer allenfalls unberechtigten Fälligstellung einer Kreditforderung und einer daraus abgeleiteten Benachteiligung des Klägers in seiner künftigen Karriereentwicklung durch seinen Arbeitgeber.
Auch hier wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Adäquitatsfragen in Bezug auf mögliche künftige Schäden werden durch das Feststellungsurteil nicht gelöst. Soweit die Vorinstanzen das vereinbarungswidrige Verhalten als geeignet dafür angesehen haben, dass der Kläger möglicherweise bei seinem Arbeitgeber Nachteile in Kauf nehmen muss, liegt darin keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Denn ein Feststellungsinteresse ist auch dann anzuerkennen, wenn die Möglichkeit - wie hier - offen bleibt, dass ein schuldhaftes rechtswidriges Verhalten für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte (RIS-Justiz RS0038865). Dass der Kläger mit zukünftigen Leistungsbegehren nicht nur den Eintritt des Schadens, sondern ungeachtet des Feststellungsurteils auch den Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Verhalten und dem Schadenseintritt beweisen wird müssen, vermag ihm das Feststellungsinteresse nicht zu nehmen (JBl 1992, 253). Insgesamt liegen von Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung nicht vor.
Auch die Revision der beklagten Partei war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich insoweit auf die §§ 40, 50 ZPO, weil die klagende Partei auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.