7Ob127/02f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard S*****, vertreten durch Thum Weinreich, Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei D*****aktiengesellschaft, ***** , vertreten durch Schuppich Sporn Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 35.363,42), über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2002, GZ 1 R 208/01t-35, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Selbst wenn die Erklärung der "Außendienstmitarbeiterin" Kaufmann der "nunmehr eigene Betrieb" des Klägers, den er von seinen Eltern schenkungsweise übergeben erhalten hatte, benötige keine eigene Haftpflichtversicherung, falsch war und die Beklagte hiefür nach den Regeln der Erfüllungsgehilfenhaftung und/oder culpa in contrahendo einzustehen hätte, wäre doch jedenfalls - bei Abschluss und Zustandekommen eines solchen Versicherungsvertrages mit der beklagten Versicherung, aus dem nunmehr Deckung begehrt wird - die Bestimmung des Abschn A Pkt. 2 EHVB 1986 (dass der Kläger anderslautende Versicherungsbedingungen zugesagt bekommen hätte, hat er weder behauptet noch bewiesen), zufolge Verletzung der NÖ Maschinensicherheitsverordnung mit daraus resultierender Leistungsfreiheit schlagend geworden. Die gleiche (zur Klageabweisung führende) Rechtsfolge ergibt sich zufolge § 25 Abs 1 VersVG (Leistungsfreiheit wegen Gefahrenerhöhung).
In der ao Revision bezeichnete Rechtsfragen (§ 506 Abs 1 Z 5 ZPO):
a) Das Berufungsgericht begründe seine Entscheidung zwar mit Rechts- und Leitsätzen des Obersten Gerichtshofes, übersehe aber, dass diese auf den vorliegenden Fall "bzw mit dem vom Erstgericht übernommenen Feststellungen" nicht passten bzw anzuwenden seien.
b) Das angefochtene Urteil setze sich mit der zum § 17 VersVG jedenfalls relevanten Frage eines Verschuldens des Klägers als Versicherungsnehmer in keiner Weise auseinander bzw weiche diesbezüglich völlig von den Feststellungen des Erstgerichtes ab, wonach der Kläger keine Kenntnis davon gehabt habe, dass Maisförderschnecke und Einschüttgosse nicht den behördlichen Sicherheitsvorschriften entsprachen.
c) Ausgehend von diesen Feststellungen, die das Berufungsgericht unverändert seiner Entscheidung zugrunde hätte legen müssen, nehme das Berufungsgericht eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor bzw setze sich nicht vollständig mit den Bestimmungen des § 17 VersVG bzw § 23 VersVG auseinander.
d) In dem im ersten Rechtsgang erfolgten Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes werde ausschließlich eine Ergänzung bzw Wiederholung des Beweisverfahrens zur Frage der Beweiswürdigung der Aussage der Zeugin Kaufmann im Sinne einer allfälligen unrichtigen Auskunft und Beratung dieser Außendienstmitarbeiterin der beklagten Partei aufgetragen. Nachdem das Erstgericht diesbezüglich eine Beweiswiederholung und -ergänzung durchgeführt habe, komme das Berufungsgericht nunmehr überraschenderweise "in völlig anderer rechtlicher Beurteilung" zu einem Ergebnis im Sinne einer Klagsabweisung, "welche nicht den geringsten Zusammenhang mit dem ursprünglichen Auftrag zur Verbesserung des erstinstanzlichen Urteils hat".
e) Das Klagebegehren werde vom Berufungsgericht ausschließlich aus Gründen abgewiesen, die die beklagte Partei weder im Verfahren erster Instanz noch in der Berufung vorgebracht habe bzw sei ein diesbezügliches allfälliges Vorbringen vom Erstgericht berechtigterweise und unbekämpft als verspätet und unzulässig zurückgewiesen worden.
f) Die vorliegende Rechtsfrage erscheine weiters auch von grundsätzlicher und erheblicher Bedeutung zu sein und zwar sowohl für die Rechtsentwicklung, als auch einheitliche Rechtsprechung, insbesondere aber letztlich für den Kläger, da eine Klagsabweisung für ihn eine Gefährdung, wenn nicht Vernichtung seiner Existenzgrundlage darstelle bzw letztlich auch für den geschädigten Minderjährigen, da dieser durch eine allfällige mangelnde Einbringlichkeit der Forderung beim Kläger "einer möglichen Versicherungssumme von S 363.364,-- verlustig werden könnte". Mit diesen Ausführungen wird vom Revisionswerber weder eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, noch sonst ein tauglicher Zulassungsgrund dargetan:
Zu a): Da es der Revisionswerber - auch in seiner Rechtsrüge - unterlässt darzutun, welche und inwieweit oberstgerichtliche Entscheidungen "nicht passen" sollen, ist die Zulassungsbeschwerde in diesem Punkt nicht ordnungsgemäß ausgeführt.
Zu b) und c): Der Revisionswerber negiert die Rechtsausführungen des Berufungsurteiles, wonach anders als im Fall einer Leistungsfreiheit wegen Missachtung von Schutzvorschriften das Rücktrittsrecht wegen nachträglicher Gefahrenerhöhung iSd § 23 Abs 1 VersVG keine positive Kenntnis der die Gefahrenerhöhung begründenden Umstände erfordere. Die beharrliche Missachtung von ins Auge fallenden Umständen werde als so gewichtig angesehen, dass es dem Wissen des Versicherungsnehmers um die Gefahrenerhöhung gleichgehalten werde. An der Augenfälligkeit der Gefährlichkeit der nicht gegen Absturz gesicherten Einschüttgosse sowie der weitgehend ungesicherten Einzugsöffnung der Förderschnecke könne im vorliegenden Fall kein Zweifel bestehen. Das festgestellte Verhalten des Klägers gegenüber seinem (vermeintlichen) Betriebshaftpflichtversicherer W***** im Sinne unterbliebener Verständigung von der gefahrenerhöhende Betriebsführung stünde der Gewährung von Versicherungsdeckung auch durch die Beklagte im vorliegenden zu beurteilenden Schadensfall somit entgegen, weshalb die (allfällige) der Beklagten zuzurechnenden Falschinformation ihrer Außendienstmitarbeiterin nicht geeignet gewesen sei, den vom Kläger behaupteten Schaden herbeizuführen. Damit hat das Berufungsgericht ausreichend dargetan, dass die erstgerichtliche Feststellung, dass dem Kläger nicht bekannt war, dass (die von ihm völlig unsachgemäß installierte) Maisförderschnecke samt Einschüttgosse nicht den behördlichen Sicherheitsvorschriften entsprachen, nicht entscheidungserheblich ist. Der Revisionswerber setzt sich mit diesen rechtlichen Erwägungen nicht auseinander und negiert auch schon von der Bindungswirkung (SZ 68/195) betroffene rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung, wonach den Unfall ua "durch Verwenden einer mangelhaft ausgestatteten Körnerschnecke und durch Nichtabdecken der Einschüttgosse" herbeigeführt hat:
d) Die Behauptung betreffen den Grund der Aufhebung des Ersturteiles des ersten Rechtsganges ist aktenwidrig. Die Aufhebung ist deshalb erfolgt (Aufhebungsbeschluss ON 21, S 8 [= AS 183]), weil das Erstgericht im ersten Rechtsgang auf Grund unrichtiger Rechtsansicht Feststellungen zur Frage einer Haftpflicht der W***** Versicherung unterlassen und zudem Beweisanträge (und Vorbringen) der Beklagten zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen hat (S 9 des Aufhebungsbeschlusses ON 21).
Zu e): Auch dieser Einwand ist aktenwidrig. Die beklagte Partei hat schon im ersten Rechtsgang in der Verhandlung am 25. 3. 1999 vorgebracht (AS 60), der Kläger habe den Umstand, dass die unfallsauslösende landwirtschaftliche Maschine mehrfach gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen habe, der W***** Versicherung verschwiegen. Es sei daher davon auszugehen, dass er auch der beklagten Partei bei Abschluss eines Betriebshaftpflichtversicherungsvertrages dies nicht mitgeteilt hätte, sodass die Beklagte auf Grund der Erhebungen nach dem Schadensfall von einem Versicherungsvertrag zurückgetreten wäre und also auch dann kein Versicherungsschutz bestanden hätte. Das Erstgericht hat zwar sodann das gesamte ergänzende Vorbringen der beklagten Partei, soweit es die W***** Versicherung betreffe als verspätet und nur der Verzögerung dienend zurückgewiesen. Diese Zurückweisung wurde aber zum einen vom Berufungsgericht als nicht berechtigt erkannt, andererseits hat sie offenbar auch nur das vom Erstgericht - rechtsirrig - als irrelevant angesehene Vorbringen betroffen, die W***** Versicherung habe ohnehin Haftpflichtdeckung zu leisten.
Die vom Berufungsgericht nunmehr herangezogenen Klagsabweisungsgründe fußen im Übrigen auch auf Vorbringen der beklagten Partei in der Verhandlung vom 6. 6. 2001 (zweiter Rechtsgang), das auf den S 6 und 7 des Berufungsurteiles wiedergegeben wurde. Das Berufungsgericht hat offensichtlich auch diesbezüglich keine wirksame Zurückweisung dieses Vorbringens angenommen bzw den Beschluss des Erstgerichtes auf Zurückweisung des ergänzenden Vorbringens der Beklagten wegen Verzögerungs- und Verschleppungsabsicht nicht darauf bezogen. Dies begegnet deshalb keinen Bedenken, weil das Vorbringen AS 219 das bereits in der Verhandlung am 25. 3. 1999 erstattete Vorbringen lediglich näher erläutert.
Zu f): Welche Rechtsfrage von grundsätzlicher und erheblicher Bedeutung der Kläger meint, wird nicht dargetan, sodass die Zulassungsbeschwerde diesbezüglich nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Die Umstände, dass für den Kläger eine Klagsabweisung existenzgefährdend sein könnte und der mj Geschädigte allenfalls seinen Schaden nicht zur Gänze hereinbringen wird können, falls keine Versicherungsdeckung besteht, stellen keine tauglichen Zulassungsgründe dar.
Insgesamt vermag der Revisionswerber daher das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht darzulegen.